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Rechte

Politischer, rechtlicher und regulatorischer Rahmen

A.1

Gibt es einen rechtlichen Rahmen für die Geltung und Durchsetzung der Menschenrechte, der mit internationalen und regionalen Vereinbarungen, Gesetzen und Standards sowie mit der Rechtsstaatlichkeit vereinbar ist?

Indikator 22: Bestehen eines verfassungsrechtlichen oder gesetzlichen Rahmens, einschließlich Kontrollverfahren, der mit internationalen und regionalen Vereinbarungen, Gesetzen und Standards im Bereich der Menschenrechte in Einklang steht, und Nachweis, dass dieser von der Regierung und anderen zuständigen Behörden respektiert und durchgesetzt wird

Die Artikel 1-19 des Grundgesetzes (GG) von 1949 sehen einen umfassenden Grundrechtsschutz vor.1 Die Verletzung dieser Grundrechte (spezifisches Verfassungsrecht) kann in Deutschland (nach Erschöpfung des Rechtswegs) mit der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG geltend gemacht werden.2

Deutschland hat die Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und das Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (ZP I EMRK) unterzeichnet und ratifiziert.3 Das Zusatzprotokoll des ZP I EMRK sieht ein Individualbeschwerdeverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor. Außerdem ist Deutschland als EU-Mitgliedstaat an die EU-Grundrechtecharta (GR-Charta) gebunden.4 Nach den Voraussetzungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) können Individuen vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) u.a. wegen der Verletzung der EU-Grundrechtecharta klagen. Eine Verletzung von „EU-Grundrechten“ kann seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in „Recht auf Vergessenwerden II“ im Wege der Verfassungsbeschwerde auch vor dem BVerfG überprüft werden.5

Deutschland hat die relevanten völkerrechtlichen Verträge und die meisten Zusatzprotokolle unterzeichnet und ratifiziert.6 Dazu zählen:

  • der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) und das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe,
  • der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt),
  • das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (Anti-Rassismus-Konvention),
  • das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Frauenrechtskonvention) mit dem Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau,
  • das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Anti-Folter-Konvention) und das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,
  • das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) und die Fakultativprotokolle; das Fakultativprotokoll zur Konvention über die Rechte des Kindes bei der Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (Kindersoldatenvertrag),
  • das Fakultativprotokoll zur Konvention über die Rechte des Kindes in einem Kommunikationsverfahren7 das Fakultativprotokoll über den Verkauf von Kindern, Kinderprostitution und Kinderpornografie,
  • das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention) und das Fakultativprotokoll zur Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen,
  • das Übereinkommen gegen gewaltsames Verschwindenlassen,
  • das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention).

Art. 1 Abs. 2 des Grundgesetzes sieht ein allgemeines Bekenntnis zu den internationalen Menschenrechten vor. Art. 25 GG legt fest, dass das Völkerrecht Vorrang vor allgemeinen Bundesgesetzen hat. Grundsätzlich wird das Grundgesetz „völkerrechtsfreundlich“ ausgelegt. Deutschland kommt auch seiner Pflicht zur turnusmäßigen Abgabe von Staatenberichten nach den Menschenrechtskonventionen nach.8 Positiv ist auch hervorzuheben, dass die Staatsanwaltschaften in Deutschland Strafverfahren nach dem Weltrechtsprinzip führen.9

Trotz des im Allgemeinen hohen menschenrechtlichen Schutzniveaus in Deutschland gibt es in einigen Bereichen Defizite. Bei der Umsetzung des UN-Sozialpakts sieht der Ausschuss über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen erhebliche Defizite, so z.B. beim Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Insbesondere kritisiert er die Freiwilligkeit der Maßnahmen, und die Tatsache, dass es keine effektiven Überwachungsmechanismen der Sorgfaltspflichten von Unternehmen hinsichtlich der Beachtung von Menschenrechten gibt.10 Der Ausschuss empfiehlt Deutschland die Schaffung eines rechtlichen Rahmens, der sicherstellt, dass alle in Deutschland ansässigen Unternehmen und alle Unternehmen in Gebieten, über die Deutschland Jurisdiktionsgewalt ausübt, sowohl die mit ihren Geschäftstätigkeiten in Deutschland einhergehenden Menschenrechtsverletzungen ermitteln, ihnen (auch im Ausland) vorbeugen und sie bekämpfen, als auch, dass Unternehmen für diese Verletzungen haftbar gemacht werden können.

In der Rechtsdurchsetzung gegenüber Unternehmen werden folgende Defizite kritisiert:

  • die praktischen Hürden, die den Zugang zur Justiz von Nicht-Staatsangehörigen deren Rechte mutmaßlich durch deutsche Unternehmen im Ausland verletzt wurden, einschränken, obwohl das deutsche Recht ihnen Zugang zur Justiz und zu Prozesskostenhilfe einräumt
  • das Fehlen kollektiver Rechtsdurchsetzungsmechanismen in der Strafprozessordnung, abgesehen von Verbraucherschutzklagen
  • das Fehlen einer strafrechtlichen Haftung von Konzernen im deutschen Recht
  • das Fehlen von Offenlegungsverfahren, da dies für die antragstellenden Personen den Nachweis, durch die Handlungen eines Unternehmens verletzt worden zu sein, extrem erschwert

Deutschland hat bisher außerdem das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt noch nicht ratifiziert.11 Defizite in der Umsetzung des Fakultativprotokolls zum UN-Sozialpakt gibt es insbesondere in den Bereichen des Streikverbots für Beamte und bei der Pflege älterer Menschen und Kinderarmut.12 Außerdem wird ein Lieferkettengesetz für Deutschland gefordert.13 Erste Eckpunkte für ein Gesetz für faire Lieferketten wurden vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erarbeitet.14



Dürig; Maunz (2013).

Bethge; Maunz; Schmidt-Bleibtreu; Klein (2020).

Deutsches Institut für Menschenrechte (2019), S. 5.

Europäische Union (2000).

Bundesverfassungsgericht (2019).

United Nations (kein Datum).

Deutschland hat als erster europäischer Staat auch das Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention, das ein Individualbeschwerdeverfahren ermöglicht, ratifiziert.

Auswärtiges Amt (2020).

Kroker (2016).

United Nations (2018b).

Ebenda.

Ebenda.

Initiative Lieferkettengesetz (2020).

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2020).



A.2

Gibt es einen rechtlichen Rahmen, der anerkennt, dass die gleichen Rechte, die Menschen offline haben, auch online geschützt werden müssen?

Indikator 23: Beweise dafür, dass das Prinzip der Online-/Offline-Äquivalenz in Recht und Praxis akzeptiert und umgesetzt wird

Es gibt in Deutschland keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die eine Online/Offline-Äquivalenz von Grund- und Menschenrechten festlegt. Die gleichwertige Geltung dieser Rechte wird vielmehr vorausgesetzt. Das zeigt sich sowohl im Handeln der Verwaltung, der Legislative1 als auch in der Rechtsprechung.2 Als Vertragsstaat der EMRK, Mitgliedstaat des Menschenrechtsrats und Mitgliedstaat im Europarat bekennt sich Deutschland zum Grundsatz der Online/Offline-Äquivalenz.

2018 unterstrich Deutschland sein Engagement für den Schutz der Privatsphäre im digitalen Zeitalter und übernahm den Vorsitz in der Freedom Online Coalition (FOC), die sich für die Förderung von Menschenrechten im digitalen Zeitalter einsetzt.3 Der Schutz der Menschenrechte ist auch ein wichtiges Handlungsfeld der Cyber-Außenpolitik. In den Jahren 2013 und 2014 verabschiedete die UN-Generalversammlung Resolutionen zum Recht auf Privatheit im digitalen Zeitalter. Sie gingen auf eine deutsch-brasilianische Initiative zurück.4 Am 5. März 2020 gab Deutschland im Namen der Mitglieder des FOC während der Generaldebatte der 43. Sitzung des Menschenrechtsrats in Genf eine Erklärung zur digitalen Integration ab.5 Die Erklärung bekräftigt das Engagement des FOC für die Förderung der digitalen Integration und fordert die Regierungen auf, langfristige Maßnahmen zur Bekämpfung des Zugangs und der Nutzung des Internets zu ergreifen, um die vielfältigen digitalen Gräben zu überwinden und auch die zugrunde liegenden Ursachen anzugehen.

Obwohl Grund- und Menschenrechte in analogen und digitalen Räumen grundsätzlich den gleichen Schutz genießen, führt die Tatsache, dass diese Räume unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen existieren zu faktischen Schwierigkeiten, z.B. beim Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.

Voraussetzung für die Ausübung der Menschenrechte im Internet sind der Zugang zum Internet, der durch staatliche Infrastrukturmaßnahmen sicherzustellen ist und der Zugang zu Internet-Inhalten vor überschießender Zensur zu schützen ist. Denn gerade das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 GG als ein Rechte ermöglichendes Grundrecht steht im Internet verstärkt unter Druck.6

Die Voraussetzungen, in denen Meinungsäußerungen und Meinungsaustausch in den digitalen Kommunikationsräumen des Internets stattfinden, unterscheiden sich stark von den Voraussetzungen, die im analogen Raum gelten.

Deutschland engagiert sich aktiv im Europarat für einen gleichwertigen menschenrechtlichen Schutzstandard online.7 Ziel ist es das Internet auf der Grundlage von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu gestalten. Im Europarat will Deutschland sicherstellen, dass das Internet ein sicheres und offenes Umfeld bietet, in dem Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit ausgeübt werden können und das einen Raum für Vielfalt, Kultur, Bildung und Wissen bildet.

Online-Medienschaffende haben weitgehend dieselben Rechte und denselben Schutz wie Medienschaffende in den Print- oder Rundfunkmedien. Der offizielle Presseausweis steht jedoch nur noch professionellen Medienschaffenden zur Verfügung, d.h. solchen, deren journalistische Tätigkeit mindestens 51 % ihres Einkommens ausmachen muss.8 Dieser Ausweis ist mit Privilegien verbunden, z.B. mit der Gewährung privilegierter Zugangsrechte und auch die deutsche Strafprozessordnung räumt das Zeugnisverweigerungsrecht nur Personen ein, die (haupt-) beruflich an der Herstellung oder Verbreitung von journalistischem Material mitgewirkt haben. Diese Grenzen sind im digitalen Journalismus nicht immer trennscharf zu ziehen.9



z.B. die Anwendbarkeit von § 130 StGB.

Bundesgerichtshof (2013).

Auswärtiges Amt (2018).

United Nations (2018c); Resolution adopted by the General Assembly on 18 December 2013.

Freedom Online Coalition (2020).

Kettemann; Benedek (2020).

Council of Europe (2020).

Presseausweis (2016) mit Verweis auf: Rath, C. (01.12.2016).

§ 53 Abs. 1 S. 5 StPO.



Freiheit der Meinungsäußerung

B.2

Sind Einschränkungen der Meinungsfreiheit eng definiert, transparent, und werden sie in Übereinstimmung mit internationalen Vereinbarungen, Gesetzen und Normen umgesetzt?

Indikator 24: Rechtliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die mit internationalen und regionalen Vereinbarungen, Gesetzen und Standards in Einklang stehen, und Nachweise, dass diese von der Regierung und anderen zuständigen Behörden eingehalten werden.

Die Meinungsfreiheit ist in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG garantiert und zwar sowohl in Wort, Schrift als auch in Bildern. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt außerdem die Presse-, Berichterstattungs- und Rundfunkfreiheit. Die Meinungsfreiheit gilt nicht nur für Deutsche, sondern auch für ausländische Staatsangehörige. Es handelt sich bei der Meinungsäußerungsfreiheit also um ein sogenanntes Jedermanngrundrecht.1 Der Schutz des Art. 5 GG genügt dem Schutzumfang, den internationale und regionale völkerrechtliche Verträge zum Schutz von Menschenrechten vorsehen.

Rassistische Hetze oder Antisemitismus sind strafbar. Es ist auch verboten, Ideen des Nationalsozialismus zu verbreiten, den Holocaust zu leugnen oder die Ideologie des Nationalsozialismus zu verherrlichen.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung erfüllt zwei Funktionen: In erster Linie ist es ein Abwehrrecht, d.h. es schützt die Menschen in einer subjektiven Funktion vor dem Staat (status negativus). Außerdem geht aus dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit auch ein Recht auf Teilhabe als Gewährleistungspflicht des Staates (status positivus) hervor. Der Meinungsäußerungsfreiheit wohnt aber auch eine objektive Funktion inne. Letztere führt zu einem Einfluss auf das Zivilrecht, das im Lichte der Meinungsfreiheit zu interpretieren ist. Daher besteht auch ein indirekter horizontaler Effekt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. Das Recht auf freie Meinungsäußerung umfasst in erster Linie das Recht zur Meinungsäußerung. Dabei geht der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG von einem weiten Begriff von Meinungen aus. Als Meinungen werden Werturteile als eine „durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Äußerung“ verstanden.2 Neben der positiven Dimension besteht auch eine negative Meinungsfreiheit, die das Recht auf Verweigerung der Zuschreibung einer Meinung umfasst.3

Im Unterschied zu Meinungen sind Tatsachenbehauptungen einem Wahrheitsbeweis zugänglich. Damit liegt die Rechtslage bei Tatsachenbehauptungen anders. Rechtsmissbräuchliche Kritik muss sich dem Schutz der Ehre unterordnen, wenn sie hauptsächlich dem Zweck dient, Menschen zu verleumden, anstatt sich objektiv mit dem diskutierten Thema zu befassen.4 Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG lautet: „Eine Zensur findet nicht statt.“5 Daraus ergibt sich jedoch kein unabhängiges Freiheitsrecht. Vielmehr ist die Formulierung als sogenannte Schranken-Schranke zu verstehen, also als eine Einschränkung möglicher Beschränkungen der Meinungsfreiheit. Das Zensurverbot setzt regelmäßig Impulse für die Weiterentwicklung der Dogmatik zur Meinungsäußerungsfreiheit.6

Die EMRK und die Europäische Grundrechtecharta kennen keine dem Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG gleichlautende Vorschrift. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit findet seine Schranke in der Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 GG. Anders als die Bestimmungen zum Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit in der EMRK oder dem UN-Zivilpakt nennt das Grundgesetz ausdrücklich drei Gruppen von Gesetzen, die die Meinungsfreiheit einschränken können. Art. 5 Abs. 2 GG sieht dafür die allgemeinen Gesetze, die Gesetze zum Schutz der Jugend und Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre vor.7

Nach Art. 1 Abs. 3 GG sind sowohl die Exekutive, die Legislative als auch die Judikative an Grundrechte und damit auch an Art. 5 GG gebunden. Jeder Akt der öffentlichen Gewalt muss sich an dem Grundrechtekatalog der Art. 1-19 GG messen lassen.8

Die Achtung von Menschenrechten wird von unterschiedlichen Stellen in Legislative und Exekutive, aber auch durch unabhängige Organisationen überwacht und Verstöße werden dokumentiert. Die beauftragte Person der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe hat ihren Sitz im Auswärtigen Amt. Sie beobachtet die internationalen Entwicklungen, koordiniert die Menschenrechtsarbeit mit anderen staatlichen Stellen und berät das Auswärtige Amt in menschenrechtlichen Fragstellungen. Der Deutsche Bundestag begleitet und überwacht die deutsche Menschenrechtspolitik seit 1998 durch seinen Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Im Jahr 2000 wurde in Berlin das Deutsche Institut für Menschenrechte, eine staatlich finanzierte, aber unabhängige Einrichtung, gegründet. Als nationale Menschenrechtsinstitution im Sinne der Pariser Prinzipien der Vereinten Nationen soll es zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte durch Deutschland im In- und Ausland beitragen.

 



Dürig/Maunz (2013), GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 23.

Dürig/Maunz (2013), GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 47; Bundesverfassungsgericht (1958); Bundesverfassungsgericht (1982); Bundesverfassungsgericht (1994); Bundesverfassungsgericht (2009).

Ebd., GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 48.

Bundesverfassungsgericht (1995).

Artikel 5 Abs. 1, S. 3 GG.

Dürig/Maunz (2013), GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 115.

Ebd., Rn. 114.

Ebd., Rn. 107.



B.4

Unter welchen Bedingungen macht das Gesetz Plattformen und andere Anbieter von Online-Diensten für Inhalte haftbar, die von den Benutzerinnen und Benutzern auf diesen veröffentlicht oder geteilt werden?

Indikator 25: Der rechtliche Rahmen für die Vermittlerhaftung und die Regulierung von Inhalten steht im Einklang mit internationalen und regionalen Vereinbarungen, Gesetzen und Standards sowie dem Nachweis der Verhältnismäßigkeit der Umsetzung.

Auf internationaler Ebene gibt es (noch) keine spezifischen Vereinbarungen zur Providerhaftung. Der Digital Services Act der EU wird hier Leitplanken aufstellen. Die Providerhaftung in Deutschland steht im Einklang mit den allgemeinen Prinzipien, die den internationalen Regelwerken zum Schutz von Menschenrechten zu entnehmen sind.1 Sie stimmt auch im Wesentlichen überein mit den Empfehlungen des Europarates zur Rolle und Verantwortung von Staaten und Internet-Intermediären von 2018.2

Hostprovider können nach dem Telemediengesetz für illegale Inhalte haftbar gemacht werden.3 Das Gesetz unterscheidet zwischen der vollen Haftung für eigene Inhalte und der beschränkten Störerhaftung für Service-Provider und Host-Provider für fremde Inhalte.4 Zusätzliche Sperr- und Filterpflichten für Host-Provider hat der Bundesgerichtshof im Fall „Alone in the Dark“ im Jahr 2012 präzisiert.5 In diesem Fall verklagte der Spieleverlag Atari den File-Hosting-Dienst Rapidshare wegen Urheberrechtsverletzungen beim Titel ”Alone in the Dark”. Das Gericht machte Rapidshare zwar nicht für die unmittelbare Verletzung haftbar, stellte aber fest, dass Rapidshare seine Überwachungspflichten als Teil seiner Sorgfaltspflichten vernachlässigt habe.6 In einer späteren Entscheidung begründete und erweiterte der Bundesgerichtshof die Pflichten der Hosting-Anbieter weiter. Host-Provider sind demnach unter bestimmten Umständen verpflichtet, ihre eigenen Server zu überwachen und nach urheberrechtlich geschützten Inhalten zu suchen, sobald sie über eine mögliche Verletzung informiert wurden.

Im Jahr 2015 entschied der Bundesgerichtshof, dass die Sperrung einer Website als ultima ratio angeordnet werden kann, wenn dies für einen Urheberrechtsinhaber das einzige Mittel ist, um eine Rechtsverletzung auf dieser Website wirksam zu beenden.7 Damit präzisierte es die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Denn in derart gelagerten Fällen hat der Inhaber des Urheberrechts nach Prüfung aller relevanten Umstände einen Anspruch gegenüber dem Internet Service Provider, die betroffene Website zu sperren.

Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes vom September 2017 wurde die gesetzliche Haftung für Anbieter von offenen drahtlosen Netzwerken, so genannten Hotspots, weitgehend abgeschafft. Jahrelang blieb die Zahl der kostenlosen, öffentlichen Wi-Fi-Hotspots in Deutschland gering, da die Anbietenden mögliche negative rechtliche Konsequenzen befürchteten, wenn ihre Netze für illegale Aktivitäten genutzt würden. Während das neue Gesetz von Fachleuten allgemein positiv bewertet wurde, stieß es auch auf Kritik, da es den Inhabern von Urheberrechten erlauben könnte, Hotspot-Anbieter zur Sperrung bestimmter Websites oder Inhalte zu zwingen, die gegen das Urheberrecht oder andere Gesetze verstoßen.8

Spezifisch mit Blick auf die Verantwortung von Intermediären wurde 2017 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) erlassen. Dieses verpflichtet Social-Media-Plattformen mit mehr als zwei Millionen registrierten Nutzenden in Deutschland, gemeldete Inhalte zu untersuchen und zu löschen. Wenn der markierte Inhalt offensichtlich illegal ist, muss die Plattform ihn innerhalb von 24 Stunden sperren oder entfernen; wenn er anderweitig illegal ist, muss der Inhalt innerhalb von sieben Tagen gesperrt oder entfernt werden. Das NetzDG legt dabei den Rechtswidrigkeitsbegriff von 22 Straftatbeständen zugrunde.9 Nach der Entscheidung, gemeldete Inhalte zu löschen oder zu erhalten, muss das Unternehmen sowohl die Beschwerdeführenden als auch die Nutzenden informieren. Bei einer Verletzung drohen Geldstrafen von bis zu 50 Millionen Euro.10 Vor Inkrafttreten des NetzDG sah es sich bereits scharfer Kritik ausgesetzt11 und wird auch weiterhin kontrovers diskutiert.

Durch die 2021 kommenden Novellen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes wird u.a. ein Wiederherstellungsrecht eingeführt; allerdings wird die vorgesehene Übermittlungspflicht von Plattformen von potenziell rechtswidrigen Inhalten und identifizierenden Daten der Publizierenden an eine beim Bundeskriminalamt geführte Datenbank für problematisch gehalten. Positiv zu bewerten ist die geplante Einführung eines verbesserten Datenzugangs für die Wissenschaft.

 



Vgl. Kettemann, Matthias C. (2019), S. 67.

Europarat (2018).

Bundesgerichtshof (2015a); Bundesgerichtshof (2015b).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2007).

Bundesgerichtshof (2012).

Ebd.

Bundesgerichtshof (2015a); Bundesgerichtshof (2015b).

Dachwitz, I. (30.06.2017).

§ 86 („Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“), § 86a („Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“), § 89a („Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“), § 91 („Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“), § 100a („Landesverräterische Fälschung“), § 111 („Öffentliche Aufforderung zu Straftaten“), § 126 („Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“), § 129 („Bildung krimineller Vereinigungen“), § 129a („Bildung terroristischer Vereinigungen“), § 129b („Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland“), § 130 („Volksverhetzung“), § 131 („Gewaltdarstellung“), § 140 („Belohnung und Billigung von Straftaten“), § 166 („Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“), § 184b („Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften“) in Verbindung mit § 184d („Zugänglichmachen pornographischer Inhalte mittels Rundfunk oder Telemedien“), §§ 185 bis 187 („Beleidigung“, „Üble Nachrede“, „Verleumdung“), § 201a („Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“), § 241 („Bedrohung“) oder § 269 („Fälschung beweiserheblicher Daten“).

Heldt, A.; Kettemann, M. C.; Schulz, W. (2019), S. 23.

Ebd., S. 22 f. und S. 24 ff.



Recht auf Zugang zu Informationen

C.2

Blockiert oder filtert die Regierung den Zugang zum Internet insgesamt oder zu bestimmten Online-Diensten, Anwendungen oder Websites, und aus welchen Gründen und mit welchem Grad an Transparenz wird dies ausgeübt?

Indikator 26: Rechtlicher Rahmen für die Sperrung oder Filterung des Internetzugangs, einschließlich Transparenz- und Aufsichtsregelungen.

Indikator 27: Beweise in Regierungs- und Gerichtsentscheidungen sowie aus anderen glaubwürdigen und maßgeblichen Quellen bezüglich der Sperrung oder Filterung des Zugangs.

Indikator 28: Vorkommen, Art und Grundlage für Abschaltungen oder andere Einschränkungen der Internet-Konnektivität.

Indikator 29: Anzahl und Trend der Zugangsbeschränkungen zu Inhalten, der Zurücknahme von Domänennamen und anderer Interventionen in den letzten drei Jahren.

Es gibt grundsätzlich keine spezifische rechtliche Ermächtigung für die Sperrung oder die Filterung des Internetzugangs durch die Regierung.1 „Internet Shutdowns“ haben in Deutschland soweit ersichtlich noch nicht stattgefunden, ebenso wenig ereigneten sich Fälle staatlicher zielgerichteter Drosselung der Internetzugangsgeschwindigkeit, über die in anderen Staaten berichtet wird.2 Ein „Abschalten“ des Internets kann technisch auf unterschiedliche Weise erfolgen. Zum einen gibt es die Möglichkeit, IP-Adressen zu blockieren oder den gezielt umzuleiten („traffic shaping“), sodass Dienste nicht mehr verfügbar sind.3 Eine Drosselung kann technisch durch unterschiedliche Methoden erfolgen, beispielsweise durch „Bandbreiten- und Verkehrsmanagement“,4 bei denen eine bestimmte Kommunikation priorisiert wird, „Inline Deep-Packet Inspection“,5 das zu Latenzzeiten führt, „Portpartitionierung, die sich auf den gesamten Datenverkehr auswirkt, oder durch Routing-Pfad Veränderungen“.6 Zu Ausfällen der Internetkonnektivität durch Stromausfälle oder Überlastungen kommt es in der Regel wegen der dezentralen Struktur des Internets und der damit verbundenen Möglichkeit der Umleitung selten und wenn überhaupt nur für kurze Zeit, wie geschehen z.B. 2018 bei größten deutschen Internetknotenpunkt, DE-CIX, in Frankfurt am Main.7

Die Bundesregierung hat mit der Unterzeichnung des „Contract for the Web“8 im Jahre 2019 ihre im Koalitionsvertrag von 2018 vereinbarte Absicht bestätigt, bis 2025 sicherzustellen, dass die Bevölkerung verlässlichen und schnellen Internetzugang haben soll.9

Festzuhalten bleibt auch, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht10 das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme mitumfasst. Die Informationstechnik ist von „zentraler Bedeutung“ für die „Lebensführung“ vieler Menschen.11 Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum schließt auch die Möglichkeit zum Zugang zum Internet ein, da es die „Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“ ermöglicht.12 „Damit hat sich das Internet zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.“13 Jede Sperrung oder Filterung muss daher rechtlich begründet sein und einer grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten.

Rechtliche Verpflichtungen, Inhalte zu sperren, zu filtern, oder zu löschen, ergeben sich für Internet-Diensteanbieter aus dem Telemediengesetz (TMG)14 (mit zivilrechtlicher Haftung für Internet Service Provider), § 97 Urhebergesetz (UrhG),15 den §§ 14 ff. des Markengesetzes (MarkenG)16 und § 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).17 In Bezug auf Minderjährige sind der am 7. November 2020 in Kraft getretene neue Medienstaatsvertrag (MStV)18 und der Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV)19 weiterhin relevant, wobei ersterer den alten Rundfunkstaatsvertrag ersetzt hat.

Sowohl durch die Verabschiedung des NetzDG, als auch durch Änderungen des TMG, hat sich die Rechtslage für Maßnahmen zur Sperrung, Filterung und Entfernung illegaler Internetinhalte weiterentwickelt. In § 3 Abs. 2 S. 1 verpflichtet das NetzDG soziale Netzwerke zur Einführung von Verfahren, die sicherstellen, dass sie "die Beschwerde unverzüglich zur Kenntnis nehmen und prüfen, ob die in der Beschwerde angezeigten Inhalte rechtswidrig sind und entfernt werden müssen oder ob der Zugang zu den Inhalten zu sperren ist". Diese Verpflichtung ist vor dem Hintergrund des § 10 TMG zu lesen, der die Anbieter von Telemediendiensten verpflichtet, den Zugang unverzüglich zu sperren oder rechtswidrige Inhalte nach Kenntnisnahme zu entfernen. Noch vor dem NetzDG konnte jeder, der in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt wurde, aufgrund eines zivilrechtlichen Anspruchs von einem Anbieter von Telemediendiensten die Offenlegung des Namens der potenziellen Tatbegehenden verlangen. In der neuen Fassung ist die Notwendigkeit eines Gerichtsbeschlusses über die Zulässigkeit einer solchen Offenlegung erwirkt worden.20

Es kommt vor, dass in Deutschland bestimmte Anwendungen, Websites oder Inhalte gesperrt werden. Dabei handelt es sich hauptsächlich um strafrechtlich relevante Inhalte. Im Jahr 2009 wollte Deutschland mit dem Zugangserschwerungsgesetz die Internetanbieter dazu verpflichten, kinderpornografische Seiten zu sperren, die das Bundeskriminalamt vorher auf einen entsprechenden Index gesetzt hatte.21 Unter anderem, weil die Unrechtmäßigkeit der Internetseiten nicht von einem Richter überprüft werden musste, erntete das Gesetz erhebliche Kritik und wurde 2011 vom Bundestag inhaltlich neugestaltet.22 Die Gerichte stellen grundsätzlich sehr hohe Anforderungen an vollständige Sperrungen von Anwendungen oder Seiten.23

Eine Ausnahme bildet der Fall linksunten.indymedia.24 Im Fall linksunten.indymedia25 hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) als Gefahrenabwehrbehörde auf Grundlage des Vereinsgesetzes ein Vereinsverbot und damit faktisch ein Medienverbot gegen die Plattform ausgesprochen und wollte damit eine „Abschaltung“ erreichen.26 Dagegen klagten die vom BMI als Verein identifizierten und adressierten Personen vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Dieses wies die Klage jedoch als zulässig, aber unbegründet ab und setzte sich mit der Kernfrage der Rechtsmäßigkeit des Vereinsverbots nicht auseinander.27 Im Mai 2020 erhoben die Betroffenen beim BVerfG Verfassungsbeschwerde.28 Das Ergebnis bleibt abzuwarten. Jedenfalls dürfte das BVerfG die Rechtsprechung des EGMR im Fall Ürper v. Türkei29 berücksichtigen, der in diesem Fall klarstellte, dass ein pauschales, vollständiges und unbefristetes Verbot einer Zeitung Artikel 10 EMRK verletze.

Die Sperrung von Internet-Anwendungen, Websites oder Inhalten kann durch sogenanntes DNS-Hijacking erfolgen, was IT-Fachleute jedoch als „völlig wirkungslos“ bezeichnen, da diese einfach umgangen werden könnten.30 Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, einen Proxy-Server zu benutzen, mit dem Anfragen auf die unzulässigen Angebote gefiltert oder auf eine andere Seite umgeleitet werden, oder die IP-Adresse am Router gesperrt wird. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat die unterschiedlichen Möglichkeiten 2016 in einem Sachstand analysiert.31

Zur Sperrung und Löschung illegaler Inhalte können Dienstleistungsanbieter durch Gerichtsurteile verpflichtet werden. Die Gerichtsverfahren finden in der Regel öffentlich statt. Für das Löschen von Inhalten sind nach den Vorgaben E-Commerce-RL, dem Telemediengesetz (TMG) und dem NetzDG, Private unter gewissen Umständen verantwortlich. Der § 2 NetzDG sieht Berichtspflichten vor. Nach § 3 Abs. 6 NetzDG haben Social Media-Plattformen die Möglichkeit, Institutionen der regulierten Selbstregulierung zu etablieren. Die Anforderungen für die Einrichtung einer geregelten Selbstregulierung sind insbesondere: Kompetenz und Unabhängigkeit der Selbstregulierungsstelle, Schnelligkeit und Transparenz des Prozesses, sowie dass die Selbstregulierungsstelle von mehreren Anbietern sozialer Netzwerke oder Institutionen getragen wird, die eine sachgerechte Ausstattung der Selbstregulierungsstelle sicherstellen. Außerdem muss sie für den Beitritt weiterer Anbieter, insbesondere sozialer Netzwerke, offenstehen.

Plattformen moderieren Inhalte vorrangig nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen/Gemeinschaftsstandards. Dabei kam es in der Vergangenheit auch zu einer Löschung zulässiger Meinungsäußerungen, die in Deutschland in gerichtlichen Verfahren angegriffen werden können (OLG (Oberlandesgericht) München, Urteil vom 07.01.2020, 18. Zivilsenat, 18 U 1491/19; OLG Oldenburg, Urteil vom 1.7.2019 – 13 W 16/19)32 Das BVerfG hat im Mai 2019 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Löschung eines Beitrags und Sperrung des Facebook Accounts der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ für unzulässig erklärt.33

In Bezug auf Art. 5 Abs. 1 GG stellten deutsche Gerichte fest, dass Facebook ein öffentlicher Marktplatz für den Informations- und Meinungsaustausch ist34 und daher – in Anwendung der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte – sicherstellen muss, dass nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zulässige Meinungsäußerungen nicht gelöscht werden.35 Deutsche Gerichte argumentierten, dass Facebook ein „Quasi-Monopol“36 entwickelt habe und dass es sich um ein privates Unternehmen handle, das einen öffentlichen Kommunikationsraum anbiete und die Rechte der Nutzenden aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG mittelbar schützen müsse.37 Daher wäre es Plattformen im Allgemeinen38 nicht gestattet, „zulässige Meinungsäußerungen“ zu entfernen.39 Ebenso dürften die Gemeinschaftsstandards solche Inhalte nicht ausschließen.40 Die deutschen Gerichte gehen in diesem Zusammenhang regelmäßig von einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus und legen die Gemeinschaftsstandards der Plattformen dementsprechend aus.

Mit den Zielen der Sicherung kommunikativer Chancengleichheit offline und online und der Umsetzung der 2018 novellierten europäischen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) wurde 2020 nach langen Verhandlungen der Medienstaatsvertrag (MStV)41 ratifiziert. Der neue MStV enthält verstärkte Transparenzvorgaben und Diskriminierungsverbote für meinungsrelevante Medienplattformen, Benutzeroberflächen und Medienintermediäre wie zum Beispiel Smart-Speaker, Suchmaschinen, Smart-TVs und Kabelnetzbetreiber. Auch der Begriff des „Rundfunk“ wurde zeitgemäß angepasst. Der Annahme des MStV sowie der Umsetzung der beiden urheberrechtlichen Richtlinien (EU) 2019/790 (DSM-RL) und (EU) 2019/789 (Online-SatCab-RL) vom 17. April 2019 gingen öffentliche Stellungnahmeprozesse für beteiligte Akteure und Institutionen voraus.



Freedom House (2019).

Mühlenmeier, L. (06.03.2020).

Voelsen, Daniel (2019).

Mühlenmeier, L. (2020).

Ebd.

Ebd.

Bünte, O. (10.04.2018).

Contract for the Web (2019).

Ebd., Principle 1: “1. By setting and tracking ambitious policy goals 1GB of mobile data costs no more than 2 % of average monthly income by 2025. 2. Access to broadband internet is available for at least 90 % of citizens by 2030, and the gap towards that target is halved by 2025. 3. At least 70 % of youth over 10 years old and adults have In-formation and Communication Technology (ICT) skills by 2025.”

Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.

BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 27. Februar 2008, Rn. 171, 232.

BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 09. Februar 2010, 1 BvL 1/09, Rn 135.

BGH, Urteil des III. Zivilsenats vom 24.1.2013 - III ZR 98/12, Rn. 17.

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2007).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (1965).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (1994).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2004).

Landesregierung Rheinland-Pfalz (2020).

Kommission für Jugendmedienschutz (2020).

Kettemann, M. C. (2019), S. 9.

Verband der deutschen Internetwirtschaft eco e.V. (2009).

Schäfers, J. (25.05.2011).

Tagesspiegel (26.11.2015).

Laufer, Daniel (29.01.2020); Thurn, J. P.; Werdermann, D. (31.1.2020).

Ebd.

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020).

Bundesverwaltungsgericht (2020).

Reuter, M. (09.06.2020).

European Court of Human Rights (2009), Ürper et al. v. Türkei (2009), para. 44 und 45: „The practice of banning the future publication of entire periodicals on the basis of section 6(5) of Law no. 3713 went beyond any notion of “necessary” restraint in a democratic society and, instead, amounted to censorship (…) There has accordingly been a violation of Article 10 of the Convention.“ https://hudoc.echr.coe.int/eng#{"itemid":["001-95201"]}.

Biermann, K. (13.02.2009): „Zitat Hannes Federrath , IT-Sicherheitsforscher an der Universität Regensburg und vom Unterausschuss Neue Medien des Bundestags als Experte zu dem Thema geladen: Solche sogenannten DNS-Sperren seien "völlig wirkungslos" und erschwerten den Zugang zu Kinderpornografie in keiner Form. Viel zu leicht ließen sie sich auch von Laien umgehen. "Diese Technik schadet nichts, sie nützt aber auch nichts."

Deutscher Bundestag (2016a).

Oberlandesgericht Niedersachsen (2019).

Bundesverfassungsgericht (2019b).

OLG Frankfurt/Main - 2017, 16 U 255/16, para. 28.

OLG München (2018) - 18 W 858/18.

OLG Dresden (2018) - 4 W 577/18.

OLG Stuttgart (2018.- 4 W 63/18, para. 73.

OLG München (2018) - 18 W 1955/18 para. 19 f.- Mögliche Ausnahme für Subforen.

Beispielsweise: OLG München (2018) - 18 W 858/18 para. 30; 18 W 1873/18 para. 21; 18 W 1383/18 para. 20f.; 18 W 1294/18 para. 28; LG Karlsruhe, 2018 - 11 O 54/18 para. 12; LG Frankfurt/Main, 2018 - 2-03 O 182/18 para. 16; LG Bamberg, 2018 - 2 O 248/18 para. 86, KG Berlin, 2019 - 10 W 172/18 para. 17.

Mit detaillierter rechtsvergleichender Analyse Deutschland/USA sh.: Kettemann, M. C.; Tiedeke, A. S. (2020).

Niedersächsische Landesmedienanstalt (2020).



C.4

Werden Einzelpersonen, Journalistinnen und Journalisten oder andere Online-/Medienakteure willkürlich festgenommen, strafrechtlich verfolgt oder eingeschüchtert, weil sie online auf Informationen zugreifen?

Indikator 30: Umfang und Art der gesetzlichen Bestimmungen und der Praxis.

Im Journalismus tätige Personen sind in Deutschland grundsätzlich umfassend vor staatlichen Eingriffen geschützt. Sie genießen als Teil der Presse den Schutz der Pressefreiheit aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 3 GG. Diese ist auch auf das Internet anzuwenden.1

Grundsätzlich ist (investigativer) Journalismus in Deutschland uneingeschränkt möglich. Allerdings steht § 201 StGB in der Kritik, die Möglichkeiten für (legalen) investigativen Journalismus einzuschränken.2 Anders als bei anderen Berufsgeheimnisträgergruppen ist kein genereller Schutz im digitalen Raum vorgesehen. Im Jahr 2015 sahen sich beispielsweise zwei Journalisten von Netzpolitik.org kurzzeitig mit einem Strafverfahren wegen angeblichen Hochverrats konfrontiert. Im Nachgang kündigte der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas einen Gesetzentwurf an,3 der Medienschaffende ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Hochverratsbestimmung im Strafgesetzbuch ausnehmen soll. Zu einer Reform ist es bislang allerdings nicht gekommen.

Es sind kaum Fälle von direkter physischer Einschüchterung oder Gewalt gegen Medienschaffende von staatlicher Seite bekannt. Zu nennen wäre eine Razzia gegen den Verein „Zwiebelfreunde“ – eine Vereinigung aktiver Personen, die Tools zur Förderung der Online-Anonymität propagiert –, die ein Gericht später für illegal erklärte.4 Positive staatliche Pflichten zum Schutz von Medienschaffenden gehen darüber hinaus und umfassen auch die Schulungen der Polizei zum rechtewahrenden Umgang mit diesen.

Ein jüngeres Beispiel für ein Vorgehen eines Bundesministeriums gegen die Presse stammt aus dem Juni 2020. Der Bundesinnenminister kündigte öffentlich an, Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen Die Tageszeitung (taz) und die Journalistin Hengameh Yaghoobifarah an. Als Kolumne veröffentlichte sie einen Beitrag mit dem Titel: „Abschaffung der Polizei – All cops are berufsunfähig“. Zuvor hatten bereits die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet5 und beim Deutschen Presserat Beschwerde eingereicht.6

Staaten haben aber auch die Pflicht, Medienschaffende vor Einschüchterungen durch Dritte zu schützen. Dies trifft besonders auf jene zu, die über die rechte Szene berichten.7 Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), berichtet: „Bedrohungen sind keine Einzelfälle. Es sind viele.8 Das gelte besonders bei Themen wie Migration und Integration. Beleidigungen und Verleumdungen gehören seit Jahren zum Alltag. Der WDR-Journalist Restle sagt, er erhalte fast nach jeder „Monitor“-Sendung oder jedem „Tagesthemen“-Kommentar Drohungen. „Das nehme ich alles nur sehr begrenzt ernst.“ Dass dies „quasi zum Normalfall“ geworden sei, sei allerdings bedenklich.9

 

Indikator 31: Anzahl willkürlicher Festnahmen und Strafverfolgungen wegen des Zugangs zu Inhalten, die unter internationalen Vereinbarungen über die Umstände und Kriterien für zulässige Beschränkungen nicht unrechtmäßig sind.

Generell können Einzelpersonen, Medienschaffende oder andere Online-/Medienschaffende in Deutschland online Informationen einsehen und ihrer journalistischen Arbeit nachgehen, ohne willkürliche Festnahmen oder eine Strafverfolgung fürchten zu müssen. Es gibt keine Zahlen zu willkürlichen Festnahmen oder Strafverfolgungen. Es gibt allerdings Einzelfälle, in denen Gerichte festgestellt haben, dass Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Medienschaffende unrechtmäßig waren. Dazu zählt auch das Beispiel der „Zwiebelfreunde“.10 Nach Kritik von Menschen, die sich für Pressefreiheit und Internetrechte engagieren, entschied das Landgericht München, dass die Durchsuchungen und Beschlagnahmen illegal seien und ordnete die Rückgabe des gesamten beschlagnahmten Materials an.11

Das seit 2016 umstrittene BND-Gesetz (Gesetz über den Bundesnachrichtendienst), das es dem deutschen Auslandsgeheimdienst ermöglichte, legal die gesamte Kommunikation von Medienschaffenden und ganzen Redaktionen oder Verlagshäusern im außereuropäischen Ausland zu überwachen,12 wurde im Mai 2020 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt.13 Der Gesetzgeber hat jetzt bis 2021 Zeit, nachzubessern. Insbesondere soll die vertrauliche Kommunikation bestimmter Berufsgruppen (Rechtsanwaltschaft und Medienschaffende) in Zukunft besonders geschützt werden. Mittlerweile wird ein zentrales Kontrollgremium gefordert.14

Es gibt jedoch Erkenntnisse darüber, dass Medienschaffende insbesondere von Personen aus dem rechtsradikalen Spektrum bedroht werden.15 Das European Center for Press and Media Freedom (ECPMF) berichtet in einer Studie: „Von Anfang 2015 bis März 2020 registrierte das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit 119 gewaltsame Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten in Deutschland. Trotz schwankender Fallzahlen blieb der Ursprung der Attacken über die Jahre hinweg gleich: Die Mehrheit, 77 Prozent aller Vorfälle zwischen 2015 und 2020, kam aus dem rechten Lager.“16



Sh. Indikator 23.

Klintworth, S. M. (2014); Eichhoff, J. (2010).

taz (01.08.2015).

Beck aktuell (2018): „Es besteht keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für das Auffinden relevanter Daten. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Betroffenen, deren Verein Zwiebelfreunde e.V. oder die Gruppierung „Riseup Networks“ auch nur zum Umfeld der unbekannten Täter gehören. Es ist zudem auch nicht unmittelbar ersichtlich, dass sich bei ihnen Informationen zum Täterumfeld oder zu den Tätern finden lassen.“

ZEIT Online (21. 06 2020).

Gewerkschaft der Polizei (2020).

Reporter ohne Grenzen (2019).

Gehringer, T. (2019).

ZEIT Online (2019).

Vgl. Indikator 30, vgl. auch Landesgericht München (2018): „Es besteht keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für das Auffinden relevanter Daten. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Betroffenen, deren Verein Zwiebelfreunde e.V. oder die Gruppierung “Riseup Networks“ auch nur zum Umfeld der unbekannten Täter gehören. Es ist zudem auch nicht unmittelbar ersichtlich, dass sich bei ihnen Informationen zum Täterumfeld oder zu den Tätern finden lassen.“

Ebd.

Reporter ohne Grenzen (2020).

Bundesverfassungsgericht (2020).

Hoppenstedt, M.; Knobbe, M. (16. 06 2020).

European Centre for Press & Media Freedom (2020), S. 27. „In der Vergangenheit erlebten viele Betroffene einen unzureichenden Schutz und teilweise sogar Behinderungen der Arbeit durch die Polizei. Neben der Sensibilität ist daher auch fundiertes Wissen im Presserecht erforderlich. Gerade Fachjournalistinnen und -journalisten, die konsequent über rechte Aktivitäten berichten, sind immer wieder mit Fehleinschätzungen und Fehlverhalten der Polizei konfrontiert (vgl. Röpke, A. (2018)). Oftmals, so berichten es Fachjournalistinnen und -journalisten, halten Polizeikräfte Angriffe von Neonazis für politische Streitereien zwischen Linken und Rechten.“

European Centre for Press & Media Freedom (2020), S. 3.



Vereinigungsfreiheit und das Recht, an öffentlichen Angelegenheiten teilzunehmen

D.2

Können sich Nichtregierungsorganisationen frei online organisieren?

Indikator 32: Nachweis einer Online-Organisation und keine unzulässige Einmischung in eine solche Organisation.

Die Vereinigungsfreiheit ist in Art. 9 GG verankert und wird in der Praxis respektiert. Ausgenommen sind Vereinigungen, die sich gegen die demokratische Ordnung richten, z.B. im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus. Das gilt auch online. In Deutschland gibt es eine lebendige Sphäre von NGOs und Verbänden, die frei agieren. Viele davon sind online organisiert. Auch Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände sind in der Regel frei organisiert und spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des deutschen Wirtschaftsmodells. Eine Ausnahme bildet der Fall linksunten.indymedia.1

Im Jahr 2019 wurde mehreren (politischen) NGOs der steuerbefreite Status als gemeinnützige Organisationen aberkannt (§ 52 Abgabenordnung AO), nachdem der Bundesfinanzhof entschieden hatte, dass sie sich an Parteipolitik beteiligen. Dazu zählen unter anderem Attac2 und Campact3. Der Fall Attac wird momentan gerichtlich überprüft und der Verein hat angekündigt, notfalls bis vor das Verfassungsgericht zu ziehen, um zum einen den Status der Gemeinnützigkeit wiederzubekommen, zum anderen, um eine Rechtssicherheit die Frage betreffend, was als gemeinnützig gilt, zu schaffen.4 Rund 80 Organisationen haben sich in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammengeschlossen, denn der Status der Gemeinnützigkeit könnte einer Vielzahl von Organisationen aberkannt werden. Zu der Allianz gehören Amnesty International ebenso wie „Brot für die Welt“ oder der „Lesben- und Schwulenverband Deutschland“.



Verband der deutschen Internetwirtschaft eco e.V. (2009); Thurn, J. P.; Werdermann, D. (31.01.2020); Reuter, M. (09.06.2020); Laufer, D. (2020); Tagesspiegel. (26.11.2015); Schäfers, J. (25.05.2011).

Wieduwilt, H. (26.02.2019).

Süddeutsche Zeitung (21.10.2019).

Geers, T. (06.03.2019).



D.3

Gibt es Regierungsrichtlinien für E-Government und/oder E-Partizipation, die die Teilnahme an Regierungs- und öffentlichen Prozessen fördern?

Indikator 33: Vorhandensein von Regierungspolitiken für E-Government und E-Partizipation, einschließlich der Nutzung des Internets für öffentliche Konsultationen.

E-Partizipation und E-Government sind Teilbereiche der staatlichen Digitalisierungs­strategie. Im Rahmen des Prozesses zur Entwicklung des Weißbuches „Digitale Plattformen“ (2017), sowie der Künstlichen Intelligenz (KI)-Strategie der Bundesregierung wurden umfangreiche öffentliche Online-Konsultationen unter Beteiligung unterschiedlicher Interessengruppen durchgeführt.

Im Jahr 2013 hat der Bundestag ein Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung beschlossen, das auch E-Government-Gesetz (EGovG) genannt wird.1 In der Begründung heißt es, es sei „ein Gebot der Bürgernähe, dass staatliche Verwaltungen Bürgerinnen und Bürgern im privaten, ehrenamtlichen und wirtschaftlichen Alltag die Möglichkeiten zur Nutzung elektronischer Dienste zu erleichtern“ um damit die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung zu verbessern.2 Das Gesetz gilt für die Einrichtungen des Bundes und für die Behörden der Länder und Kommunen, wenn diese Bundesrecht anwenden. Es gibt einige Ausnahmen, z.B. für die Justizverwaltung. Das Gesetz verpflichtet jede Behörde, einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente bereitzuhalten. Die Behörden sollen u.a. in öffentlich zugänglichen Netzen über ihre Verfahren informieren, ihre Rechnungen elektronisch empfangen, Akten elektronisch führen, Verwaltungsabläufe optimieren und standardisieren und Daten, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhoben haben, zum Datenabruf in öffentlich zugängliche Netze bereitstellen.

Mit einem weiteren Gesetz, dem Onlinezugangsgesetz (OZG), hat der Bundestag 2017 Vorschriften erlassen, die den Onlinezugang zu Verwaltungsleistungen verbessern sollen.3 Danach sollen Bund und Länder bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anbieten und die Portale von Bund und Ländern zu einem Portalverbund verknüpfen. Während das E-Government-Gesetz nach Auffassung der Bundesregierung ein Ermöglichungsgesetz ist, verpflichtet das Onlinezugangsgesetz Bund und Länder zu konkreten Maßnahmen.4

Im Jahr 2019 hat die Bundesregierung den vom Gesetzgeber geforderten Bericht zur Evaluierung des E‑Government-Gesetzes und begleitender Vorschriften vorgelegt.5 Eine Befragung von Mitarbeitenden in der Verwaltung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Umsetzung des Gesetzes insgesamt noch gering ist (ein Viertel der befragten Verwaltungen habe sich auch nicht in der Pflicht gesehen, das Gesetz umzusetzen).6 Mehrheitlich vertraten befragte Fachleute die Auffassung, dass das Gesetz trotzdem eine positive Anstoßwirkung auf die Digitalisierung der Verwaltung habe. Für die weitere Implementation des Gesetzes wurden im Rahmen der Evaluation von der Unternehmensberatung Kienbaum Consultants International verschiedene Strategien unterhalb veränderter Gesetzgebung angeregt. Die Bundesregierung verweist darauf, dass durch die Fristsetzung zum Jahresende 2022 im Onlinezugangsgesetz ein erheblicher Handlungsdruck gegeben sei.7

Neben der Digitalisierung der Verwaltung werden im Bundestag auch die veränderten Partizipationschancen durch Online-Bevölkerungsbeteiligung bei der Parlamentsarbeit diskutiert. Dazu hat das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Bundestages 2017 einen umfangreichen Bericht vorgelegt.8 Bereits seit 2005 besteht beim Bundestag eine Plattform für elektronische Petitionen als eine Ausgestaltung des im Grundgesetz verankerten Petitionsrechts. Onlineforen gehören zu den frühen Formaten der Bürgerbeteiligung, sie werden auch weiterhin eingesetzt und ergänzt durch Onlinekonsultationen, die typischerweise eine Dauer von wenigen Wochen haben.

Die Bundesregierung hat mehrere Strategien beschlossen, die die Themenbereiche E-Government und E-Partizipation berühren. Dazu gehören die Digitale Agenda 2014-2017, die vorsieht, dass Deutschland als innovativer Staat digitale Dienstleistungen der Verwaltung für die Bevölkerung sowie Unternehmen anbieten soll. Außerdem hat die Agenda den Anspruch digitale Lebenswelten in der Gesellschaft zu gestalten und in digitalen Formaten mit gesellschaftlichen Gruppen in den Dialog zu treten. Die vierte Auflage der Umsetzungsstrategie Digitalisierung und die Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung von 2018 setzte die Ziele, KI für hoheitliche Aufgaben zu nutzen und Kompetenzen der Verwaltung anzupassen. Dazu plant die Bundesregierung beim Einsatz von KI in der Verwaltung eine Vorreiterrolle einzunehmen und damit zur Verbesserung von Effizienz, Qualität und Sicherheit von Verwaltungsdienstleistungen und die Bereitstellung offener Verwaltungsdaten beizutragen. Konkret ist in diesem Zusammenhang eine Evaluierung des ersten Gesetzes zur Änderung des E-Government-Gesetzes (“Offene-Daten-Gesetz") geplant. Das Weißbuch „Digitale Plattformen“9 (2017) sieht Schritte in die Richtung einer „Digitalen Ordnungspolitik für Wachstum, Innovation, Wettbewerb und Teilhabe“ vor. Konkret geplant ist der Entwurf eines Vertrauensdienstegesetzes (VDG). Es soll die Verordnung – wo nötig – ergänzen bzw. konkretisieren, um Vertrauensdienste-Anbietenden und -Nutzenden die Anwendung der – allgemein gehaltenen – eIDAS-Verordnung zu erleichtern und so Rechtssicherheit zu schaffen“10 Damit sollen Online-Geschäftsabschlüsse und E-Government umfassender, einfacher und sicherer zu gestalten sein.

Für jene Bereiche, die aufgrund gesetzlicher Aufträge auf Bundesebene Daten erheben und veröffentlichen, hat sich das Modell der Forschungsdatenzentren etabliert. Als wichtiger Dienstleister für die Zurverfügungstellung von Geodaten fungiert etwas das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, wobei selbst hier für nicht vom Bund finanzierte Einrichtungen ein umfassender Zugang nicht einfach ist. Hinsichtlich anderer forschungsrelevanter Daten bestehen große Hürden im Zugang und in der Erzeugung, die nicht primär auf datenschutzrechtliche Herausforderungen zurückzuführen sind.

Indikator 34: Werte/Rankings im Index der E-Partizipation der UNDESA.

Das UN Department of Economic and Social Affairs (UNDESA) beobachtet die Entwicklung des E‑Government durch Umfragen bei den Regierungen und legt dazu seit 2001 regelmäßig Berichte vor. Der jüngste Bericht ist von 2018; ein neuer Bericht ist in Vorbereitung.11 Im Mittelpunkt steht der E-Government Delevopment Index (EGDI), der zwischen 0 und 1 z-standardisiert ist.12 Mit einem Wert von 0,8765 erreicht Deutschland im Jahre 2018 international den Rang 12; zwei Jahre zuvor war es noch Rang 15.13 Der EGDI wird gemittelt aus den Subindizes OSI Online Service Index (0,306), HCI Human Capital Index (0,9036) und TII Telecommunication Infrastructure Index (0,7952).

In der gleichen Studie wird auch ein Index für E-Partizipation (EPI) gebildet, der die elektronische Bereitstellung von Informationen, Online-Konsultationen und Online-Entscheidungsprozessen mit direkter Beteiligung der Bevölkerung umfasst. Hier erreicht Deutschland Rang 23 mit einem Wert von 0,9213. Im 9-Punkte-Plan für ein digitales Deutschland sieht der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik, Bundes-Chief Information Officer (CIO) Dr. Markus Richter, Maßnahmen vor, die erste Schritte in Richtung einer Verbesserung skizzieren. Im Ergebnis wird es jedoch auf die konkrete Umsetzung der Ziele ankommen.



Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2013).

Deutscher Bundestag (2002), S. 1 f.

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz; Bundesamt für Justiz (2017).

Deutscher Bundestag (2019), S. 8.

Ebd.

Ebd., S.5.

Ebd., S.8.

Vgl. zum Folgenden: Deutscher Bundestag (2017).

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017).

Ebd., S. 72 f.

United Nations (2001-2020).

Die z-Standardisierung erfasst die Differenz eines Messwertes zum Mittelwert und setzt diese in Relation zur Standardabweichung. Dadurch ist der Index nur ein Mittel zum Vergleich innerhalb einer Erhebung, er kann aber wegen des Bezuges zum Mittelwert keine Auskunft über die absolute Veränderung in einem Land geben.

United Nations (2018a), S. 89.



Das Recht auf Privatsphäre

E.2

Ist der Schutz personenbezogener Daten gegenüber Regierungen, Unternehmen und anderen Organisationen gesetzlich garantiert und in der Praxis durchgesetzt, einschließlich des Rechts auf Zugang zu den vorhandenen Informationen und auf Rechtsbehelfe?

Indikator 35: Rechtlicher Rahmen für den Datenschutz, einschließlich Überwachungsmechanismen und Rechtsbehelfe, und Nachweis, dass er von der Regierung und anderen zuständigen Behörden respektiert und durchgesetzt wird.

Indikator 36: Rechtsrahmen für die kommerzielle Nutzung personenbezogener Daten und die internationale Datenübertragung/Sicherheit, einschließlich Überwachungsmechanismen und Rechtsmittel.

Indikator 37: Existenz und Befugnisse einer unabhängigen Datenschutzbehörde oder einer ähnlichen Einrichtung.

Datenschutz ist in Deutschland nach der Verfassung im Rahmen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG garantiert. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem sog. Volkszählungsurteil von 19831 festgelegt, dass ein Eingriff in das Recht auf informelle Selbstbestimmung nur auf der Grundlage eines Gesetzes erfolgen darf, das auch dem Datenschutz Rechnung trägt. Jede staatliche Erfassung von Daten, die Datennutzung, das Datenabfangen und Speichern bedarf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, die im Einklang mit der Verfassung stehen muss. Dazu zählen Befugnisse in den Polizeirechten der Bundesländer (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG)/Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG)), ebenso wie solche in der Strafprozessordnung (z.B. §§ 100a StPO ff. und § 110 StPO). Staatliche Maßnahmen können vor den Verwaltungsgerichten überprüft werden. In Deutschland gilt seit dem 25. Mai 2018 außerdem die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO),2 die – wie im Datenschutzrecht generell – zu einer starken europäischen Überprägung der Materie geführt hat.

Die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen wird von den Datenschutzbeauftragten der Länder3 und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) überwacht. Durch die föderale Organisation der Länder in Deutschland kommt es bei der Aufsicht zu einer föderalen Zersplitterung vieler einzelner Landesdatenschutzbehörden. Die übrigen EU-Mitgliedstaaten haben hingegen in der Regel zentrale Aufsichtsbehörden.

Bei der Ausübung seines Amtes ist der BfDI seit 2016 als „eigenständige oberste Bundesbehörde“4 weisungsunabhängig und ausschließlich den Gesetzen unterworfen.5 Der BfDI wird insgesamt von ca. 220 Mitarbeitenden bei seiner Arbeit unterstützt.6

Der BfDI hat umfassende Untersuchungsbefugnisse. Das bedeutet konkret, dass „alle öffentlichen Stellen des Bundes und Anbietende von Post- oder Telekommunikationsdiensten“7 verpflichtet sind, den BfDI bei seiner Arbeit zu unterstützen.8 Dazu zählt, dass sie seine Fragen beantworten, ihm umfassende Akteneinsicht und Einsicht in gespeicherte Daten und die Funktionsweise von Datenverarbeitungsprogramme gewähren müssen und der BfDI ein uneingeschränktes Zutrittsrecht genießt (§ 16 III Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), Ausnahmen u.U. § 29 III BDSG). Kontrollen können auch anlasslos durchgeführt werden.9

Stellt der BfDI Datenschutzverstöße fest, kann er Maßnahmen ergreifen, die von einer Warnung oder Verwarnung gegenüber dem Verantwortlichen oder Auftragsdatenverarbeiter, bis zu einem Verbot der Datenverarbeitung und einer Geldbuße reichen, ergreifen.10 Die Maßnahmen sind auch gegenüber Behörden und öffentlichen Stellen verbindlich, was eine deutliche Verbesserung des Datenschutzniveaus im Vergleich zu der früheren Möglichkeit der Beanstandung darstellt.11 Die Anordnungen des Bundesbeauftragten sind vor den Verwaltungsgerichten überprüfbar.

Unternehmen haben nach der DSGVO unter bestimmten Voraussetzungen einen Datenschutzbeauftragten zu benennen. Die kommerzielle Nutzung von Daten wird ebenfalls von der DSGVO und dem BDSG geregelt, auch hier gilt ebenfalls vorrangig als „sicherste Variante“ das Prinzip der Einwilligung.12 Darüber hinaus werden insbesondere Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz in diesem Zusammenhang relevant.13 Beschwerden können wiederum bei den Datenschutzbehörden gemeldet werden. Überprüft wird die Verletzung von Datenschutzbestimmungen durch die Gerichte.14

Mit dem Urteil des EuGH vom 16. Juli 2020 in einem Vorabentscheidungsverfahren in der Rechtssache C-311/18 (Schrems II) ist eine rechtmäßige Übertragung von personenbezogenen Daten in die USA auf Grundlage der sogenannten Privacy Shields (EU-Kommissionsbeschluss 2016/1250) nicht mehr möglich. Die Übermittlung von Daten auf Grundlage der sog. Standardvertragsklauseln (SCCs), die auf den Beschluss der Kommission 2010/87/EG zurückgehen, soll jedoch unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin rechtmäßig sein.15 Die Voraussetzungen sind, dass die Daten in dem Drittland „ein Schutzniveau genießen, das dem in der Europäischen Union durch diese Verordnung im Licht der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Niveau der Sache nach gleichwertig ist. Bei der insoweit im Zusammenhang mit einer solchen Übermittlung vorzunehmenden Beurteilung sind insbesondere die vertraglichen Regelungen zu berücksichtigen, die zwischen dem in der Europäischen Union ansässigen Verantwortlichen bzw. seinem dort ansässigen Auftragsverarbeiter und dem im betreffenden Drittland ansässigen Empfänger der Übermittlung vereinbart wurden, sowie, was einen etwaigen Zugriff der Behörden dieses Drittlands auf die übermittelten personenbezogenen Daten betrifft, die maßgeblichen Elemente der Rechtsordnung dieses Landes, insbesondere die in Art. 45 Abs. 2 der Verordnung 2016/679 genannten Elemente.“16 Das führt dazu, dass gegebenenfalls Einzelfallprüfungen notwendig werden.17

Der BfDI begrüßte die Stärkung der europäischen Grundrechte durch das Urteil und kündigte seine Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Vorgaben an.18 Obwohl der Gerichtshof die SCCs nicht per se für unzureichend erklärt hat, bleibt es fraglich, ob US-amerikanische Unternehmen überhaupt ein gleichwertiges Schutzniveau garantieren können. Zur Unterstützung bei der Umsetzung des Urteils hat der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) FAQ ausgearbeitet und veröffentlicht.19



Bundesverfassungsgericht (1983), Az.: 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83.

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2018).

Datenschutzkonferenz (2020).

Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (2015).

Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (2020b).

Ebd.

Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (2020b).

Ebd.

Ebd.

Ebd.

Ebd.

Uecker, P. (2019).

Körner, M. (2019).

z.B. LG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2019 – 8 O 26/19, ZD 2019 und KG, Urteil vom 20.12.2019 - 5 U 9/18 - 2019.

Europäische Union (2016c).

Ebd., Tenor (2.).

Ebd., para. 134.

Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (2020a).

European Data Protection Board (2020).



E.3

Sind die Befugnisse der Strafverfolgungs- und anderer Behörden für das rechtmäßige Abfangen von Daten von Benutzerinnen und Benutzern notwendig, verhältnismäßig und auf Umstände beschränkt, die mit internationalen und regionalen Vereinbarungen, Gesetzen und Normen vereinbar sind?

Indikator 38: Rechtsrahmen für das rechtmäßige Abfangen von Daten, einschließlich unabhängiger Aufsicht und Transparenz, sowie Nachweise für die Umsetzung durch die Regierung und andere zuständige Behörden.

Der Datenzugriff, das Abfangen von Daten, die Datenspeicherung und insbesondere die Vorratsdatenspeicherung sind in Deutschland gesetzlich geregelt und werden sowohl vom BfDI als auch von den Gerichten überwacht.

Die gesetzliche Grundlage der Online-Durchsuchung in Deutschland ist seit Inkrafttreten des Art. 3 des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens am 24. August 20171 der neue § 100b StPO. Beim BVerfG sind fünf Verfassungsbeschwerden anhängig, die die gesetzliche Änderung für verfassungswidrig halten.2 Im Jahr 2008 hat das BVerfG3 Folgendes entschieden:

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, (…) ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen (…)“.4 Sie ist „grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen. Das Gesetz, das zu einem solchen Eingriff ermächtigt, muss Vorkehrungen enthalten, um den Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen.“5

Nach längeren Verhandlungen für ein Gesetz zur Ausweitung der Möglichkeiten des Einsatzes des sogenannten „Staatstrojaners“6 einigte sich die große Koalition im Herbst 2020 auf einen Entwurf für ein Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts.7 Der Entwurf erntete Kritik von vielen Seiten und die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat bereits angekündigt bei Inkrafttreten gegen das Gesetz zu klagen.8

Vorratsdatenspeicherung beschäftigt seit fast 15 Jahren immer wieder Gerichte auf nationaler und europäischer Ebene.9 Beim BVerfG wurden gegen die Vorratsdatenspeicherung insgesamt über 35.000 Verfassungsbeschwerden erhoben. Im Jahr 2008 schränkte das BVerfG zunächst die Nutzungsmöglichkeiten der auf Vorrat gespeicherten Daten stark ein.10 Im März 2010 erklärte das BVerfG die gesetzlichen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig.11 Das Gericht führte in diesem Zusammenhang aus, dass eine Speicherung von personenbezogenen Daten über einen Zeitraum von sechs Monaten auf Vorrat immer dann verfassungswidrig sei, wenn sie aufgrund von unbestimmten und/oder nicht bestimmbaren Zwecken erfolge.12 Eine verfassungsgemäße Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung sei somit grundsätzlich möglich. Dabei müssten jedoch bestimmte, strenge Anforderungen beachtet werden. Das BVerfG nennt vier Aspekte, die angesichts des intensiven Grundrechtseingriffs beachten werden müssten: ein hoher Standard der Datensicherheit;13 hinreichende Transparenz und ein effektiver Rechtsschutz;14 klare Regelungen zum Umfang der Datenverwendung;15 der Ausnahmecharakter der vorsorglichen, anlasslosen Datenspeicherungen.16

Mit dem „Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“17 von 2015 sollte in Deutschland erneut eine Vorratsdatenspeicherung eingeführt werden. Die Bundesnetzagentur hat die Verpflichtung von Telekommunikationsunternehmen jedoch ausgesetzt, nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster entschied, dass Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung möglicherweise nicht mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar sein könnten.18 Als Reaktion auf diese Ankündigung haben die deutschen Telekommunikationsunternehmen vorerst davon abgesehen, die Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 25. September 2019 entschieden, dem EuGH eine Frage zur Auslegung der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation19 vorzulegen.20 Die Anwendbarkeit der im Telekommunikationsgesetz (TKG) enthaltenen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung wird von dieser Entscheidung abhängen.21

Neben Verkehrsdaten ist auch der rechtliche Umgang mit Bestandsdaten zur Zeit nicht letztlich geklärt. In einem Beschluss vom Mai 2020,22 hob das Bundesverfassungsgericht hervor, dass bei bestimmten Bestandsdaten, gerade bei der Übermittlung und Abfrage von Bestandsdaten durch Zuordnung einer IP-Adresse, die Gesetzgebenden höhere Hürden als bisher vorsehen müssen. Die konkrete Zuordnung der IP-Adresse müsse zusätzlich „auch dem Schutz oder der Bewehrung von Rechtsgütern von zumindest hervorgehobenem Gewicht dienen“ und sowohl die für die „Übermittlung der Bestandsdaten durch die Telekommunikationsanbieter als auch für den Abruf dieser Daten durch die Behörden“ müsse jeweils – im Sinne eines Doppeltürenmodells – eine verhältnismäßige Rechtsgrundlage geschaffen werden. Diese Entscheidung ist auch der Grund dafür, dass die Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes sich verzögerte.

Am 6. Oktober 2020 entschied der EuGH im Fall Privacy International,23 dass EU-Recht nationalen Rechtsvorschriften (hier in Belgien, Frankreich und England) entgegensteht, die Vorratsdatenspeicherung vorsehen. In Situationen jedoch, in denen ein Mitgliedstaat einer ernsthaften Bedrohung der nationalen Sicherheit ausgesetzt ist, sind Speichermaßnahmen möglich, wenn diese gesetzlich vorgesehen sind, zeitlich auf das unbedingt Notwendige beschränkt sind, mit wirksamen Schutzmaßnahmen einhergehen und von einem Gericht oder einer unabhängigen Verwaltungsbrde überprüft werden können.

 



Bundesanzeiger (2017b).

2 BvR 897/18, 2 BvR 1797/18, 2 BvR 1838/18, 2 BvR 1850/18, 2 BvR 2061/18: Verfassungsbeschwerden von unter anderem Rechtsanwaltschaft, Kunstschaffenden und Medienschaffenden, darunter einige Mitglieder des Deutschen Bundestages, zu der Frage, ob die durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202, in Kraft getreten am 24. August 2017) bewirkten Änderungen der Strafprozessordnung (StPO), insbesondere die Möglichkeit der Anordnung der sog. Quellen-Telekommunikationsüberwachung und der Online-Durchsuchung (mittels des sog. „Staatstrojaners“), verfassungsgemäß sind.

Bundesverfassungsgericht (2008b).

Ebd.

Ebd.

Fiedler, M. (2020).

Meister, Andre (04.06.2020).

Ebd.

Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (2020c).

Bundesverfassungsgericht (2008a).

Bundesverfassungsgericht (2010).

Ebd., para 162.

Ebd., para 186.

Ebd.

Bundesverfassungsgericht (2010), para 231.

Ebd., para 244.

Bundesanzeiger (2015).

Beck aktuell (2017).

Richtlinie 2002/58/EG.

Bundesnetzagentur (2019).

Meister, A. (25.09.2019).

BVerfG, Beschl. v. 27.05.2020, Az. 1 BvR 1873/13 u.a.

EuGH, 6.10.2020, Urteile in den Fällen Case C-623/17, Privacy International, and in Joined Cases C-511/18, La Quadrature du Net and Others, C-512/18, French Data Network and Others, and C-520/18, Ordre des barreaux francophones et germanophone and Others.



Soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte

F.1

Bezieht die Regierungspolitik das Internet in Strategien ein, die sich mit Beschäftigung, Gesundheit und Bildung befassen, unter besonderer Berücksichtigung der Rechte des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR)?

Indikator 39: Belege für die Einbeziehung a) des Internets und b) der Achtung der IPWSK-Rechte in sektorspezifischen Strategien für Beschäftigung, Gesundheit und Bildung.

Indikator 40: Belege für eine Analyse der Auswirkungen des Internets auf Beschäftigung, Gesundheit und Bildung durch die Regierung.

Die Bundesregierung hat den UN-Sozialpakt ratifiziert. Er hat in Deutschland den Rang eines Bundesgesetzes.1 Das Recht auf Arbeit (Beschäftigung), Gesundheit und Bildung wird von den Artikeln 7, 12 und 13 UN-Sozialpakt sichergestellt.

Die Bundesregierung hat im November 2018 eine Umsetzungsstrategie der Bundesregierung zur Gestaltung des digitalen Wandels erarbeitet. Belege für Analysen der Auswirkungen des Internets auf Beschäftigung, Gesundheit und Bildung durch die Bundesregierung lassen sich u.a. der Digitalen Agenda 2014-2017, der Umsetzungsstrategie Digitalisierung, der KI-Strategie der Bundesregierung, dem Weißbuch zu Digitalen Plattformen, dem Weißbuch Arbeiten 4.0 und der Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung entnehmen.

Arbeitnehmende sind in die Nationale Weiterbildungsstrategie2 miteinbezogen. Es soll so der berufliche Aufstieg von breiten Bevölkerungsteilen erleichtert und die Fachkräftebasis gestärkt werden. Außerdem soll die Beschäftigungsfähigkeit verbessert werden.3 Zu der Strategie gehört außerdem: Die Förderung der Digitalwirtschaft in Entwicklungsländern, Kooperation mit der Privatwirtschaft im Technologie-Bereich und die Nutzung des digitalen Handels.

Laut einer Studie von Bitkom ist das Internet mittlerweile das wichtigste Arbeitsmittel.4 Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat deshalb einen Dialogprozess zum Arbeiten 4.0 gestartet.5 Deutschland ist auch an europäischen Forschungsinitiativen und Strategien zur Arbeitswelt 4.0 beteiligt. Dazu zählt das Weißbuch der EU Kommission zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz.6

Das Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung ist ein Teil der sogenannten Qualifizierungsoffensive am Arbeitsmarkt.7 Es soll dabei helfen, Arbeitnehmende in den Strukturwandel zur Digitalisierung miteinzubeziehen und fit zu machen für die neuen Anforderungen eines digitalisierten Arbeitsmarktes.8

Aus dem Legislaturbericht „Digitale Agenda 2014-2017“ von 2018 wird die Umsetzung der Strategie mit Maßnahmen in den Bereichen „Digitale Infrastrukturen“, „Digitale Wirtschaft und digitales Arbeiten“, „Innovativer Staat“, „Digitale Lebenswelten in der Gesellschaft gestalten“, „Bildung, Forschung, Wissenschaft, Kultur und Medien“, „Sicherheit, Schutz und Vertrauen für Gesellschaft und Wirtschaft“, und „Europäische und internationale Dimension der Digitalen Agenda“ dokumentiert.9

Im Bereich Gesundheit gibt es ebenfalls gezielte Strategien (Digitale Agenda 2014-2017),10 die an unterschiedlichen Anknüpfungspunkten ansetzen. Dazu zählen der Ausbau der eHealth-Initiative über stärkere Vernetzung der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen mit der Innovationstätigkeit von Gesundheitswirtschaftsunternehmen sowie die Gewährleistung der Interoperabilität und Sicherheit von IT-Systemen, der Aufbau eines digitalen Gesundheitsinformationsportals und die Modernisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) durch Bereitstellung eines digitalen Melde- und Überwachungssystems für übertragbare Krankheiten.

Hinzu kommt das Vorhaben des frühzeitigen Erkennbarmachens von Ausbruchsereignissen und die zielgruppengerechte Aufbereitung der Daten durch die Nutzbarmachung von Künstlicher Intelligenz. Die Corona App bildet das jüngste Beispiel für die Anwendung von digitaler Technologie im Gesundheitswesen ab, entwickelt und implementiert anlässlich der Corona-Pandemie.11

Im Bereich der Bildung bekennt sich die Bundesregierung zur Förderung von digitalen Kompetenzen.12 Dazu sieht die Strategie vor, dass: „alle Menschen die Chancen der Digitalisierung nutzen können. Sie sollen den digitalen Wandel selbstbestimmt mitgestalten und verantwortungsvoll mit den Risiken umgehen können.“ Die Strategie „Digitalisierung gestalten“13 betrachtet den Bereich der Bildung unter verschiedenen Blickwinkeln. Neben der schulischen Bildung umfasst die Strategie Maßnahmen im Bereich der Aus-, Fort-, und Weiterbildung und den Bereich der kompetenten Gesellschaft.14

Im August 2020 wurde berichtet, dass sieben Bundesländer planen, an Schulen Lehrende flächendeckend mit einer dienstlichen E-Mail-Adresse auszustatten und die Nutzung dieser Mail-Adressen verpflichtend anzuordnen. Die COVID-19-Krise hatte deutlich gemacht, dass die Mehrzahl der Lehrenden noch immer über keine dienstliche E-Mail-Adresse verfügen (Ausnahme: Bremen, Brandenburg, Hessen, Hamburg und Sachsen-Anhalt (freiwillig)) und damit einer der grundlegenden digitalen Kommunikationskanäle in der Institution Schule noch nicht ausreichend zur Verfügung steht. Die Nutzung privater E-Mail-Adressen birgt regelmäßig Gefahren für den Datenschutz und im Hinblick auf Cybersicherheit. Außerdem sollen an Schulen Lehrende künftig mit einem Dienstlaptop ausgestattet werden. Aktuell arbeiten 90 % der Lehrenden ohne Dienstrechner. Weiter sind Cloud-Lösungen für den digitalen Unterricht geplant. Wie die Finanzierung der Anschaffungen von Dienstlaptops für über 800.000 Lehrende bundesweit sichergestellt werden soll, ist noch unklar.15

Neben der schulischen und universitären Bildung wird auch im Bereich der Aus-, Fort-, und Weiterbildung Digitalisierung gefördert. Welche Strategien im Einzelnen verfolgt werden, ist den Indikatoren 87-90 zu entnehmen.



Deutscher Bundestag (2019b).

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020c).

Ebd.

Pols, A. (2012).

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2019).

Europäische Kommission (2020d).

Bundesanzeiger (2018).

Ebd.

Ebd.

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017).

Bundesministerium für Gesundheit (2020b).

Die Bundesregierung (2020).

Ebd.

Ebd.

Rzepka, D. (14.08.2020).



F.2

Sind alle Bürgerinnen und Bürger und andere Einzelpersonen gleichermaßen in der Lage, das Internet zur Teilnahme an kulturellen Aktivitäten zu nutzen?

Indikator 41: Ausmaß und Art der Unterschiede beim Internetzugang und der Internetnutzung zwischen verschiedenen Gemeinschaften/Ethnien.

Versteht man den Begriff Gemeinschaften in Anlehnung an die Bedeutung des Begriffs „Communities“ weit und bezieht man Gemeinschaften im Sinne von Gruppen mit bestimmter Geschlechter-, Alters- und Bildungszuschreibungen in die Untersuchung mit ein, so fällt Folgendes auf: Etwa 95 % der deutschen Bevölkerung nutzen das Internet,1 etwa 80 % sind (auch) Smartphone-Nutzende.2 Große Unterschiede der Nutzung ergeben sich mit Blick auf eine berufliche Anstellung/Tätigkeit: gut 96 % der berufstätigen Deutschen nutzen das Internet, während nur 68 % der Erwerbslosen dies tun. Ähnlich verteilt sich die Nutzung auf den Bildungsabschluss: 96 % jener Deutschen mit einem höheren Bildungsabschluss sind online – im Gegensatz zu etwa 60 % der Deutschen mit einem niedrigen Bildungsabschluss.3 Unterschiede des Zugriffs auf das Internet finden sich auch mit Blick auf das Haushaltseinkommen: in Haushalten, die weniger als 1.000 Dollar monatlich verzeichnen, greifen nur 40 % auf das Internet zu, wohingegen in Haushalten, die 3.000 Dollar und mehr zur Verfügung haben, sich etwa 66 % online bewegen.4 Die Gender- wie auch die Alters-Zugriffsschere verringert sich zwar, ist aber noch immer auszumachen: etwa 91 % der Männer nutzen das Internet jeden/oder fast jeden Tag, während dies nur auf 88 % der Frauen zutrifft.5 Knapp 99 % aller Deutschen zwischen 16 und 44 Jahren greifen so gut wie täglich auf das Internet zu, wohingegen der regelmäßige Zugriff bei Nutzenden über 65 Jahren nur bei etwa 70 % liegt.6

Außerdem lassen sich noch immer leichte regionale Differenzen erkennen: die einzigen Bundesländer, in denen die Internetnutzung unter 80 % liegt, sind die östlichen Bundesländer (ehemalige Deutsche Demokratische Republik).7 Auch der Unterschied zwischen dem Zugriff auf das Internet aus urbanen Regionen (500.000 Einwohner und mehr) und ländlichen Regionen unterscheidet sich noch immer um 6 %.8

Für Deutschland finden sich keine validen Zahlen hinsichtlich der Internetnutzung mit Blick auf unterschiedliche Ethnien. Mit Blick auf die Geschichte der Bundesrepublik werden solchen Zahlen weder als Abfrage noch als Selbstzuschreibung regulär (mit-)erhoben.

 

Indikator 42: Existenz einer Regierungspolitik bezüglich des Kulturerbes online

Im Koalitionsvertrag hat die aktuelle Regierung festgehalten: „Politik für Kultur und Wissenschaft, Medien und Bildung ist eine Politik für die offene Gesellschaft, für die Freiheit von Meinungen, Wissenschaft und Kunst. Angesichts der weltweiten Bedrohung kritischer Künstlerinnen, Intellektueller, Journalistinnen und Wissenschaftler, aber auch aus unserer historischen Verantwortung heraus unterstützen wir eine Initiative für die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Presse und Meinungsfreiheit, auch im Hinblick auf Exilerfahrungen.“9

In der Umsetzungsstrategie der Bundesregierung „Digitalisierung gestalten“ (2020) wird auch eine Digitalisierungsstrategie für den Kulturbereich formuliert. Diese soll sich unter anderem der rechtlichen und der ethischen Dimension der Digitalisierung im Kunst- und Kulturbereich widmen.10

Die Bewahrung des kulturellen Erbes ist beständiges Thema deutscher Kulturpolitik.11 Im Jahr 2011 hat der Bundestag zudem auf Initiative der Regierungsparteien eine Digitalisierungsoffensive für das kulturelle Erbe vorgeschlagen und die Bundesregierung aufgefordert, den Aufbau der Deutschen Digitalen Bibliothek voranzutreiben, besonders auf Langzeitarchivierung zu achten und im Urheberrecht Regeln für den Umgang mit verwaisten Werken vorzusehen.12

Die Deutsche Digitale Bibliothek wurde bereits 2007 als Gemeinschaftsprojekt von Bund, Ländern und Kommunen gegründet.13 Seit 2014 ist sie im Regelbetrieb. Perspektivisch soll sie die digitalen Angebote von bis zu 30.000 deutschen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen vernetzen und damit das kulturelle Erbe der Nation für die gesamte Bevölkerung weitgehend kostenfrei online zugänglich machen. Bis Juni 2020 wurden mehr als 4.400 Institutionen registriert, die über die Deutsche Digitale Bibliothek Zugang zu ihren Sammlungen bieten können, darunter über 2.500 Archive, 800 Museen und 700 Bibliotheken. Etwa 500 Institutionen liefern bereits aktiv Daten.

Die Deutsche Digitale Bibliothek trägt mit ihrer Sammlung auch zum europäischen Portal Europeana bei, das 2005 von der Europäischen Kommission als Stiftung gegründet wurde.14 Metadaten über Objekte des kulturellen Erbes werden in einem einheitlichen Datenmodell erschlossen.15 Inzwischen bietet Europeana Zugang zu mehr als 50 Mio. Objekten in digitalisierter Form.

Über die Kulturstiftung der Länder werden digitale Formate auf Länderebene gefördert.16 Mit dem Verbundprojekt „museum4punkt0“ entstand 2016 eine Initiative, die von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien mit insgesamt 15 Mio. Euro gefördert wird. Ziel des Projektes, in dessen Rahmen verschiedene Kultureinrichtungen zusammenarbeiten, ist die Entwicklung neuer digitaler Instrumente für die Vermittlung von Museumsinhalten.17 Als weitere Maßnahmen sind die Projekte „Kultur Digital“,18 „Digitale Wege ins Museum“,19 „Total Digital!“20 und „ZDF Kulturraum Digital“21 zu nennen. Die jeweilige Förderung dieser Projekte liegt zwischen 21.000 und 5 Mio. Euro. Sie alle zielen darauf ab, dass Kultureinrichtungen digitale Möglichkeiten nutzen, erarbeiten und gestalten, um neue kulturelle Erlebnisräume zu schaffen. So sollen ein erleichterter, integrativer Zugang zu Kunst und Kultur, Kreativprozesse und neue Austauschmöglichkeiten geschaffen werden.22

 

Indikator 43: Verfassungsmäßige oder gesetzliche Garantie der Freiheit des künstlerischen Ausdrucks

Die Kunstfreiheit ist in Artikel 5 Abs. 3 GG garantiert und wurde durch das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung ausdifferenziert und konturiert.23 Dem Begriff der Kunst kommt bei der Bestimmung des Schutzbereichs eine zentrale Bedeutung zu. Eine allgemeingültige Definition dürfte es nicht geben, weshalb auch vom „offenen Kunstbegriff“ gesprochen wird.24 Er ist „das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung darin […], dass es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiter reichende Bedeutungen zu entnehmen, sodass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt.“25

Die Kunstfreiheit ist hauptsächlich als Abwehrrecht zu verstehen. Darüber hinaus enthält Artikel 5 Abs. 3 S. 1 GG aber auch „eine objektive, das Verhältnis des Bereichs Kunst zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm.“26 Die Kunstfreiheit muss demnach auch „im Verhältnis von Privaten zueinander zu berücksichtigt werden, insbesondere wenn unter Berufung auf private Rechte künstlerische Werke durch staatliche Gerichte verboten werden sollen“.27 Ob ein verbindlicher Verfassungsauftrag zur Förderung der Kunst oder gar Teilhaberechte des Einzelnen existieren, ist umstritten. Jedenfalls sieht das BVerfG es als Aufgabe des Staates an, ein freiheitliches Kunstleben zu gestalten und zu erhalten.28 Die Ausgestaltung dieses Schutzes ist der demokratisch legitimierten Legislative überlassen. Der Schutzumfang der Kunstfreiheit ist nicht auf die künstlerische Tätigkeit an sich begrenzt.29 Das BVerfG hat die Kunstfreiheit in einen sog. „Werkbereich“ und „Wirkbereich“ unterteilt, die beide den verfassungsrechtlichen Schutz von Artikel 5 Abs. 3 S. 1 GG genießen.30

Künstlerische Werke (ab einer gewissen Schaffenshöhe) werden insbesondere vom Urhebergesetz (UrhG),31 aber auch vom Kunsturhebergesetz (KUG)32 geschützt. Die Kunstfreiheit befindet sich häufig im Spannungsfeld zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Ehrschutz. Nachdem die Europäische Kommission 2016 Regelungsvorschläge für eine Reform des Urheberrechts vorgelegt hatte, bat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz um Stellungnahme von Betroffenen und Interessierten, die als Grundlage für die Ratsverhandlungen in Brüssel dienen sollten. Alle Stellungnahmen sind auf der Website des Ministeriums abrufbar.33 Spezifisch sind als Interessengruppen hier das Netzwerk Autorenrechte34 und die Initiative Urheberrecht35 zu nennen, die sich aktiv für die Belange von Kunstschaffenden einsetzen.

Die 2020 abgeschlossene Neufassung des Medienstaatsvertrags diente auch zur Umsetzung der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste und der Anpassung an europäische Vorgaben zum Urheberrecht.36 In diesem Zusammenhang spielt die europarechtliche Vorprägung des deutschen Rechts eine wichtige Rolle, wenn auch hier wieder klar offensichtlich wird, dass die europäische Medienordnung von Inkohärenzen geprägt ist und sich vor allem die Überfrachtung des europäischen Rechtssetzers mit oft widersprüchlichen Regulierungszielen bemerkbar macht. Als weitere Maßnahme haben die Kultusministerien und Kultursenate der Länder 2019 eine gemeinsame Erklärung zur kulturellen und künstlerischen Freiheit formuliert. Ziel dabei ist die ausdrückliche Bekräftigung des Rechts auf Freiheit und Vielfalt in Kunst und Kultur.37

Die 2018 eingeführte Senkung des Mehrwertsteuersatzes für E-Publikationen wurde von der Bundesregierung begrüßt. Statt 19 % liegt der Mehrwertsteuersatz seitdem bei 7 %, was eine Gleichbehandlung von Print und E-Medien bedeutet.[38]

Zu diesem Kapitel sind Empfehlungen für verschiedene Stakeholder in Kapitel 8 zusammengefasst.



Eurostat (2019b).

Newzoo (2020).

Initiative D21 (2020), S. 25.

Ebd., S. 41.

Statistisches Bundesamt (2020a).

Statistisches Bundesamt (2020d).

Initiative D21 (2020), S. 16.

Die Bundesregierung (2018c), S. 172.

Digital made in de (2020).

Deutscher Bundestag (2015b).

Deutscher Bundestag (2012).

Deutsche Digitale Bibliothek (2020).

Europeana (2020).

Dröge, E. et al. (2015).

Kulturstiftung (2020).

Museum4punkt0 (2020).

Kulturstiftung des Bundes (2019).

Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (2018).

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2018).

ZDF (2019).

Näheres kann dem Dritten Staatenbericht zur Umsetzung der UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005 in und durch Deutschland im Berichtszeitraum 2016-2019 entnommen werden. (Die Bundesregierung (2020f)).

z.B. BVerfGE 67, 213 (225) = NJW 1985, 261 (262) – anachronistischer Zug; BVerfGE 75, 369 (377) = NStZ 1988, 21 (22) – Strauß-Karikatur.

BeckOK GG/Kempen, 43. Ed. 15.5.2020, GG Art. 5 Rn. 156.

BVerfGE 67, 213 (226 f.) = NJW 1985, 261 (262 f.) – anachronistischer Zug; BVerfGE 81, 278 (291 ff.) = NJW 1990, 1982 – Bundesflagge.

BVerfGE 30, 173 (188) = NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfGE 119, 1 (21) = NJW 2008, 39 (40) – Esra.

BVerfGE 119, 1 (21) = NJW 2008, 39 (40) – Esra).

BVerfGE 36, 321 (331) = NJW 1974, 689 – Schallplatten-Umsatzsteuer; BVerfGE 81, 108 (116) = NJW 1990, 2053 – Kulturstaatsgebot.

BeckOK GG/Kempen, 43. Ed. 15.5.2020, GG Art. 5 Rn. 167-169.

BVerfGE 30, 173 (189) = NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfGE 67, 213 (224) = NJW 1985, 261 (262) – anachronistischer Zug; BVerfGE 77, 240 (251) = NJW 1988, 325 – Herrnburger Bericht; BVerfGE 81, 278 (292) = NJW 1990, 1982 (1983) – Bundesflagge; NJW 2006, 596 (597) – Künstlervertrag; BVerfGE 119, 1 (21 f.) = NJW 2008, 39 (40) – Esra; BVerfGE 142, 74 (96) = NJW 2016, 2247 (2248)).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (1965).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (1907).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2020b).

Netzwerk Autorenrechte (2020).

Initiative Urheberrecht (2020).

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020c).

Kultusministerkonferenz (2019).

Die Bundesregierung (2019a).



Offenheit

Politischer, rechtlicher und regulatorischer Rahmen

A.2

Erleichtert der rechtliche und ordnungspolitische Rahmen für Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die Innovation im Internet?

Indikator 44: Belege für die Eignung des rechtlichen und ordnungspolitischen Rahmens für die Gründung neuer Unternehmen und die Innovation durch Wissenschaft und Zivilgesellschaft

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Innovation in Deutschland sind einerseits gut, da es rechtsstaatliche Verfahren gibt, die festlegen, wie Unternehmen gegründet werden können und Rechtsklarheit herrscht. Zu den rechtlichen Grundlagen zählen im Zivil- und Gesellschaftsrecht das HGB (Handelsgesetzbuch), das GmbHG (Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung), das Aktiengesetz (AktG), das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und im öffentlichen Recht die Gewerbeordnungen (GewO) der Länder sowie ihre Spezialgesetze.

Außerdem gibt es eine Vielzahl an staatlichen Beratungsstellen und Förderung für die Gründung in bestimmten Sektoren und auch Unterstützung durch beispielsweise die KfW Bank. Als Mitgliedstaat der Europäischen Union ist Deutschland außerdem in den europäischen Binnenmarkt eingebunden und profitiert damit von den Grundfreiheiten.1

Für die Verbesserung der digitalen Hochschulbildung hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine dritte Förderlinie verabschiedet, mit der digitale Lehr- und Lernkonzepte innerhalb einzelner Disziplinen und Fächer anwendungsnah entwickelt, erprobt und erforscht werden sollen.2

Für die Förderung der Innovation im Internet ist es auch wesentlich, dass die Einbettung wissenschaftlicher Arbeit möglich ist und gefördert wird. Dies betrifft die rechtliche Einbettung der Nutzung von Big Data, aber auch die Erweiterung der Zugangsoptionen für die Wissenschaft zur Auswertung digitaler Daten durch standardisierte Datenformate.

Indikator 45: Wahrnehmung der Erfahrungen der Unternehmen mit dem ordnungspolitischen Umfeld für Unternehmen und IKT, einschließlich internetgestützter Unternehmen

Das Bundeswirtschaftsministerium hat im Frühjahr 2017 ein umfangreiches Weißbuch für eine neue digitale Ordnungspolitik vorgelegt.3 Zuvor hat es einen mehrmonatigen Konsultationsprozess mit zahlreichen Stellungnahmen von Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften, Non-Profit-Organisationen sowie aus der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft gegeben. Das Weißbuch plädiert u.a. für mehr Transparenz im Internet, mehr Durchgriffsrechte bei Marktmachtmissbrauch, höhere Anforderungen an Over-The-Top-Dienste (wie WhatsApp und Skype) und für mehr Anreize zum Ausbau der Netzinfrastruktur. Der Internetverband Eco, dem auch Facebook und Google angehören, und der Bundesverband der Industrie kritisierten eine Verschärfung der Regulierung.4

Der Verband Bitkom, dem 2.700 Unternehmen der digitalen Wirtschaft in Deutschland angehören, hat im Februar 2020 die Ergebnisse einer Umfrage unter 502 Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern veröffentlicht. 96 % der befragten Unternehmen sehen demnach Digitalisierung eher als Chance für ihr Unternehmen und nur 3 % tendenziell als Risiko. Bei digitalen Plattformen sehen 30 % überwiegend Risiken für ihr Unternehmen, 45 % eher Chancen, die übrigen sehen keine Auswirkungen oder gaben keine Einschätzung ab. Die Einschätzung hängt auch vom jeweiligen wirtschaftlichen Sektor ab: Überwiegend Chancen sehen 60 % der Handelsunternehmen, dagegen nur 43 % der Dienstleistungs- und 37 % der Industrieunternehmen.5 Auf die Frage nach den größten Hemmnissen für den Einsatz digitaler Plattformen werden zahlreiche Aspekte genannt, insbesondere die Anforderungen an Datenschutz und IT-Sicherheit.

Auf die Frage, welche politischen Maßnahmen sinnvoll wären, um die Nutzung digitaler Plattformen zu fördern, wurden insbesondere europaweit einheitliche Regelungen (53 % der Befragten) und mehr Rechtssicherheit für digitale Plattformen (50 %) genannt. Gewünscht wurde auch öffentliche Förderung zum Aufbau digitaler Plattformen (36 %), Unterstützung bei Kooperationen mit anderen Unternehmen zum Aufbau digitaler Plattformen (32 %), Lockerungen beim Datenschutz (29 %), Hilfe bei der Qualifizierung von Mitarbeitenden (13 %) und Anpassungen beim Recht auf geistiges Eigentum (11 %).



Europäische Union (2012).

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2018b).

Vgl. zum Folgenden: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017).

Heide, D. (20.03.2017).

Bitkom (2020a). Die Umfrage wurde im August und September 2019 durchgeführt; nicht berücksichtigt wurden Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung, Erziehung und Unterricht.



Offene Standards

B.3

Fördert die Regierung die Vielfalt der Lizenzierungsoptionen für geistiges Eigentum, einschließlich freier und quelloffener Software (FOSS)?

Indikator 46: Regierungspolitik gegenüber FOSS und anderen Lizenzoptionen

Die Verwaltung des Bundes befasst sich seit Langem mit dem Einsatz von Open Source-Software. Dazu wurde das Kompetenzzentrum Open Source-Software eingerichtet und 2011 für den bundesweiten Informationsaustausch von IT-Experten ausgebaut.1 Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) setzt sich dafür ein, die Vielfalt von Software zur erhöhen, Monokulturen zu reduzieren und die Vorteile von freier Open Source-Software zu nutzen, wie es auch im BSI selbst geschieht.2

Seit 2016 nimmt Deutschland an der Open Government Partnership teil, die bisher 70 Staaten umfasst. Im Zweiten Nationalen Aktionsplan 2019-2021 wird Open Source-Software jedoch lediglich mit Blick auf das Bundesland Schleswig-Holstein thematisiert, dessen Regierungsparteien sich im Koalitionsvertrag von 2018 den vordringlichen Einsatz von Open Source-Software zum Ziel gesetzt haben.3

Indikator 47: Umfang, in dem Software mit verschiedenen Lizenzoptionen in Behörden eingesetzt wird

Der tatsächliche Einsatz von freier und Open Source-Software bei der Verwaltung des Bundes ist noch sehr begrenzt. Auf eine kleine Anfrage zu den Plänen der Bundesverwaltung freie und Open Source-Software einzusetzen, hat die Bundesregierung dem Bundestag im August 2018 mitgeteilt, Open Source-Software werde in den Rechenzentren des Bundes vor allem bei den zentralen Servern eingesetzt. Außerdem werde, zur Erleichterung des Zugangs zu Open Source-Lösungen, bei IT-Systemen auf offene Schnittstellen geachtet.4 Im Übrigen würden die Bedarfsträger bei Beschaffungen regelmäßig über alternative Lösungsansätze wie z.B. Open Source informiert.

Die Unternehmensberatung PwC hat im August 2019 im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat eine strategische Marktanalyse zur Reduzierung von Abhängigkeiten von einzelnen Software-Anbietern vorgelegt. Danach ist die IT auf Bundesebene stark von Microsoft-Produkten geprägt: im Jahr 2018 haben 96 % der unmittelbaren Behörden Microsoft Office und Windows eingesetzt; 69 % haben auch Windows Server verwendet.5 Als eine mögliche Strategie werden Aufbau und Nutzung von Open Source-Software empfohlen. Es wird in diesem Bericht aber auch darauf hingewiesen, dass die Entscheidung für Open Source-Software revidierbar ist: Die Stadt München hatte ab 2003 eine Migration auf ein Open Source-Betriebssystem Linux und auf Open Source-Bürosoftware vorgenommen, sich 2018 jedoch zu einer Rückmigration entschieden.



Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik (2011).

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (2020).

Open Government Deutschland (2019); Vitako (2019), S. 16 ff. Im Frühjahr 2020 haben auch die Koalitionsparteien der neu gewählten Landesregierung in Hamburg vereinbart, verstärkt Open Source-Software einzusetzen, vgl. Hamburgische Bürgerschaft (2020).

Bundesregierung (2018a).

Strategy& (part of the PwC network) (2019).



B.4

Fördert und verabschiedet die Regierung Standards, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zum Internet und zu E-Government-Diensten zu erleichtern?

Indikator 48: Politik und Praxis der Regierung zur Gewährleistung der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen

Die UN-Behindertenrechtskonvention1 soll Inklusion von Menschen mit Behinderung weiter vorantreiben und konkretisieren. Dabei verpflichten sich die Vertragsstaaten auch zu der Förderung eines barrierefreien Zugangs zu IKT sowie dem Internet.2

Die barrierefreie Informationstechnik in Bezug auf öffentliche Stellen des Bundes ist im Behindertengleichstellungsgesetz normiert (BGG Abschnitt 2a).3 Zudem dient die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung vom 12. September 2011 dem Ziel, einen umfassenden barrierefreien Zugang zu IKT zu ermöglichen.4

Mit Blick auf die Digitale Barrierefreiheit fehlen in Deutschland belastbare Zahlen zum Ist-Stand der Umsetzung. Als Grundlage für die nationale Strategie, die unter das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) fällt, dienen die Web Content Accessibility Guidelines 2.1 (WCAG 2.1), auf denen die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0 fußt (Inkrafttreten am 15. Mai 2019). Letztere richtet sich nach den Vorgaben der EU Richtlinie 2016/2102 über die Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. Die sich daraus ergebenden Mindeststandards (Konformität zu den EN 301549) wurden schließlich in Bund- und Landesgesetze5 gegossen und gelten für Websites (inklusive Intranets und Extranets), Apps und elektronische Verwaltungsabläufe (für diese erst ab Juni 2021) von öffentlichen Stellen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene (Verwaltungen, Behörden, Ämter, Universitäten, Kliniken, Unternehmen in öffentlicher Trägerschaft etc.). Neben den Mindestanforderungen an einen barrierefreien Zugang (Stichwort Schriftgrößen, Kontraste, Leichte Sprache usw.) muss seit September 2020 bindend dort auch eine Erklärung zur Barrierefreiheit sowie ein Feedbackmechanismus etabliert sein. Mit Zeitpunkt der verpflichtenden Umsetzung nimmt die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik ihre Arbeit auf.6

Zudem trat am 28. Juni 2019 die EU-Richtlinie 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen, der sogenannte „European Accessibility Act (EAA)“, in Kraft. Die Richtlinie ist bis zum 28. Juni 2022 in nationales Recht umzusetzen und muss – abgesehen von Ausnahmen – ab dem 28. Juli 2025 angewandt werden. Sie richtet sich vor allem an den Online-Handel.7

Indikator 49: Wahrnehmungen von Menschen mit Behinderungen in Bezug auf Politik und Praxis der Zugänglichkeit

Was die Wahrnehmungen von Menschen mit Behinderungen in Bezug auf Politik und Praxis der Zugänglichkeit angeht, so ergibt sich kaum ein verallgemeinerbares Bild und eine sehr dünne Datenlage. Sehr wohl lassen sich Daten zu Nutzung des Internets von Menschen mit Behinderung erheben, diese wiederum lassen durchaus auch auf bestehende Diskriminierungs- und Ausschlussstrukturen Rückschlüsse zu. Der Zweite Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen von 2016,8 vor allem aber die Studie von der Aktion Mensch e.V. und die medienanstalten ebenfalls von 20169 zeigen deutliche Bedarfe mit Blick auf einen barrierefreien Zugang zum Internet auf. Dort wird deutlich: „Für die Nutzung des Internets lassen sich erhebliche Unterschiede konstatieren. Es wird von einigen Gruppen mit Beeinträchtigungen weniger genutzt als in der Gesamtbevölkerung. Besonders große Differenzen wurden für Menschen mit Lernschwierigkeiten festgestellt. Für letztere Gruppe hat der Grad der Lesefähigkeit einen erheblichen Einfluss auf die Nutzung aller Medien.“10



Beauftrage der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen (2017).

Art. 9 Abs. 2 lit. g): Die Vertragsstaaten treffen außerdem geeignete Maßnahmen, um den Zugang von Menschen mit Behinderung zu den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, einschließlich des Internets, zu fördern.

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2002).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2011).

Barrierefreies Webdesign (2020).

Bundesfachstelle Barrierefreiheit (2020); Einfach teilhaben (2019).

Bundesfachstelle Barrierefreiheit (2019).

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2016).

Aktion Mensch e.V./die medienanstalten (2016).

Ebd., S. 9.



Freie Märkte

C.1

Gibt es eine unabhängige Regulierung der Kommunikationsmärkte, die in Übereinstimmung mit internationalen Normen und Standards erfolgt?

Indikator 50: Vorhandensein einer unabhängigen Regulierungsbehörde [für Kommunikationsmärkte]

Die Regulierung von Telekommunikationsmärkten ist eine hoheitliche Aufgabe des Bundes. Zentrales Instrument der Regulierung der Kommunikationsmärkte ist das Telekommunikationsgesetz (TKG).1 Ziel des Gesetzes ist die technologieneutrale Regulierung des Wettbewerbs im Hinblick auf Telekommunikation und Telekommunikationsinfrastrukturen, wobei auch dem Schutz der Konsumierenden und Nutzenden von Telekommunikationsdiensten eine wichtige Stellung eingeräumt wird.

Die Umsetzung des Gesetzes obliegt der Bundesnetzagentur, die ihre Aufgaben in einer objektiven, transparenten, nichtdiskriminierenden und verhältnismäßigen Art und Weise wahrzunehmen hat (§ 2 Abs. 3 TKG). Die Bundesnetzagentur (entsprechend dem Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen § 1 BEGTPG2) ist eine selbstständige Bundesoberbehörde, die als Regulierungsbehörde den Wettbewerb in den Energie‑, Telekommunikations-, Post- und Eisenbahnmärkten fördert und die Leistungsfähigkeit der Infrastrukturen in diesem Bereich sicherstellt. Die Zuständigkeiten und Aufgabenzuordnungen finden sich im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und dem TKG.

Als Multistakeholderforum im Kontext von Kommunikationsmärkteregulierung ist die „Netzallianz Digitales Deutschland“ zu nennen, die 2014 vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) initiiert wurde. Ihr gehören neben dem BMVI und der Bundesnetzagentur große deutsche Telekommunikationsunternehmen und Verbände aus der Telekommunikationsbranche an.3

Indikator 51: Belege für die Regulierungsleistung, einschließlich der Wahrnehmung der Qualität der Regulierung durch Kommunikationsunternehmen, Verbraucherverbände und andere Organisationen

Ein Indiz für die Effektivität und Regulierungsleistung der Bundesnetzagentur kann bereits darin gesehen werden, dass sie stakeholderübergreifend akzeptiert wird. Als ein Beispiel für Kritik kann jedoch die im Jahr 2018 geäußerte Warnung der Mobilfunkunternehmen Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica vor zu scharfen Auflagen und zu hohen Kosten genannt werden, während andererseits aus der Politik kritisiert wurde, es fehle an wirksamen Sanktionen, wenn Auflagen nicht eingehalten werden; denn so werde der angestrebte flächendeckende Netzausbau nicht erreicht.4 Im Mai 2020 kritisierte der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO), die Bundesnetzagentur räume mit einer aktuellen Entscheidung faktisch den bestehenden Netzanschlüssen der Deutschen Telekom auf Kupferkabeln Vorrang gegenüber Glasfaseranschlüssen die bis in Gebäude führen (Fibre to the X, FTTB) ein.5



Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2020a).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2017).

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2017).

ZEIT Online (26.11.2018a).

Kommune 21 (2020).



C.4

Gibt es einen ausreichend wirksamen Wettbewerb in Kommunikationszugangsnetzen, um die Interessen der Nutzenden zu schützen?

Indikator 52: Anzahl der stationären und mobilen Breitbandanbietenden

Indikator 53: Marktanteile der stationären und mobilen Breitbandanbietenden

Die Zahl der stationären Breitband-Anschlüsse in Deutschland beträgt 34,6 Mio.1 Daran hat die Deutsche Telekom als Marktführer mit 13,6 Mio. stationärer Breitband-Kundschaft einen Anteil von 39,4 %. An zweiter Stelle folgt Vodafone, das mit der Übernahme von Unitymedia 2019 mit einer Kundschaft von nun knapp 10,6 Mio. einen Marktanteil von 30,6 % erreicht. Die nächsten Wettbewerbsteilnehmenden sind 1&1 mit 12,4 % und Telefónica mit 6,4 %.2 Daneben gibt es noch die kleineren Anbieter EWE-Gruppe mit 1,7 %, die Tele-Columbus mit 1,7 %, M-Net mit 1,4 %, NetCologne mit 1,2 %, Deutsche Glasfaser mit 0,6 %, sowie weitere kleine Wettbewerber, die zusammen 4,6 % des Marktes ausmachen.3

Auf dem Mobilfunkmarkt betrieben ursprünglich die vier Unternehmen Deutsche Telekom AG, Vodafone, die E-Plus Gruppe sowie Telefónica Germany (mit der Marke o2) eigene Mobilfunknetze. Mit der Übernahme der E-Plus Gruppe durch Telefónica Germany änderte sich dies und es blieben nur noch drei netzbetreibende Unternehmen.4 Mit dem Ende der 5G-Netz Auktionen im Juni 2019 ist gesichert, dass es mit der Drillisch Netz AG wieder ein viertes netzbetreibendes Unternehmen gibt, das ein eigenes Mobilfunknetz aufbauen wird.5

Der Marktanteil der gegenwärtig drei netzbetreibenden Unternehmen – gemessen am Anteil der insgesamt etwa 141 Mio. aktiven mobilen SIM-Karten in Deutschland – verteilt sich etwa gleichmäßig auf alle drei Wettbewerber. Während Telefónica mit 32,2 % nur unwesentlich mehr Marktanteile als die Deutsche Telekom AG mit 32,1 % hat, hat Vodafone mit einem Anteil von 35,7 % in dieser Hinsicht die Marktführung inne.6 Neben den erwähnten etablierten Unternehmen, die eigene Netze anbieten, gibt es noch mehr als 50 Mobilfunkprovider, die zum Teil von großen Supermarktketten (Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Penny) betrieben werden und die Netze der drei Netzbetreiber nutzen.7



Global werden diese Zahlen seit 2010 erhoben im Rahmen der Broadband Commission Reports von ITU und UNESC0 (siehe Broadband Commission Reports (2020c)).

VATM/Dialog Consult (2019).

Ebd.

Bundesnetzagentur (2020a).

Bundesnetzagentur (2019a).

VATM/Dialog Consult (2019).

Teltarif (2020).



Freie Inhalte

D.4

Fördert die Regierung die Nutzung offener Bildungsressourcen (OER) und erleichtert den offenen Zugang zu akademischen und wissenschaftlichen Ressourcen?

Indikator 54: Bildungspolitischer Rahmen bezüglich OER

Politisch wird OER (Open Educational Resources) in Deutschland gefördert. Finanziell und mit Blick auf einen breiten Kompetenzaufbau, der in der Ausbildung der Lehrkräfte beginnt und sich im Fort- und Weiterbildungsapparat systematisch niederschlägt, lässt sich Entwicklungspotenzial identifizieren. Zentral aktiv sind die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Kultusministerkonferenz1 hat in ihrem Strategiepapier von 2016/2017 Bildung in der digitalen Welt2 auf die zentrale Bedeutung von OER hingewiesen.

Die Förderung von offenen Lehr-/Lernmaterialien in Deutschland ist eng verknüpft mit dem politischen Vorantreiben der Digitalisierung der Bildung.3 Schon im Jahr 2015 hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe überdies ihre Empfehlungen zu Open Educational Resources veröffentlicht und schloss sich in diesen der Meinung großer internationaler Organisationen wie der UNESCO und der OECD bezüglich der großen Potentiale von OER an.4 Ab 2015 förderte die Bundesregierung dann durch das BMBF eine Vielzahl an Projekten5 im Bereich der Verankerung von OER im Bildungswesen, es entstanden OER-Barcamps6 und Repositorien als Plattformen für den Austausch,7 ebenso wie eine OER-Informationsstelle.8 Im Projekt Mapping-OER: Bildungsmaterialien gemeinsam gestalten entstand neben einer Ist-Analyse zum Stand der OER in Deutschland9 auch der Praxisrahmen mit Empfehlungen für die Weiterverbreitung für OER in Deutschland.10 Die aktuellste Bestandsaufnahme zum Status OER in Deutschland findet sich im Rahmen einer UNESCO-Studie.11

Diese zeigt deutlich, dass in Deutschland ein besonderes Hindernis für die OER-Praxis die gesetzlichen Bestimmungen zum geistigen Eigentum sind, die weitere Reformen benötigen. OER-Aktivitäten finden sich vor allen in den Bereichen Schule und Hochschule. Auf Landesebene wird die Hamburg Open Online University als das im Moment ambitionierteste und am besten geförderte OER-Projekt hervorgehoben, auf Bundesebene das OERinfo-Förderprogramm. Im Vergleich mit anderen Ländern, gab es in Deutschland in der Vergangenheit wenige Topdown- und viele Bottom-up-Initiativen, da das Thema auf der politischen Ebene lange vernachlässigt wurde, so die Ergebnisse der Studie.12

Deutschland hat sich außerdem aktiv am Erarbeitungsprozess der UNESCO-Empfehlungen zu OER beteiligt, die 2019 verabschiedet wurden. Zu den Empfehlungen gehören unter anderem die Entwicklung förderlicher politischer Rahmenbedingungen sowie die Förderung der Entwicklung von zukunftsfähigen Modellen für OER.13

Auch mit Blick auf einen gleichberechtigten und möglichst inklusiven Zugang zu Bildung im Bereich OER findet zunehmend Förderung statt. Für die Legislaturperiode bis 2021 ist die Erarbeitung einer nationalen OER-Strategie geplant, für die das BMBF die Federführung innehat.14 Außerdem hat die Bundesregierung im Rahmen des Projekts „OpenEduHub“, das aus Anlass der COVID-19-bedingten Schulschließungen aus Mitteln des BMBF gefördert wird, die Plattform „WirLernenOnline“ ins Leben gerufen. Eine innovative Suche ermöglicht dort den zentralen Zugriff auf mehr als 40.000 offen lizensierte Lernressourcen aus einer Vielzahl von Repositorien.

Im Rahmen des DigitalPakts Schule (2019-2024)15 mit einem Fördervolumen von 3,5 Milliarden Euro findet die Förderung von OER allerdings keinen Platz.

Innerhalb des Handlungsfeldes „Digitale Kompetenz“ ermöglicht der Bund mit dem „DigitalPakt Schule“ 43.000 Schulen schnelle Internetverbindungen und eine leistungsfähige digitale Lern-Infrastruktur.16 Für die Laufzeit 2019-2023 beträgt das Finanzvolumen der Bundesförderung sechs Milliarden Euro.17 Darüber hinaus wird, unter anderem durch Qualifizierung von Lehrkräften an Berufsschulen, mit den Programmen „Berufsbildung 4.0“ und dem Praxisdialog „Duale Ausbildung digital“ die Digitalisierung der Berufsbildung unterstützt.18 Bereichsspezifisch gefördert werden digitale Kompetenzen in Heilberufen, indem deren Berufsangehörige etwa für das Durchführen von Videosprechstunden ausgebildet und die Curricula entsprechend angepasst werden.19

Indikator 55: Regelungen für den Zugang zu akademischen und wissenschaftlichen Ressourcen für Hochschuleinrichtungen und Studierende

Nach der Definition des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beutet Open Access, „dass wissenschaftliche Publikationen der Allgemeinheit unentgeltlich über das Internet – etwa auf einer Webseite, in einer Onlinezeitschrift oder in einem sog. Repositorium – zur Verfügung gestellt werden.“20

Urheberrechtsinhabenden steht nach § 19a Urhebergesetz (UrhG)21 das Recht zu ihr Werk öffentlich zugänglich zu machen. Dazu zählt auch die Befugnis, das Werk im Internet unbeschränkt bereit zu stellen und als Open Access zu publizieren. Hochschulen bieten ihren Studierenden und ihrem wissenschaftlichen Personal, über das Hochschulnetzwerk oder ein Virtual Private Network (VPN) den Zugriff auf eine Vielzahl an Ressourcen an. Dafür schließen die Universitäten in der Regel Verträge mit den jeweiligen Verlagen.22 Die Ausgestaltung der Nutzungsbefugnisse erfolgt im Rahmen von Lizenzen.23 Auf die Art von Lizenz muss im online publizierten Werk ausdrücklich hingewiesen werden.24 Es gibt unterschiedliche Arten von Lizenzen. Neben der Creative-Commons-Lizenz (CC) gibt es die DIPP-Lizenzen, die Digital-Peer-Publishing-Lizenz, die DPPL, Modulare DPPL und Freie DPPL.25 Sie bieten die Möglichkeit, spezielle Regelungen zu treffen und beispielsweise gedruckte Exemplare von der Erlaubnis zur Verbreitung im Vornherein auszunehmen. Diese Vereinbarungen können mit der CC-Lizenz kombiniert werden.26

Der Umfang der Lizenz kann weiter spezifiziert und eingeschränkt werden (durch Urheberschafts-Nennung (BY), nichtkommerzielle Nutzung (NC); ein Bearbeitungsverbot (ND). Dann allerdings wird eine CC BY ND-Lizenz mitunter nicht mehr als offene Lizenz gewertet, weil die freie Bearbeitung der Materialien für viele Nutzende ein integraler Bestandteil von OER und Open Access ist. Die Deutsche UNESCO-Kommission hat einen Praxisleitfaden zur Nutzung von Creative-Commons-Lizenzen zur Verfügung gestellt.27

Urheberrechtsinhabende haben außerdem unter bestimmten Voraussetzungen ein sogenanntes Zweitveröffentlichungsrecht.28 Gemäß § 38 Abs. 1 UrhG29 dürfen Urheberrechtsinhabende ihr Werk nach Ablauf eines Jahres ab Veröffentlichung in einer Zeitschrift oder Reihe anderweitig veröffentlichen, wenn im Verlagsvertrag nichts anderes vereinbart wurde. Für wissenschaftliche Publikationen sieht § 38 Abs. 4 UrhG besondere Voraussetzungen vor.30

In den letzten Jahren werden verstärkt Open Access Publikationen gefördert. So bietet z.B. die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und inzwischen die überwiegende Mehrheit der deutschen Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstitutionen eine Förderung für Open Access Publikationen an.31

Ein Commitment der Regierung zu Open Access findet sich in der Open Access-Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.32

Insbesondere durch die COVID-19-Krise wurde die Bedeutung des möglichst diskriminierungsfreien Zugangs zu Onlineressourcen für die Gesellschaft und Bildung deutlich. Sowohl Unterricht an Schulen als auch Vorlesungen an Hochschulen und Universitäten fanden in dieser Zeit online statt. Verlage erweiterten ihr Angebot an verfügbaren Lehr- und Lernmaterialien für Hochschulen,33 stellten diese Angebote aber zuweilen auch wieder ein. Datenbanken wie JSTOR erweiterten ebenso die Zugangsmöglichkeiten zu Wissen.34



Kultusministerkonferenz (2020).

Kultusministerkonferenz (2016).

Siehe z.B. Bundesministerium für Bildung und Forschung (2016) – auch hier wird die Bedeutung der Förderung von OER hervorgehoben.

Kultusministerkonferenz, Bundesministerium für Bildung und Forschung (2015).

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2016c) und (2020d); nähere Informationen zu den Projekten auch in der Sonderausgabe des Fachmagazins Synergie der Universität Hamburg: Synergie Universität Hamburg (2018).

OER-Camp (2020).

OER Content Buffet (2020).

OERinfo (2020).

Wikimedia Deutschland (2015).

Wikimedia Deutschland (2016).

Orr, D., Neumann, J.; Muuss-Merholz, J.; UNESCO (2017).

Ebd., S. 9 ff.

UNESCO (2019c).

Deutscher Bundestag (2020).

DigitalPakt Schule (2019).

Die Bundesregierung (2019b), S. 13.

Ebd., S. 18.

Ebd., S. 13 f.

Ebd., S. 14.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2019).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (1965).

Herbold, A. (23.09.2019).

OERinfo (2020a).

OERinfo (2020).

Gesis (2020).

Hbz (2020).

Deutsche UNESCO-Kommission e.V.; Kreutzer, T.; Wikimedia Deutschland (2016).

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2019).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (1965).

[1] § 38 Abs. 4 UrhG: „(4) Der Urheber eines wissenschaftlichen Beitrags, der im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung erschienen ist, hat auch dann, wenn er dem Verleger oder Herausgeber ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, das Recht, den Beitrag nach Ablauf von zwölf Monaten seit der Erstveröffentlichung in der akzeptierten Manuskriptversion öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies keinem gewerblichen Zweck dient. Die Quelle der Erstveröffentlichung ist anzugeben. Eine zum Nachteil des Urhebers abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“

Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG (2020).

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2016b).

Freie Universität Berlin (2020b).

JSTOR (2020).



D.5

Verlangt die Regierung von Internetdienstanbietern, den Netzverkehr transparent, unparteiisch und neutral zu verwalten, ohne bestimmte Arten von Inhalten oder Inhalte aus bestimmten Quellen zu diskriminieren?

Indikator 56: Regulierungsvereinbarungen und -praxis bezüglich Netzneutralität und Wettbewerb für Online- und Netzdienste

Netzneutralität meint „Gleichbehandlung jeglicher Datenpakete während ihrer Übertragung im Internet”.1 Das bedeutet konkret: Die Internetdienstanbieter nehmen keine vorgeschaltete Bewertung vor, um die Datenübertragung zu beeinflussen.2 Sie gilt auch als fundamentales Prinzip des Internets. Das Thema wird in Deutschland aktuell im Kontext des 5G-Ausbaus kontrovers diskutiert.3 Mit der Aktualisierung der Body of European Regulators for Electronic Communication (BEREC) Guidelines on the Implementation of the Open Internet Regulation soll sichergestellt werden, dass auch durch einen 5G-Ausbau die Netzneutralität gewahrt wird.4

Die Bundesnetzagentur veröffentlicht jährlich einen Bericht zur Durchsetzung der Vorschriften über die Netzneutralität in Deutschland.5 Dabei werden überprüft: die Geschäftsmodelle und -praktiken der Unternehmen, insb. Zero-Rating-Angebote und Mobilfunk-Flatratetarife; das Verkehrsmanagement der Unternehmen, insb. Sicherheits- und Jugendschutzfilter, Anordnung einer DNS-Sperre aufgrund von Urheberrechtsverletzungen durch Dritte; Transparenzmaßnahmen, Datenübertragungsraten und Konsumierendenbeschwerden und die Effizienz eines Qualitätsüberwachungsmechanismus.6

Zudem informiert der Bericht über die Möglichkeit von Sanktionen.7 Formelle Entscheidungen zur Durchsetzung mussten von der Bundesnetzagentur im Berichtszeitraum nicht getroffen werden, da die Unternehmen die Verstöße gegen Netzneutralitätsgrundsätze freiwillig beendeten.8

Positiv hervorzuheben ist, dass es in Deutschland trotz stärkerer Nutzung von Telefon, Videokonferenzen und Streaming zu keiner Zeit zu einer Netzüberlastung gekommen ist.9

Die Vorschriften über die Netzneutralität sind in der Verordnung (EU) 2015/2120 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet10 niedergelegt. Ziel der Verordnung ist es: „gemeinsame Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Datenverkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten und damit verbundener Rechte der Endnutzer zu schaffen.“11 So sollen zum einen Nutzende geschützt werden aber auch die Infrastruktur des Internets als solche. Die Bundesnetzagentur ist für die Durchsetzung der Verordnung (EU) 2015/2120 über den Zugang zum offenen Internet zuständig. Die Jahresberichte konzentrieren sich auf die folgenden Themen: Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet, Transparenzmaßnahmen, Aufsicht und Durchsetzung sowie Sanktionen.12

Wettbewerb: In Deutschland besteht Wettbewerb zwischen mehreren Unternehmen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) will einen neuen Ordnungsrahmen für digitale Ökonomie schaffen.13 Dazu wurde ein Entwurf des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgelegt,14 um die Missbrauchsaufsicht über die marktmächtigen Digitalunternehmen zu stärken und die Regulierung für marktbeherrschende Unternehmen zu verschärfen. Gleichzeitig soll Innovation durch Chancengleichheit (Markt- und Datenzugang) gefördert werden. Das Bundeskartellamt wird mit Befugnissen ausgestattet, die es ermöglichen, unter geringeren Voraussetzungen einstweilige Maßnahmen zu ergreifen, um den Wettbewerb effektiv zu schützen. Fusionskontrolle soll erleichtert werden, wobei mittelständische Unternehmen entlastet werden sollen.15



Europäisches Parlament (2015).

Bundesnetzagentur (2018).

Rudl, T. (23.06.2020).

Body of European Regulators for Electronic Communication BEREC (2020).

Bundesnetzagentur (2020a).

Ebd., S. 6.

Ebd., S. 23 f.

Ebd., S. 23.

Ebd.

Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union, ABl. 2015, L 310/1. Alle Artikel ohne Bezugnahme auf ein Gesetz oder eine Verordnung sind solche der Verordnung (EU) 2015/2120.

Bundesnetzagentur (2020c).

Ebd.

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020d).

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020b).

Ebd.



Offene Daten und offene Verwaltung

E.1

Wurden Gesetze erlassen, die einen offenen Zugang zu öffentlichen und öffentlich finanzierten Daten mit angemessenem Schutz der Privatsphäre vorschreiben, und werden diese Gesetze umgesetzt?

Indikator 57: Vorhandensein eines rechtlichen Rahmens für den Zugang zu offenen Daten, der mit internationalen Normen und Anforderungen an den Schutz der Privatsphäre in Einklang steht

Ein Anspruch auf Information kann sich je nach Sachlage aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen ergeben. Ein allgemeiner Anspruch ergibt sich aus dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG),1 ausgestaltet als Auskunfts- oder Akteneinsichtsanspruch. Alle sind anspruchsberechtigt (Jedermannsrecht). Eine eigene rechtliche oder tatsächliche Betroffenheit muss nicht bestehen. Besondere Regelungen zum Informationszugang in Spezialgesetzen gehen dem Informationsfreiheitsgesetz vor und sperren einen Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Dies gilt unabhängig davon, ob die Spezialregelung enger oder weiter als das Informationsfreiheitsgesetz ist. Der Anspruch des Verfahrensbeteiligten auf Akteneinsicht, § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), stellt keine lex specialis-Regelung dar, sodass er neben dem Anspruch aus IFG gleichrangig bestehen bleibt.2

Der Anspruch nach IFG besteht nicht grenzenlos, sondern wird durch in §§ 3-6 IFG genannten Gründe eingeschränkt. Die von der Behörde entsprechend plausibel zu machenden Ausnahmen spiegeln auch die konkurrierenden Grundrechtspositionen aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG wider.3

Mit dem E-Government-Gesetz geht Deutschland einen weiteren Schritt in Richtung transparenten Regierungshandelns und Open Data.4 Regelungsinhalt des Gesetzes ist die Pflicht der Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung die von ihnen erhobenen unbearbeiteten Daten, sog. Rohdaten, zu veröffentlichen.5

Die Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung (2018)6 sieht vor, dass KI im Bereich der öffentlichen Verwaltung die Chance bietet, Informationen und Leistungen zielgerichteter, passgenauer und niedrigschwelliger für Bürgerinnen und Bürger sowie verwaltungsintern bereitzustellen.“ KI soll für hoheitliche Aufgaben genutzt und Kompetenzen der Verwaltung angepasst werden. Als Maßnahme sieht die Bundesregierung vor, beim weiteren Einsatz von KI in der Verwaltung eine Vorreiterrolle einzunehmen und damit zur Verbesserung von Effizienz, Qualität und Sicherheit von Verwaltungsdienstleistungen beizutragen. Dazu gehört auch die Bereitstellung offener Verwaltungsdaten für die uneingeschränkte Weiternutzung.7

Indikator 58: Belege dafür, inwieweit offene Datenquellen online verfügbar sind und genutzt werden

Mit GovData wurde in Deutschland ein Datenportal geschaffen, welches die von Bund-, Länder- und Kommunalverwaltungen bereitgestellten Daten bündelt und visualisiert.8 Die Daten werden in 13 Kategorien unterteilt und enthalten regelmäßig mehr als 1.000 Dokumente.9 Im Open Data Barometer der World Wide Web Foundation schneidet Deutschland gut ab. Insbesondere die Aspekte „Readiness“, also Bereitschaft des Staates, der Bevölkerung und der Unternehmen, bereitgestellte open data zu nutzen, ist hoch.10 Einen ähnlichen Wert erreicht Deutschland für den Faktor „Implementation“, der das Ausmaß, wie zugänglich, aktuell und transparent Daten der Regierung des Landes veröffentlicht werden, darstellt. Schlechter fällt der Wert für den „emerging impact“ aus, der bemisst, inwieweit das Veröffentlichen der Daten der Regierung messbare positive Effekte auf die Politik, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft hat.11



Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2005).

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020b).

Ebd.

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2013).

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020b).

Bundesregierung (2018d).

Ebd.

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020b).

Die einzelnen Kategorien sind weiter: „Bevölkerung und Gesellschaft“, „Bildung, Sport und Kultur“, „Energie“, „Gesundheit“, „Justiz, Rechtssystem und öff. Sicherheit“, „Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft und Nahrungsmittel“, „Regierung und öff. Sektor“, „Regionen und Städte,“ „Umwelt“, „Verkehr“, „Wirtschaft und Finanzen“ sowie „Wissenschaft und Technologie“; GOVDATA (2020).

OpenData Barometer, World Wide Web Foundation (2020).

Ebd.



E.2

Verfügen Regierungsabteilungen und lokale Regierungsbehörden über Websites, die in allen offiziellen Sprachen und mit allen gängigen Browsern verfügbar sind?

Indikator 59: Regierungspolitik zur Gewährleistung der Bereitstellung von Websites in geeigneter Sprache und mit geeignetem Browser-Zugang sowie Nachweise über die effektive Umsetzung

Auf der Ebene des Bundes ist Deutsch die einzige Amtssprache; dies ist in § 23 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz festgelegt.1 In einigen Regionen gibt es Regional- und Minderheitensprachen als optionale Amtssprachen.2

Die Websites des Bundes und der Länder sind, soweit erkennbar, mit allen gängigen Browsern nutzbar. Sie sind vorrangig in deutscher Sprache gehalten, bieten aber oft auch ausgewählte Inhalte auf Englisch und in anderen Fremdsprachen sowie in jenen Regional- und Minderheitensprachen, die im jeweiligen Bundesland gesprochen werden.

Das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen von 2002 hält die Träger öffentlicher Gewalt, also vor allem Bundes- und Landesministerien und ihnen nachgeordnete Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, dazu an, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern.3 Für die Nutzung von Informationstechnik wird dieses Ziel konkretisiert in der Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung - BITV 2.0). Danach sind u.a. Websites und andere Angebote, Anwendungen und Dienste der Informationstechnik barrierefrei zu gestalten.4

Dazu gehören auch Erläuterungen in Gebärdensprache und in leichter Sprache auf der Startseite eines Angebots. Bei leichter Sprache werden fast ausschließlich Hauptsätze verwendet. Zusammengesetzte Worte werden nicht zusammen geschrieben, sondern die einzelnen Bestandteile werden getrennt und mit Bindestrich verbunden, z.B. Bundes-Kanzlerin oder Bundes-Regierung.5 Auch die Bundeszentrale für politische Bildung, eine Einrichtung des BMI, bietet gezielt Inhalte in leichter Sprache an.6 Gemäß der Vorgabe der EU-Richtlinie 2016/2102 wurde eine Überwachungsstelle, die bei der Knappschaft Bahn See angesiedelt ist, eingerichtet. Ihr erstatten die obersten Bundesbehörden und die Bundesländer alle drei Jahre – erstmals zum 30. Juni 2021 – Bericht über den Stand der Barrierefreiheit ihrer digitalen Angebote.7

Indikator 60: Anteil der Regierungsdienste mit Websites (Wert/Ranking im Index der Online-Dienste der UNDESA)

Der von der UNDESA erhobene Wert des online services index (OSI), der die Nutzung von IKT durch Regierungen bei der Bereitstellung öffentlicher Dienste auf nationaler Ebene auf einer Skala von 0 bis 1 misst, ergibt für Deutschland für das Jahr 2018 einen Wert von 0,9306. Je höher dabei der Wert ist, desto besser ist das Ergebnis dieses Landes im Verhältnis zu anderen Ländern.8

Der zur Messung der E-Government Kapazitäten erhobene E-Government Development Index (EDGI), der Werte von 0.5 bis 1 skaliert, ergibt für das Jahr 2018 einen Wert von 0,8765 für Deutschland. Weltweit bedeutet dies den zwölf höchsten Wert. Insgesamt fällt Deutschland damit unter die im UN-weiten Vergleich als „very high“ eingestuften Länder in der Auswertung der Entwicklungen des E-Government.9 Interessant ist, dass Deutschland beim Gesamtwert (EGDI) von 2018 (Rang 12) zu 2020 (Rang 25) 13 Plätze verloren hat und damit den schlechtesten Rang seit der Messung 2003 bekommt. Insofern muss dieser Rang 25 eher kritisch gesehen werden. Generell sind die Werte Deutschland in diversen internetbezogenen Indizes dann beschränkt aussagekräftig, wenn verschiedene Werte – darunter wirtschaftliche Performance – aggregiert werden und digitalspezifische Subkategorien nicht disaggregiert werden.

Zu diesem Kapitel sind Empfehlungen für verschiedene Stakeholder in Kapitel 8 zusammengefasst.



Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (1976).

Vgl. etwa das Brandenburgische Gesetz über die Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden im Land Brandenburg, das in § 8 Abs. 2 dieser Minderheit das Recht zuspricht, sich in ihrem angestammten Siedlungsgebiet bei Einrichtungen des Landes und der Kommunen der niedersorbischen Sprache zu bedienen sh. Bravors Brandenburg (1994).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2002).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2011): § 3. Mit dem Behindertengleichstellungsgesetz und der aktualisierten Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung wird die EU-Richtlinie 2016/2102 umgesetzt, sh. Europäische Union (2016b).

Bundesregierung (2020e).

Bundeszentrale für politische Bildung (2020b).

Knappschaft Bahn See/Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (2020).

United Nations (2018a).

Ebd.



Zugang

Politischer, rechtlicher und regulatorischer Rahmen

A.1

Werden statistische Informationen über Zugang und Nutzung des Internets regelmäßig von den nationalen statistischen Systemen und/oder anderen zuständigen Behörden auf systematischer Basis gesammelt?

Indikator 61: Vorkehrungen für die Erhebung aggregierter und disaggregierter statistischer Informationen aus verschiedenen Quellen, einschließlich der Einbeziehung relevanter Fragen in Haushaltserhebungen

Statistische Informationen über Zugang zum und Nutzung des Internet werden regelmäßig vom Statistischen Bundesamt gesammelt. Gemäß der EU-Verordnung 808/2004 über Gemeinschaftsstatistiken ist Deutschland dazu verpflichtet, statistische Informationen zu Informations- und Kommunikationstechnologien zu erheben.1 Ab 2021 werden diese Erhebungen integriert in den Mikrozensus, eine repräsentative Haushaltsbefragung von jährlich 1 % der Bevölkerung, die seit mehr als 60 Jahren durchgeführt wird und Themen wie Familie, Lebenssituation, Beruf und Ausbildung erfasst. An 3,5 % der Personen, die am Mikrozensus teilnehmen, sollen dann einige Fragen zu Internetzugang und Internetnutzung gestellt werden, für die es nach dem Mikrozensusgesetz eine Auskunftspflicht gibt. Für weitere Merkmale werden freiwillige Angaben erhoben, z.B. Art, Häufigkeit und einzelne Zwecke der Internetnutzung. Zusätzlich wird es Fragen nach Bedenken und Hindernissen geben, die Personen von einzelnen Internetaktivitäten (z.B. Online-Käufe) abhalten. Auch über die Nutzung von IKT in Unternehmen sind in der Datenbank des Statistischen Bundesamtes weitere aggregierte Informationen öffentlich zugänglich.2

Indikator 62: Verfügbarkeit von unabhängigen Haushaltsbefragungen und anderen Nachweisen über den aggregierten Internetzugang und die Internetnutzung

Zu Internetzugang und -nutzung privater Haushalte gibt es spezielle Haushaltsbefragungen verschiedener Stellen. Seit 1997 wird im Auftrag von ARD und ZDF jährlich eine Umfrage durchgeführt, die möglichst genau die Nutzung des Internets in Deutschland im Zeitverlauf darstellen soll. Die Ergebnisse werden in der Zeitschrift Media Perspektiven dargestellt, die online frei zugänglich ist.3 Die Initiative D21, der zahlreiche Unternehmen angehören, führt seit 2001 regelmäßig Studien zum Digitalisierungsgrad der Gesellschaft in Deutschland durch; diese Ergebnisse werden im Internet veröffentlicht.4 Einen raschen Zugang zu Daten, die von Dritten publiziert wurden, bietet das private Unternehmen Statista, das solche Daten aufbereitet und zumeist kostenpflichtig erschließt.5



Vgl. zum Folgenden Hundenborn, J.; Enderer, J. (2019).

Destatis (2020).

sh. zuletzt Beisch, N.; Koch, W.; Schäfer, C. (2019).

Zuletzt Initiative D21 (2020).

Statista (2020).



A.4

Verfügt die Regierung über eine Politik und ein Programm zur Umsetzung des universellen Zugangs zu zuverlässigem, erschwinglichem Breitband, und wird dies effektiv umgesetzt?

Indikator 63: Verabschiedung einer Strategie für den universellen Zugang und Nachweis eines wirksamen Einsatzes der Ressourcen

In Deutschland wird der Breitbandausbau gefördert mit dem Ziel einer verbesserten flächendeckenden Versorgung. Bis Ende 2025 soll ganz Deutschland über Gigabit-Netze versorgt werden; bis 2021 sollen bereits alle Gewerbegebiete, Schulen und Krankenhäuser an das Gigabit-Netz angeschlossen werden.1 Der vom BMVI initiierte Breitbandatlas2 zeigt, welche Region mit welcher Technik und welcher Breitbandübertragungsrate versorgt wird. Zukünftig soll vor allem Glasfaser-Technologie verlegt werden. Hier ist Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern noch deutlich abgeschlagen. So hatten zum Beispiel Ende 2018 nur rund 88 % der Haushalte in Deutschland Zugang zu schnellem Internet mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s). Geplant war aber seit 2014, dass bis Ende 2018 alle Haushalte in Deutschland Anschlüsse mit Datengeschwindigkeiten von mindestens 50 Mbit/s3 zur Verfügung haben.

Indikator 64: Statistischer Nachweis der Fortschritte auf dem Weg zum universellen Zugang, aggregiert und disaggregiert unter besonderer Berücksichtigung z.B. von Geschlecht, Alter, Wohnort, ethnischer Zugehörigkeit und Behinderung

Der Breitbandausbau in Deutschland hinkt im internationalen Vergleich deutlich hinterher. Zwar hat sich die Geschwindigkeit der Internetanschlüsse in Deutschland in den vergangenen drei Jahren insgesamt verdoppelt, es gibt aber durchaus starke regionale Schwankungen mit Blick auf ländliche Regionen und die östlichen Bundesländer.4 Während Ende 2019 in Bremen, Hamburg und Berlin für etwa 98 % aller Haushalte schnelles Breitband-Internet (≥ 50 Mbit/s) verfügbar war, galt dies in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt nur für etwa 76-78 % der Haushalte.5

Laut einem Bericht des britischen Vergleichsportals "Cable.co.uk" liegt Deutschland mit einer durchschnittlichen Downloadrate von 25 MBit/s im weltweiten Vergleich weit abgeschlagen auf Platz 27.6 Das liegt vor allem am fehlenden Glasfaser: In Deutschland sind nur vier Prozent aller Haushalte mit einer Glasfaserleistung versorgt. Damit fällt das Land unter den OECD-Durchschnitt und reiht sich weit unten ein.7 Die zu geringe Geschwindigkeit gilt ebenso für mobile Daten wie für stationäre Internetanschlüsse.8 Auch was die Kostenstruktur angeht, belegt Deutschland keinen vorderen Platz: schaut man auf den Inclusive Internet Index 2020, belegt Deutschland in der Kategorie Affordability (diese Kategorie untersucht die Zugangskosten im Verhältnis zum Einkommen und den Grad des Wettbewerbs auf dem Internet-Marktplatz) nur Platz 20 von 100.9

Trotzdem verzeichnet Deutschland im Jahr 2019 gut 35 Millionen Breitbandanschlüsse, und damit seit Jahren ein stetes Wachstum. Die überwiegende Mehrheit davon sind noch immer DSL-Anschlüsse (etwa 25 Millionen in 2019).10 Während im Jahr 2000 nur 25 % der Haushalte in Deutschland Zugang zum Internet hatten, sind es in 2019 knapp 90 %.11 Unter den 14- bis 49-jährigen Deutschen nutzen mittlerweile nahezu 100 % das Internet. Der Zugang zum Internet ist auch abhängig vom Bildungsabschluss: von den Personen mit Abitur haben 96 % Zugang zum Internet, aber nur 72 % der Personen mit Hauptschulabschluss.12

Neben der Suche nach Informationen über Waren und Dienstleistungen gehören hierzulande laut Statistischem Bundesamt der Versand von E-Mails zu den beliebtesten Aktivitäten im Internet, hinzukommt außerdem die Teilnahme an sozialen Netzwerken und Online-Banking.13

Außerdem hat die Bundesregierung entschieden, die Prinzipien des von Berners-Lee im Jahre 2018 vorgeschlagenen Contract for the Web14 zu unterstützen. Zuvor haben die Regierungsparteien bereits verabredet, dass es bis 2025 einen Rechtsanspruch auf einen Zugang zu schnellem Internet geben soll.15 Schon 2013 hatte der Bundesgerichtshof in einem Urteil die hohe Bedeutung des Zugangs zum Internet betont.16 Als Instrument der Teilhabe ist der Internetzugang anteilig auch im Warenkorb für Sozialhilfe mit einbezogen.17



Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2020a).

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2020b).

Delhaes, D. (16.06.2019).

Verivox (2019b).

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2019), S. 7; Vollversion: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2019a).

Cable UK (2020).

OECD (2019b).

Speedtest (2020).

The Inclusive Internet Index 2020 (2020).

VATM/Dialog Consult (2019), S.11.

ITU (2018a) auch bei Eurostat (2019a).

VIR Verband Internet Reisevertrieb (2020), S. 37.

Aufgeschlüsselt nach Geschlecht (keine großen Abweichungen) hier: Statistisches Bundesamt (2020a);
aufgeschlüsselt nach Alter (große Varianz) hier: Statistisches Bundesamt (2020d).

Contract for the Web (2019).

Bundesregierung (2018e).

Bundesgerichtshof (2013).

Im Teilbereich der Nachrichtenübermittlung, vgl. die Begründung im Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuchs: Deutscher Bundestag (2016b).



Konnektivität und Nutzung

B.1

Welcher Anteil der Bevölkerung nutzt das Internet, mit welcher Häufigkeit, und wächst dieser Anteil?

Indikator 65: Anteil der Personen, die jemals Zugang zum Internet hatten, aggregiert und disaggregiert

Die Zahl der Personen (im Alter von 16-74 Jahre), die noch nie das Internet genutzt haben, fällt für Deutschland mit 5 % für 2019 vergleichsweise gering aus. 2008 betrug der Anteil noch 20 %, er ist also seitdem um 15 Prozentpunkte gesunken.

Am höchsten ist der Anteil derer, die noch nie das Internet genutzt haben, bei Menschen in höherem Alter (ab 54 bis 74 Jahre). Jedoch ist der Anteil der Personen in dieser Altersgruppe, die noch nie in ihrem Leben das Internet genutzt haben, seit 2008 von 50 % auf nur noch 15 % in 2018 gesunken.1

Bei Personen mit keiner oder einer niedrigen formalen Bildung ist der Anteil derer, die noch nie das Internet genutzt haben, mit 11 % noch relativ hoch; demgegenüber gibt von den Personen mit hoher formaler Bildung nur 1 % an, noch nie das Internet genutzt zu haben. Bezogen auf das Verhältnis der Land- zur Stadtbevölkerung gibt es mit 5 % bzw. 4 % der jeweiligen Personengruppe kaum einen Unterschied.2 In der Gruppe der Personen, die das Internet nicht nutzen stellen Erwerbslose mit 7 % eine deutlich sichtbare und zu große Gruppe dar.

Indikator 66: Anteil der Haushalte mit Internetzugang

Das statistische Bundesamt berichtet für den Anteil der Haushalte mit Internetzugang in Deutschland 2019 einen Wert von 91 %, das bedeutet einen Anstieg von 18 % seit 2009. Von den Haushalten mit einer Person ohne Kind haben nur in 84 % der Fälle einen Internetzugang, während 93 % der Zweipersonen-Haushalte ohne Kind und sogar 100 % der Dreipersonen-Haushalte ohne Kind einen Internetzugang haben. 99 % der Haushalte mit einer erwachsenen Person und mindestens einem Kind und 100 % der Haushalte mit zwei Personen und mindestens einem Kind haben einen Internetzugang. Auch in Bezug auf das monatliche Nettoeinkommen eines Haushalts zeigen sich Unterschiede des Internetzugangs. So haben Haushalte mit einem Nettomonatseinkommen unter 1.500 Euro nur zu 80 % einen Internetzugang, Haushalte mit einem Monatsnettoeinkommen von mehr als 3.600 Euro hingegen zu 99 %.3

Indikator 67: Anzahl der Internetnutzenden pro hundert Personen, aggregiert und disaggregiert, nach Nutzungshäufigkeit

In Deutschland nutzen laut Statistischem Bundesamt 91 % der Bevölkerung das Internet. Davon hatten 88 % das Internet zum Befragungszeitpunkt im 1. Quartal 2019 innerhalb der letzten drei Monate genutzt, 1 % vor mehr als drei Monaten aber innerhalb des letzten Jahres und 2 % vor über einem Jahr. Bei den 16-24-Jährigen gaben sogar 100 % an, das Internet zu nutzen. Unter den 10-15- sowie 25-44-Jährigen waren es je 99 %, bei den 45-64-Jährigen lag der Anteil bei 96 %. Mindestens 65-Jährige nutzen das Internet mit 67 % am seltensten.4 Eine ausführliche Behandlung dieser Werte findet sich auch bei Indikator 83.

Indikator 68: Anzahl der sozialen Medien (soziale Netzwerke, Mikroblogs, Messaging, nutzenden generiertes Videostreaming) Nutzende pro hundert Personen, aggregiert und disaggregiert

Im Hinblick auf die Erfassung des Nutzungsverhaltens auf Social Media wird vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) zwischen den drei Kategorien „Netzwerke, Blogs und Communities“, „Social Media Plattformen“ (zum Austausch von Bildern, Videos und Musik) und „Messenger-Diensten“ unterschieden. Von dieser Unterteilung ausgehend kann festgestellt werden, dass 79 % der Bevölkerung „Netzwerke, Blogs oder Communities“ nutzen, 53 % davon mindestens täglich. 88 % nutzen „Social Media Plattformen“ wie Instagram, YouTube, Spotify oder Snapchat, 92 % „Messenger-Dienste“ wie WhatsApp. Diese Zahlen haben sich gegenüber der vergleichbaren Erhebung im Jahre 2018 kaum verändert.5

Indikator 69: Anzahl der Besuche von Social-Media-Websites (wie oben definiert) pro hundert Personen

Genaue Zahlen zu der Anzahl aller Besuche auf Seiten von Sozialen Medien liegen für Deutschland nicht vor. Deshalb wird an dieser Stelle auf andere, nur teilweise äquivalente Daten zurückgegriffen. Während die Zahl der Nutzenden Sozialer Medien sich 2019 im Vergleich zu 2018 kaum verändert hat, hat die Nutzungsdauer Sozialer Medien erheblich zugenommen, wobei es Nutzenden zunehmen schwerfällt, diese richtig einzuschätzen. An Werktagen haben diesen Zahlen zufolge Frauen durchschnittlich 106 Minuten am Tag Soziale Medien genutzt, was einen Anstieg von 28 Minuten im Vergleich zu 2018 bedeutet, während Männer durchschnittlich 81 Minuten auf Sozialen Medien an Werktagen verbringen, das sind 16 Minuten mehr pro Tag als 2018.6

Daten für die Nutzungsdauer Sozialer Medien in 2019 sind noch nicht veröffentlicht. Die Daten, die Ende 2017 erhoben wurden, zeigen indes, dass je jünger die Altersgruppe ist, desto höher die Nutzungsdauer ausfällt. So haben die 14-24-Jährigen 2018 durchschnittlich 99 Minuten pro Tag mit Sozialen Medien verbracht, während die 55-69-jährigen Nutzenden lediglich 57 Minuten pro Tag für Soziale Medien verwendet haben.7

Bezogen auf den Anteil der Nutzenden an den beliebtesten Social-Media Plattformen zeigt sich, dass mit großem Abstand WhatsApp (69 %) die höchsten Nutzendenzahlen vor YouTube (55 %), Facebook (49 %), Instagram (25 %) und auch Twitter (13 %) aufweist.8

Insgesamt zeigt sich damit ein Trend zu einer erhöhten Nutzungsdauer auf sozialen Medien in der gesamten Bevölkerung, der auch immer jüngere Menschen durch Apps wie TikTok erreicht und gleichzeitig auch ältere Menschen durch bereits etablierte Netzwerke wie Facebook auf Plattformen und Websites miteinander verbindet.9



Eurostat (2019b).

Ebd.

Statistisches Bundesamt (2019f), S. 10.

Ebd., S. 14.

Borchers, D. (17.10.2019); BVDW (2018), S. 49.

Ebd.

Ebd.

Hasebrink, U.; Hölig, S. (2020), S. 71.

Borchers, D. (17.10.2019).



B.3

Welcher Anteil der Bevölkerung abonniert Kommunikations-/Breitbanddienste, und nimmt dieser Anteil zu?

Indikator 70: Prozentualer Anteil der Personen, die ein Mobiltelefon besitzen, aggregiert und disaggregiert

Während im Hauptindikator nach „Abonnierenden“ von Kommunikations- und Breitbanddiensten gefragt wird, sind auf Grundlage der erhobenen Daten die unterschiedlichen Zuschreibungen als Besitzende/Abonnierende und nichtabonnierende Nutzenden nicht disaggregiert ablesbar.

Die Verbrauchs- und Medienanalyse (VuMA) 2020 kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland 91,1 % der Menschen über 14 Jahre mit einem Mobil- bzw. Smartphone ausgestattet sind.1 Dies bedeutet einen Anstieg von 0,5 Prozentpunkte im Vergleich zur VuMA 2019.2

In den Altersgruppen zwischen 14 und 49 Jahren benutzen rund 99 % der jeweiligen Altersgruppe ein Mobiltelefon. Bei Personen ab 50 Jahren fällt die Mobilfunknutzung geringer aus. In der Altersgruppe 50 bis 59 nutzen noch 95,8 % ein Mobiltelefon, in der Altersgruppe der 60 bis 69-Jährigen sind es 89,9 %, und in der der 70-Jährigen und Älteren lediglich 64.5 %.3 Auffällig ist zudem, dass unter den 70 Jahre und älteren der Anteil der männlichen Smartphone Nutzenden mit 71,7 % den Anteil der weiblichen mit 59,2 % stark übersteigt, während in den anderen Altersgruppen der Anteil jeweils ähnlich hoch ist bzw. die Frauen einen höheren Anteil ausmachen.4

Indikator 71: Anzahl der stationären Breitbandabonnements pro hundert gemeldeten Personen, aggregiert und disaggregiert

Zunächst ist festzuhalten, dass in Deutschland 91 % der Haushalte einen festen Internetzugang haben, 90 % der Haushalte verfügen über einen stationären Breitbandanschluss.5 Da die Anzahl der Haushaltsmitglieder variiert, lässt sich die Anzahl der stationären Breitbandabonnements pro tausend Personen nicht ermitteln.

Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass in den westlichen Bundesländern (91 %) ein höherer Anteil der Haushalte ein stationäres Breitbandabonnement besitzt als in den östlichen Bundesländern (87 %). Dies kann aber auch dadurch erklärt werden, dass der Osten ländlicher ist, die Bevölkerung älter ist und die Renten geringer sind. Hier kumulieren möglicherweise die „Divides“ Alter, Stadt/Land und Einkommen.

Auch hinsichtlich der Haushaltseinkommen variiert die Verfügbarkeit einer Breitbandverbindung: Haushalte mit einem Nettoeinkommen von unter 1.500 Euro verfügen zu 79 % über eine stationäre Breitbandverbindung, bei 1.500 bis 2.300 Euro sind es 88 %, ab 2.300 bis 3.600 Euro 94 % und bei Haushalten mit einem Nettoeinkommen von mindestens 3.600 Euro liegt der Anteil bei 98 %.6

Indikator 72: Anzahl der einzelnen aktiven mobilen Breitband-Abonnierenden pro hundert Personen, nach Bandbreite, aggregiert und disaggregiert

Zur mobilen Breitbandnutzung ergibt sich aus Daten der OECD vom 2. Quartal 2019, dass es in Deutschland pro 100 Personen 87 mobile Breitbandabonnements mit einer Datengeschwindigkeit von mindestens 256 kbit/s gibt, mit denen in den letzten drei Monaten auf das Internet zugegriffen wurde.7

Anhand der Aufschlüsselung der Verbindungsgeschwindigkeiten, die in den Abonnements der Nutzenden von mobilem Internet enthalten sind, ergibt sich seit 2017 ein Anstieg der LTE-Technik (4G). Gab es 2017 erst 44,9 Mio. LTE-Abonnements und 64,8 Mio. Abonnements mit UMTS/GSM-Technik (3G und 2G), hatten 2019 bereit 59,1 Mio. Menschen ein LTE-Abonnement. Der Anteil der LTE-Technik an den mobilen Abonnements ist folglich von 41 % auf 55 % gestiegen.8



VuMA (2020), S.50. Es ist zu berücksichtigen, dass diese Befunde auf vier Erhebungswellen von Oktober 2017 bis April 2019 basieren, sh. S. 108.

VuMA (2019), S. 60. Hier basieren die Befunde auf vier Erhebungswellen zwischen Oktober 2016 bis März 2018, sh. Anhang S. II.

VuMA (2020) unter der Auswahl: „Persönliche Nutzung Handys/Smartphones: Ja“.

Ebd., unter der Auswahl: „Persönliche Nutzung Handys/Smartphones: Ja“ + „Geschlecht“.

Statistisches Bundesamt (2018a), S. 10 f.

Ebd.

OECD (2020).

Bundesnetzagentur (2019), S. 58.



B.4

Welche Zugangsbarrieren werden von Nutzenden und Nicht-Nutzenden des Internets identifiziert?

Indikator 73: Wahrnehmungen (von Nutzenden und Nicht-Nutzenden) von Barrieren für ihren Internetzugang und ihre Internetnutzung, aggregiert und disaggregiert, aus Haushaltsbefragungen und/oder anderen Quellen

Daten über die Wahrnehmung von Internetnutzenden einerseits und Nicht-Nutzenden, also Menschen ohne Internetzugang andererseits, liegen insbesondere durch ein „jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft“ der Initiative D21 vor. Der jüngste Bericht für die Jahre 2019/2020 basiert auf mehr als 20.000 Interviews mit deutschen Staatsangehörigen ab 14 Jahren, die zwischen August 2018 und Juli 2019 geführt wurden.1

Von den Befragten waren 14 % Nicht-Nutzende. Von ihnen werden als Hauptgründe für die Nichtnutzung des Internets vor allem ein generelles Desinteresse am Internet bzw. am Medium selbst genannt (78 %), eine Einstufung der Nutzung des Internets als zu kompliziert (33 %) und die Erwartung, durch die Internetnutzung keinen Vorteil ziehen zu können (30 %). Deutlich seltener genannt werden Bedenken hinsichtlich der Sicherheit (12 %) oder das Gefühl, im Internet überwacht zu werden (10 %). Diese Besorgnis wird in den östlichen Bundesländern von 21 % der Nicht-Nutzenden genannt, in den westlichen Bundesländern nur von 5 %.2

Nicht nur Nicht-Nutzende, sondern auch Menschen, die das Internet nutzen, nehmen Hindernisse zum Internetzugang wahr. Unter den Erwerbstätigen nutzten zum Zeitpunkt der Befragung nur rund 15 % Telearbeit, Homeoffice oder mobiles Arbeiten. Diejenigen, die dies nicht nutzen, geben als Gründe dafür an, dass es in ihrem Beruf nicht möglich sei (60 %) oder es in ihrem Unternehmen nicht möglich sei (30 %). Nur 15 % (Rückgang um 11 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr) geben an, kein Interesse an den Möglichkeiten zur mobilen Arbeit haben.3 Durch die COVID-19-Pandemie dürfte sich allerdings die Verbreitung des mobilen Arbeitens bei Büroangestellten mindestens vorübergehend erheblich geändert haben.

Von Corona wird auch in Deutschland ein nachhaltiger Homeoffice-Schub ausgehen. So zeigen Zahlen aus einer Studie des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation, dass die Homeoffice-Nutzung zu Beginn der Pandemie bei berufstätigen Internetnutzenden um rund 8 Prozentpunkte gestiegen ist. Vor allem aber die Häufigkeit der Homeoffice-Nutzung hat zugenommen. Bei vielen der Befragten, die nun während der Pandemie erstmals in Homeoffice waren, erlaubte dies zuvor der Arbeitgeber nicht.4

In Bezug auf mögliche Barrieren für Menschen mit Behinderung gibt es keine aktuellen Umfragewerte. Jedoch legt das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) in § 12 a Abs. 1 BGG fest, dass öffentliche Stellen des Bundes ihre Websites und mobile Anwendungen barrierefrei gestalten sollen. Darüber hinaus soll es gem. § 5 BGG auch Zielvereinbarungen geben zwischen Unternehmen und Unternehmensverbänden einerseits und Verbänden von Behinderten andererseits, wie Barrierefreiheit hergestellt werden soll.5



Initiative D21 (2020), S. 6.

Ebd., S. 18.

Ebd., S. 50.

Stürz et al. (2020).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2002).



Erschwinglichkeit

C.1

Sind Mobiltelefone mit Internet-Anschlussmöglichkeit für alle Bevölkerungsgruppen erschwinglich?

Indikator 74: Kosten für a) Mobiltelefone der Einstiegsklasse und b) Smartphones in Prozent des monatlichen BNE pro Kopf

In Deutschland bezahlte man 2019 laut Angaben des Home Electronics Index im Durchschnitt 48 Euro für ein neues Mobiltelefon und 492 Euro für ein Smartphone. Im Vergleich zum Vorjahr hat der Preis für Mobiltelefone um 11,5 % abgenommen, der Preis der Smartphones um 0,7 % zugenommen.1

Im Jahr 2019 machte der Preis eines neuen Mobiltelefons somit 1,6 % des durchschnittlichen monatlichen Bruttonationaleinkommens (BNE) pro Kopf aus. Für ein neues Smartphone lag dieser Anteil bei 13,9 %.2

Indikator 75: Wahrnehmung der Erschwinglichkeit durch Nutzende und Nicht-Nutzende, aggregiert und disaggregiert

Eine 2019 von verivox durchgeführte Studie stellte fest, dass knapp ein Viertel der 18-29-Jährigen (23 %) 801-1.000 Euro für ein neues Smartphone ausgeben würde. Bei den 30-49-Jährigen lag die Akzeptanz eines so hohen Preises bei 7 %, bei den 50-69-Jährigen lediglich bei 2,4 %.3

In einer 2019 durchgeführten Marktstudie gaben 47,5 % der befragten Personen an, beim Kauf eines neuen Smartphones oder Mobiltelefons eher auf den Preis als auf die Marke des Geräts zu achten. 40,4 % achteten hingegen vorrangig auf die Marke des Smartphones, 12,1 % konnten dies nicht beurteilen.4



BVT/gfu Consumer/Home Electronics GmbH/GfK (2019), S. 3.

Berechnet auf Grundlage von: Statistisches Bundesamt (2019d), S. 18: 42.545 Euro Bruttonationaleinkommen pro Person – 3.545 Euro monatlich.

Verivox (2019).

VuMA (2020), S. 3.



C.2

Sind der Zugang und die Nutzung von Breitband für alle Bevölkerungsgruppen erschwinglich?

Indikator 76: Monatliche Kosten für einen stationären Breitbandanschluss der Einstiegsklasse und die Nutzung als Prozentsatz des monatlichen BNE pro Kopf

Indikator 77: Monatliche Kosten für eine mobile Breitbandverbindung der Einstiegsklasse und deren Nutzung in Prozent des monatlichen BNE pro Kopf

Indikator 78: Verfügbarkeit oder Nichtverfügbarkeit eines Nulltarif- oder kostengünstigen Zugangs

Die Europäische Kommission hat zuletzt im Jahr 2018 länderspezifische Preise standardisierter Angebote für stationäre Breitbandanschlüsse zusammengetragen. In Deutschland lag das günstigste Angebot bei 19,29 Euro pro Monat. Für einen Anschluss mit 30-100 Mbit/s waren in Deutschland mindestens 24,12 Euro zu zahlen. Internetverbindungen mit schneller Downloadgeschwindigkeit (mindestens 100 Mbit/s) kosteten mindestens 27,33 Euro monatlich.1 Bei einem durchschnittlichen monatlichen BNE pro Kopf von 3.454 Euro2 machte das günstigste Breitbandangebot einen Anteil von 0,6 % aus. Das Abonnement einer Internetverbindung mit mindestens 100 Mbit/s war für 3,7 % des monatlichen BNE pro Kopf zu erwerben.

Im Jahr 2019 hat die Europäische Kommission ebenfalls die länderspezifischen Preise für mobile Breitbandanschlüsse in Form von standardisierten „user baskets“ zusammengetragen. Der günstigste Nutzendenwarenkorb (Warenkorb 1) beinhaltete 100 MB Datenvolumen, 30 Anrufe und 20 SMS und kostete in Deutschland 5,98 Euro pro Monat. Angebote mit 500 MB Datenvolumen, 100 Anrufen und 40 SMS waren für 7,98 Euro pro Monat zu haben. Der günstigste Preis für ein Angebot, das 1 GB Datenvolumen, 300 Anrufe und 80 SMS umfasste, betrug 9,95 Euro.3 Damit sind die Preise für mobilen Internetzugang im Vergleich zum Vorjahr gesunken (Beispiel Nutzendenwarenkorb 1: kostete 2018 ca. 8 Euro, 2019 ca. 6 Euro).

Das Abonnement des günstigsten Nutzendenwarenkorbs macht einen Anteil von 0,2 % am durchschnittlichen monatlichen BNE pro Kopf aus.4 Bei der Nutzung des 1 GB-Angebots liegt dieser Anteil bei 0,3 %.

Dem Smart City Index von Bitkom zufolge konnten die Bevölkerung und Gäste im Jahr 2019 in 89 % der deutschen Städte auf kostenloses öffentliches WLAN zugreifen. Ein solcher Netzzugang wurde jedoch nur von 17 % der Städte auch außerhalb der Innenstadt angeboten und in lediglich 38 % der Städte ist das öffentliche WLAN hinsichtlich Daten- und Zeitrahmen unlimitiert.5 Insgesamt gibt es 29.797 öffentliche Hotspots in Deutschland.6



Europäische Kommission (2018), S. 27 ff.

Statistisches Bundesamt (2019d), S. 3.

Europäische Kommission (2019), S. 64.

Statistisches Bundesamt (2020d), S. 3.

Bitkom (2020a), S. 13.

Europakarte.org (2020).



Gleichberechtigter Zugang

D.1

Gibt es signifikante Unterschiede beim Breitbandzugang und der Breitbandnutzung zwischen Regionen sowie zwischen städtischen und ländlichen Gebieten?

Indikator 79: Geografische Abdeckung von Breitbandnetzen in städtischen und ländlichen Gebieten, nach Bandbreitenniveau

Ergebnissen von 2019 zufolge liegt die Verfügbarkeit von Breitbandinternet für Haushalte in Deutschland für Verbindungen mit mindestens 16 Mbit/s bei 94,6 %, mit mindestens 50 Mbit/s bei 90,2 % und mit mindestens 1.000 Mbit/s bei 34,1 %.1

Geografisch lassen sich Unterschiede bei der Breitbandverfügbarkeit feststellen, wie folgende Grafik zeigt.

Als ländlich werden hier Gemeinden mit einer Bevölkerung unter 100 Personen/km² bezeichnet; halbstädtisch sind Gemeinden mit einer Bevölkerung ab 100 Personen/km²; als städtisch gelten Gemeinden ab 500 Personen/km².2

Eine nähere Differenzierung nach Breitbandkategorien und Raumkategorien zeigt auf, dass in Landgemeinden und Kleinstädten mit weniger als 10.000 Personen mehr als 10 % der Haushalte nicht über einen Breitbandzugang mit 16 Mbit/s und mehr verfügen:

Indikator 80: Anzahl der mobilen Breitbandabonnierenden und der Internetnutzenden, aggregiert und wenn möglich aufgeschlüsselt nach städtischen und ländlichen Gebieten und in verschiedenen Regionen

In Deutschland gibt es 70.527.905 mobile Breitbandanschlüsse3 und im Durchschnitt 85 Verträge je 100 gemeldeten Personen.4 Hinsichtlich der Übertragungsrate erzielen Mobilfunknutzende in städtischen Gebieten ein besseres Ergebnis als in halbstädtischen; in ländlichen Gebieten sind die durchschnittlich erzielten Übertragungsraten am geringsten.5



Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2019a), S. 7.

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2019), S. 13.

OECD (2019a).

Europäische Kommission (2018), S. 6.

Breitbandmessung (2020), S. 50.



D.5

Anteil der Erwachsenen in verschiedenen Altersgruppen, die das Internet nutzen, sowie Häufigkeit und Art der Nutzung, einschließlich einer Aufschlüsselung nach Geschlecht

Indikator 81: Anteil der Erwachsenen in verschiedenen Altersgruppen, die das Internet nutzen, sowie Häufigkeit und Art der Nutzung, einschließlich einer Aufschlüsselung nach Geschlecht

Laut den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes von 2019 nutzen 91 % der Deutschen das Internet, bei der männlichen Bevölkerung sind es 93 %, bei der weiblichen Bevölkerung 88 %. Der Großteil der Deutschen (90 %) nutzt das Internet jeden oder fast jeden Tag. Junge Menschen nutzen das Internet tendenziell häufiger als ältere Menschen. Deutliche Diskrepanzen hinsichtlich des Geschlechts lassen sich lediglich bei den mindestens 65-jährigen feststellen: Von ihnen nutzen 75 % der Männer und 60 % der Frauen das Internet.1

Am häufigsten nutzen die Deutschen, die innerhalb der letzten drei Monate online waren, das Internet zum Senden und Empfangen von E‑Mails, zur Suche nach Informationen über Waren und Dienstleistungen, zum Tätigen von Einkäufen oder Bestellungen für den privaten Gebrauch, zur Nutzung von Sofortnachrichtendiensten und zum Lesen von Online-Nachrichten/-Zeitungen und -Zeitschriften. Deutliche Unterschiede nach Geschlecht von mindestens 10 % gibt es lediglich bei der Suche nach Informationen zu Gesundheitsthemen, die 77 % der Frauen, aber nur 59 % der Männer nutzen.

Indikator 82: Wahrnehmung der Barrieren für den Internetzugang und die Internetnutzung sowie des Wertes des Internetzugangs und der Internetnutzung für Nutzende (sofern verfügbar), aufgeschlüsselt nach Alter und Geschlecht

Laut dem Digitalindex der D21 Initiative nutzten im Jahr 2019 86 % der Deutschen im Alter ab 14 Jahren das Internet, das waren 2 % mehr als im Vorjahr. Mobiler Internetzugang wurde von 74 % genutzt (6 % mehr als im Vorjahr).2 Zwischen der Nutzung durch höher Gebildete (97 % Internetnutzung) und Personen mit mittlerem Bildungsstand (92 % online) gab es kaum Diskrepanzen, während gering Gebildete lediglich zu einem Anteil von 64 % das Internet nutzten.3 Dies lässt sich jedoch damit erklären, dass etwa 50 % der Personen in dieser Gruppe älter als 60 Jahre und weiblich sind – beides Gruppen mit einer unterdurchschnittlichen Internetnutzung.

14 % der Befragten nutzen das Internet nicht.4 Als Hauptgrund der Nichtnutzung wird mit 78 % mangelndes Interesse am Internet angegeben, welches bei Männern mit 81 % etwas häufiger vertreten ist als bei Frauen (76 %). Als Top 3 Faktoren, die die Nicht-Nutzenden zu einer Nutzung des Internets motivieren könnten, werden die Erkennung eines klaren Vorteils (25 %), eine Einführung in die Funktionsweise des Internets (17 %) und eine einfachere Nutzung (17 %) genannt.5

Erhebungen des Statistischen Bundesamtes stellten zudem fest, dass 8,9 % der deutschen Haushalte 2019 nicht über einen Internetzugang verfügten.6 Der häufigste Grund für einen fehlenden Internetzugang war mangelnder Bedarf (67 %), gefolgt von mangelnden Kenntnissen (42 %), zu hohen Anschaffungs- (22 %) und Nutzungskosten (20 %), Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Schutz der Privatsphäre (19 %) und der Möglichkeit, von einem anderen Ort auf das Internet zugreifen zu können (11 %). Die Unverfügbarkeit eines schnellen Internetzugangs in der Region gab kein Haushalt als Grund an.7

Von den Befragten der D21-Studie, die das Internet nutzen, waren 46 % der Meinung, dass es negative Auswirkungen auf das tägliche Leben hätte, wenn es das Internet und digitale Geräte morgen nicht mehr gäbe.8 Bei den 14-19-Jährigen stimmen sogar 86 % dieser Aussage zu. Davon, dass man in spätestens fünf Jahren ohne das Internet kaum noch auskommen wird, sind 76 % der Befragten überzeugt. Eine starke oder sehr starke Veränderung durch die Digitalisierung wird vor allem in dem Bereich des Einkaufs von Waren und Dienstleistungen erwartet (71 %). 14-19-Jährige erwarten diese Veränderung mit 85 % noch stärker als die Gesamtbevölkerung. Die Digitalisierung wird generell von 41 % aller Befragten als eher positiv bewertet. Im medizinischen Bereich/dem Gesundheitswesen erwarten 69 % der Befragten starke bis sehr starke Veränderungen, 48 % bewerten dies als eher positiv. Auch im Bildungswesen erwarten mit 65 % fast zwei Drittel der Befragten altersunabhängig starke oder sehr starke Veränderungen, was von 50 % aller Befragten als eher positiv wahrgenommen wird.9



Statistisches Bundesamt (2019e), S. 14 f.

Initiative D21 (2020), S. 12.

Ebd., S. 14.

Ebd., S. 18 f.

Ebd., S. 19.

Statistisches Bundesamt (2019e) - Berechnet auf Grundlage der Haushaltshochrechnungen auf S. 9 – 3.637 von 40.802 Haushalten.

Ebd., S. 12.

Initiative D21 (2020), S. 32 f.

Ebd.



Lokale Inhalte und Sprache

E.1

Wie viele Internet-Domains und Server gibt es im Land?

Indikator 83: Anzahl der registrierten Domains (einschließlich ccTLDs1. gTLDs2 und IDNccTLDs3) pro tausend Personen und, soweit verfügbar, Trend

Die Anzahl der registrierten .de-Domains beträgt aktuell etwa 16,49 Millionen.4 Dies entspricht etwa 180 Domains je 1.000 Personen.5 2018 betrug die Anzahl der .de-Domains etwa 16,28 Millionen, 2017 waren es 16,22 Millionen und 2016 betrug die Anzahl 16,13 Millionen.6 Es ist also ein zunehmender Trend erkennbar, wie auch die folgende Grafik zeigt:

Indikator 84: Anzahl der sicheren Webserver pro Million Personen und Trend, soweit verfügbar

Um die Anzahl der Server in Deutschland festzustellen, ist auch der Blick auf die Anzahl und die Fläche der Rechenzentren in Deutschland sinnvoll. Rechenzentren sind abgeschlossene räumliche Einheiten wie Serverschränke, Serverräume, Gebäudeteile oder ganze Gebäude, in denen mindestens drei physikalische Server installiert sind.7 Solche Rechenzentren sind weit verbreitet, variieren aber in ihrer Kapazität. Diese wird anhand der Fläche der Rechenzentren kategorisiert. Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der verschiedenen Rechenzentren und deren Entwicklung:

Die Zahl der Server in den Rechenzentren hat sich zwischen 2013 und 2016 um 18 % auf ca. 1,9 Millionen erhöht. Die Anzahl der Server, die nicht in Rechenzentren betrieben werden, betrug 2016 ca. 400.000. Zählt man die Server in den Rechenzentren und jene außerhalb der Rechenzentren zusammen, so kommt man auf eine Gesamtanzahl von 2,3 Millionen Servern in Deutschland im Jahr 2016. Die Fläche der Rechenzentren belief sich im Jahr 2017 auf 2 Millionen Quadratmeter, eine Fläche so groß wie 280 Fußballfelder.8

Bezieht man die vorliegende Zahl der Server von 2016 auf den aktuellen Bevölkerungsstand Deutschlands,9 so lässt sich eine Anzahl von 38.462 Servern pro Millionen Personen feststellen.



Länderspezifische Top-Level-Domain (z.B. .de).

Generierte Top-Level-Domains.

Internationalisierte Ländercode Toplevel-Domains (IDN ccTLDs) sind ccTLDs, die die nicht auf Latein basierende Schrift des Heimatlandes nutzen.

Denic (2020a).

Ebd.

Denic (2020b).

Hintemann, R. (2018), S. 3.

Hintemann, R. (2017), S. 6.

Statistisches Bundesamt (2020f).



E.4

Gibt es ein beträchtliches und wachsendes Volumen von Internet-Inhalten in verschiedenen lokalen und indigenen Sprachen, einschließlich lokal erzeugter Inhalte?

Indikator 85: Anteil der Bevölkerung, deren Hauptsprache und Schrift auf führenden Online-Diensten verfügbar sind

Hinsichtlich der Bevölkerungsstruktur Deutschlands erfasste der Mikrozensus aus dem Jahr 2019, dass in Deutschland 21.246.000 Menschen mit Migrationshintergrund im weiteren Sinn (selbst in Deutschland geboren, mindestens ein Elternteil im Ausland geboren) leben, darunter 13.682.000 Menschen mit eigener Migrationserfahrung (im Laufe ihres Lebens zugewandert).1 Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung betrug 2019 damit 26 %.2

Im Rahmen des Mikrozensus 2018 wurde in 63 % der befragten Haushalte, in denen mindestens eine Person einen Migrationshintergrund hatte, angegeben, dass hier überwiegend Deutsch gesprochen wird. Hierbei spielte die Anzahl der Haushaltsmitglieder, die einen Migrationshintergrund haben, eine Rolle: In 95 % der Haushalte, in denen nur ein Teil der Angehörigen einen Migrationshintergrund hatte, wurde sich überwiegend auf Deutsch verständigt. Dieser Anteil sank auf 44 %, sofern alle Mitglieder einen Migrationshintergrund hatten.3

In 9,7 % der insgesamt befragten Haushalte wurde vorwiegend eine andere Sprache als Deutsch gesprochen. Am häufigsten wurde in diesen Haushalten überwiegend Türkisch, Russisch, Polnisch oder Arabisch gesprochen. Die folgende Tabelle macht die Anteile der verschiedenen Sprachen anteilig an den vorwiegend-nicht-deutschsprechenden Haushalten deutlich.4 Spezifische Internet-Angebote der reichweitenstärksten deutschen Nachrichtenportale, die sich in anderen Sprachen an fremdsprachige Nutzende in Deutschland wenden, sind nicht bekannt.

Diese im Rahmen des Mikrozensus erhobenen Daten sind die einzigen verfügbaren Statistiken, die Hinweise auf die gesprochenen Sprachen in Deutschland geben. Eine detaillierte Sprachstatistik liegt damit jedoch nicht vor.5

Indikator 86: Verfügbarkeit von Inhalten auf Regierungs-Websites in allen Sprachen mit bedeutenden Nutzendengruppen innerhalb der Bevölkerung

Hinsichtlich der Verfügbarkeit von Regierungs-Websites in verschiedenen Sprachen ist festzustellen, dass auf 10 von 19 überprüften Websites6 lediglich Informationen auf Deutsch und Englisch verfügbar sind. Diese zehn Websites sind ausschließlich Websites von Bundesministerien, u.a. des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Mit den Websites des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz und den Websites der Bundesregierung und des Bundesrats bieten 4 der 19 relevanten Internet-Adressen Informationen auf Deutsch, Englisch und Französisch.

Die Inhalte der Website des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge stehen in sechs Sprachen, nämlich Deutsch, Englisch, Türkisch, Russisch, Französisch und Arabisch zur Verfügung.7 Auf der Website des Auswärtigen Amtes lässt sich zwischen sieben Sprachen wählen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Arabisch und Russisch.8 Informationen in noch mehr Sprachen bietet das Familienportal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an: mit Deutsch, Englisch, Bulgarisch, Spanisch, Französisch, Griechisch, Kroatisch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch und Rumänisch sind es elf Sprachen.9

Eine größere Auswahl an Sprachen bietet nur die Website des Bundestags an. Hier kann man hinsichtlich bestimmter Inhalte zwischen bis zu 19 verschiedenen Sprachen wählen: Arabisch, Bulgarisch, Chinesisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Kroatisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Serbisch, Spanisch, Tschechisch und Türkisch.10

Informationen rund um das aktuelle Thema COVID-19 sind in einer Vielzahl von Sprachen zugänglich gemacht worden. Auf der Website der Bundesregierung finden sich Informationen in sieben Sprachen,11 auf der eigens für Corona eingerichteten Website des Bundesministeriums für Gesundheit sind Informationen in 16 Sprachen abrufbar12 und auch auf der Website der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sind Informationen zu COVID-19 in 19 Sprachen zu finden.13



Statistisches Bundesamt (2019).

Statistisches Bundesamt (2019b).

Statistisches Bundesamt (2019a).

Statistisches Bundesamt (2018), Tabelle 18.

Adler, A. (2018), S. 20.

Als Websites der Legislative und der Exekutive wurden hier die Websites des Bundestages, des Bundesrates, der Bundesregierung und der 14 Bundesministerien sowie der Integrationsbeauftragten und des Familienportals des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend betrachtet.

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2020).

Auswärtiges Amt (2020).

Familienportal (2020).

Deutscher Bundestag (2020).

Bundesregierung (2020d).

Bundesministerium für Gesundheit (2020).

Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2020a).



Fähigkeiten/Kompetenzen

F.1

Enthalten die Lehrpläne von Schulen und Hochschulen eine Ausbildung in IKT sowie Medien- und Informationskompetenz, die auf eine effektive und sichere Nutzung ausgerichtet ist, und werden diese Lehrpläne in der Praxis umgesetzt?

Indikator 87: Politik in Bezug auf Schullehrpläne, einschließlich Medien- und Informationskompetenz, interkultureller Dialog und Ausbildung in IKT-Fertigkeiten.

Indikator 88: Nachweis geeigneter Bildungscurricula auf Primar-, Sekundar- und Tertiärstufe

Bildung an Schulen und Hochschulen ist in Deutschland grundsätzlich Angelegenheit der Bundesländer, deshalb kann die Ausgestaltung in jedem Bundesland anders sein. In der Kultusministerkonferenz (KMK) verständigen sich die zuständigen Landesministerien über gemeinsame Strategien.

Medienbildung wurde wiederholt zum Thema der KMK. In ihrer Erklärung „Medienbildung in der Schule“ hat sie 2012 festgestellt: „Lernen mit Medien und Lernen über Medien ist in den Lehr- und Bildungsplänen der Länder zwar durchgängig ausgewiesen, allerdings unterscheiden sich Art, Umfang und Ausführlichkeit der Angaben deutlich. Wünschenswert wären die Aktualisierung und Akzentuierung der Medienbildung in den einzelnen Fächern und die Formulierung eigener fächerübergreifender Kriterien zur Medienbildung.“1 Sie begründet den Stellenwert von Medienbildung a) mit der Förderung der Qualität des Lehrens und Lernens durch Medien, b) mit der gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe, c) mit der Persönlichkeitsbildung der Heranwachsenden, d) der Ausbildung von Haltungen, Wertorientierungen und ästhetischem Urteilsvermögen und e) dem notwendigen Schutz vor negativen Wirkungen der Medien und des Mediengebrauchs.2

Im Dezember 2016 hat die KMK die Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ für Schulen und Hochschulen beschlossen.3 Auch wenn es schon bisher in den Lehrplänen der Länder Bezugspunkte zu Anforderungen für ein Lernen in der digitalen Welt gebe, seien durch die Arbeit mit digitalen Medien und Werkzeugen Veränderungen in den fachlichen Anforderungen erforderlich.4 Fächerübergreifend werden die in der digitalen Welt erforderlichen Kompetenzen sechs Bereichen zugeordnet (und dort noch weiter differenziert).5 Dazu hat die KMK eine Selbstverpflichtung der Länder festgehalten: „Die Länder verpflichten sich dazu, dafür Sorge zu tragen, dass alle Schülerinnen und Schüler, die zum Schuljahr 2018/2019 in die Grundschule eingeschult werden oder in die Sek I eintreten, bis zum Ende der Pflichtschulzeit die in diesem Rahmen formulierten Kompetenzen erwerben können.“6 Zum Einsatz digitaler Techniken im Unterricht und zum Internetzugang in den Schulen hat sich die KMK das Ziel gesetzt, „dass möglichst bis 2021 jede Schülerin und jeder Schüler, wenn es aus pädagogischer Sicht im Unterrichtsverlauf sinnvoll ist, eine digitale Lernumgebung und einen Zugang zum Internet nutzen können sollte.“7

Die Gesellschaft für Informatik hat kritisiert, dass das Fach Informatik in diesem Strategiepapier gar nicht erwähnt wird, obwohl die KMK selbst es als allgemeinbildendes Fach ansieht und dazu 2015 gemeinsame Anforderungen an die Ausbildung der Informatiklehrkräfte formuliert hat, obwohl das Fach Informatik in fast allen Bundesländern als Wahlfach oder Wahlpflichtfach in den Sekundarstufen bereits etabliert ist und obwohl der allgemeinbildende Wert informatischer Kompetenzen nachgewiesen ist.8 Dies sei ein Zeichen für eine Scheu vor den organisatorischen Herausforderungen durch die eigentlich notwendige Erweiterung des Pflichtfachkanons.9

Eine Auswertung der öffentlich zugänglichen Lehrpläne der Bundesländer für die Primarstufe, die Sekundarstufe I und die Sekundarstufe II ist in Tabelle 12 zusammengefasst. Hier ist zu erkennen, dass Medienbildung und interkulturelle Kompetenz bei fast allen Bundesländern bereits in den Lehrplänen für die Primarstufe als übergeordnete Ziele verankert sind; für die Sekundarstufen ist das nicht mehr ganz so oft der Fall. Fachprofile mit Bezug zu Medien- und Informationskompetenz sowie zu IKT-Fertigkeiten gibt es bei gut der Hälfte der Länder schon für die Primarstufe und fast flächendeckend für Sekundarstufe I und II. Fachprofile mit Bezug zu interkultureller Kompetenz sind seltener; nur für die Sekundarstufe I waren sie bei mehr als der Hälfte der Bundesländer in den Lehrplänen aufzufinden.

Zum Thema interkulturelle Bildung und Erziehung hat die KMK bereits 1996 einen grundlegenden Beschluss gefasst.10 Darin wird die Entwicklung interkultureller Bildung und Erziehung als kontinuierlicher Prozess aufgefasst. Schule wird als zentraler Ort für den Erwerb bildungssprachlicher Kompetenzen angesehen; sie soll aktiv Bildungs- und Erziehungspartnerschaften mit Eltern gestalten. Schule soll Vielfalt zugleich als Normalität und als Potenzial für alle wahrnehmen und zum Erwerb interkultureller Kompetenzen beitragen.

Indikator 89: Anteil der Lehrkräfte in Primar- und Sekundarschulen mit einer Ausbildung in IKT oder der Nutzung von IKT im Unterricht

Eine Befragung von Bildungseinrichtungen im Jahr 2018 ergab, dass nahezu alle Lehrkräfte (98,6 %) der befragten Einrichtungen einfache Anwendungen in ihren Grundfunktionen bedienen konnten.11 Auch mit den Grundfunktionen von Standard-Softwareanwendungen konnten die Lehrkräfte weitgehend umgehen (88,6 %). Die Vermittlung von Wissen durch den Einsatz digitaler Instrumente gelang 69,7 %, der Zugriff auf wichtige Daten der Bildungseinrichtung von Zuhause oder unterwegs gelang 63,9 % der Lehrkräfte. Etwa die Hälfte (49,5 %) verfügte über Kenntnisse in sozialen Netzwerken. Knapp einem Fünftel (22,1 %) war die Gestaltung von Webanwendungen geläufig. Ebenfalls ein Fünftel (20,1 %) kommunizierte mit den Lernenden über Online-Tools und 7,2 % der Lehrkräfte verfügten über grundlegende Programmierkenntnisse. 43,1 % der Lehrkräfte forderten selbst digitale Formen der Kommunikation ein.12 Besonders an dieser Stelle sei angemerkt, dass diese Daten vor der COVID-19-Krise erhoben wurden und sich gerade mit Bezug auf die Nutzung von digitalen Technologien zur Kommunikation mit den Lernenden mit Sicherheit höhere Nutzungszahlen ergeben werden.

Eine 2017 durchgeführte Befragung, bei der sich die Lehrkräfte selbst einschätzen sollten, ergab, dass etwa 64,3 % von ihnen fanden, sie verfügten über Strategien, um Fachinhalte, digitale Medien und Lehrmethoden in ihrem Unterricht sinnvoll miteinander kombinieren zu können. 76,6 % der Befragten sahen sich in der Lage, Fachinhalte anhand digitaler Medien besser vermitteln zu können. Regional lassen sich in der Selbsteinschätzung Differenzen feststellen: In Rheinland-Pfalz, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen schätzen sich Lehrkräfte als durchschnittlich kompetenter im Umgang mit Medien ein als in Berlin, Sachsen, Schleswig-Holstein und Saarland.13 Der Großteil der Lehrkräfte gab an, sich medienpädagogische Inhalte selbst angeeignet zu haben (68 %), während 59 % der Lehrkräfte Medienkompetenz in Fortbildungen, 35 % im Studium, 13 % in zertifizierten Weiterbildungen und 10 % in der Berufsausbildung erlernten.14

Indikator 90: Anteil der Schulen mit Internetzugang

Bereits 2018 verfügten nach Angaben des Bildungsmonitors 100 % der Schulen in Deutschland über einen stationären Internetanschluss.15 Hinsichtlich der Verfügbarkeit von schnellem und kabellosem Internet ergab eine 2019 durchgeführte Umfrage unter Schulleitungen jedoch, dass insgesamt lediglich 36 % der Schulen über einen Zugang zu schnellem Internet und WLAN in allen Klassen- und Fachräumen verfügen, 63 % der Schulen hingegen nicht. Aufgeschlüsselt nach Schulart wurde bei 34 % der Grundschulen (Primarstufe) die Verfügbarkeit eines Zugangs in allen Klassen- und Fachräumen angegeben, bei Haupt-, Real- und Gesamtschulen (Sekundarstufe I) waren es 40 % und bei Gymnasien (Sekundarstufe II) 45 %.16

Zur detaillierteren Betrachtung lohnt der Blick auf die 2019 erschienene Veröffentlichung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zur Breitbandverfügbarkeit an Schulen:

IT-Koordinatoren gaben 2018 an, dass der Einsatz digitaler Medien im Unterricht zu 14 % stark von einer unzureichenden Bandbreite oder Geschwindigkeit des Internetanschlusses beeinträchtigt wird, zu 29 % beeinträchtigt sie den Angaben zufolge den digitalen Unterricht zumindest teilweise.17

Im Mai 2019 ist der DigitalPakt Schule in Kraft getreten, der Fördermittel in Höhe von insgesamt fünf Milliarden Euro umfasst. Mit dem Fördergeld, das die Bildungseinrichtungen beantragen können, soll die digitale Infrastruktur in den Schulen ausgebaut, die Digitalkompetenzen der Lehrkräfte verbessert und die Ausstattung mit digitalen Anzeigegeräten flächendeckender gewährleistet werden.18 Hinsichtlich der besonderen Situation unter der Corona-Pandemie wurden Programme für den Ausbau digitaler Infrastrukturen zum Ausgleich der .Schulschließungen in Höhe von 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.19 Um einer Benachteiligung von Lernenden, die zu Hause nicht auf ein mobiles Endgerät zugreifen können, entgegenzuwirken, wurden zudem 500 Millionen Euro als Sofortprogramm bereitgestellt.20

Indikator 91: Anteil der Lernenden, die in der Schule Zugang zum Internet haben

Über die Anzahl der Lernenden, die in ihrer Schule über einen Zugang zum Internet verfügen, liegen keine Daten vor. Es ist jedoch festzuhalten, dass lediglich 36 % der Schulen über einen schnellen Internetzugang in allen Klassenräumen verfügen. Lernende, die das Gymnasium besuchen haben häufiger Internetzugang in der Schule als Lernende, die eine Haupt-, Real-, Gesamt- oder Grundschule besuchen, vgl. Indikator 90.



Kultusministerkonferenz (2012), S. 6.

Ebd., S. 9.

Im Dezember 2017 wurde sie ergänzt um einen Abschnitt zur Weiterbildung; im Folgenden wird stets auf die erweiterte Fassung Bezug genommen.

Sh. Kultusministerkonferenz (2016), S. 12.

Ebd., S. 16-19.

Ebd., S. 19.

Ebd., S. 59.

Brinda, Torsten (2017), S. 3.

Ebd.

Kultusministerkonferenz (2013).

Zusammenfassung der beiden Antwortmöglichkeiten „Trifft zu“ und „Trifft eher zu“.

iW Consult (2018a), S. 43.

Deutsche Telekom Stiftung (2017), S. 22 ff.

Puffer, H. (2019), S. 353.

iW Consult (2018b), S. 10.

Forsa Politik- und Sozialforschung GmbH (2019).

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2020), S. 241.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2019b).

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020a).

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020e).



F.3

Welcher Anteil der Bevölkerung und der Arbeitskräfte ist im Umgang mit IKT qualifiziert?

Indikator 92: Anteil der Internetnutzenden mit besonderen Internetkenntnissen, nach Art der Qualifikation (Grundkenntnisse, mittlere und fortgeschrittene Kenntnisse), aggregiert und disaggregiert

Nach dem Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft 2020 der Europäischen Union verfügen in Deutschland 70 % der Bevölkerung über mindestens grundlegende digitale Kompetenzen; 39 % verfügen über mehr als grundlegende Kompetenzen. Mindestens grundlegende Softwarekompetenzen können 72 % vorweisen. Die IKT-Fachkräfte machen einen Anteil von 3,9 % aller Beschäftigten aus. Unter den weiblichen Beschäftigten liegt der Anteil der IKT-Fachkräfte bei 1,4 %. Der Anteil der Menschen, die ein IKT-Studium abschließen, beträgt in Deutschland 4,7 % aller Abschlüsse.1

Indikator 93: Anteil der Arbeitskräfte, die IKT am Arbeitsplatz nutzen, nach Art der Qualifikation (Grundqualifikation, mittlere Qualifikation, fortgeschrittene Qualifikation), aggregiert und disaggregiert

Laut Statistischem Bundesamt nutzten im Jahr 2018 77,2 % aller Erwerbstätigen in Deutschland (im Alter zwischen 16 und 64 Jahren) bei der Arbeit tragbare digitale Geräte, wie z.B. Computer, Laptop, Smartphone oder Tablet. Ein Fünftel der Erwerbstätigen (19,5 %) nutzte andere computergesteuerte Geräte oder Maschinen bei der Arbeit.2

Tragbare digitale Geräte werden von Frauen etwas weniger häufig bei der Arbeit genutzt als von Männern. Computergesteuerte Maschinen hingegen werden im Arbeitskontext ungefähr doppelt so oft von Männern genutzt wie von Frauen. Hinsichtlich des Bildungsstands lässt sich feststellen, dass tragbare digitale Geräte am häufigsten von Erwerbstätigen mit hohem Bildungsstand genutzt werden, während computergesteuerte Geräte/Maschinen am häufigsten von Erwerbstätigen mit mittlerem Bildungsstand genutzt werden.3

Hinsichtlich der Digitalkompetenzen schätzten 56 % der erwerbstätigen Internetnutzenden ihre Kompetenzen als ihren beruflichen Aufgaben entsprechend ein. Bei weiblichen Beschäftigten ist der Anteil mit 62 % höher als bei den männlichen Beschäftigten (52 %). 62 % der Beschäftigten mit niedrigem und 50 % der Beschäftigten mit hohem Bildungsstand schätzten ihre Kompetenzen als ihren Aufgaben entsprechend ein. Insgesamt 35 % gaben an, aufgrund ihrer Kompetenzen auch mit anspruchsvolleren Aufgaben zurechtkommen zu können. Männer bestätigten dies zu 39 %, Frauen zu 29 %. Je 9 % der männlichen und weiblichen Beschäftigten gaben an, weitere Schulungsmaßnahmen zu benötigen.4

Im Rahmen des Digital-Index D21 wurden im Jahr 2019 Beschäftigte und Personen, die sich in beruflicher Ausbildung befanden, um eine Selbsteinschätzung ihrer digitalen Kompetenzen gebeten. 72 % der Befragten gaben an, über ausreichend digitales Wissen und Fähigkeiten in ihrem Arbeitsumfeld zu verfügen. 26 % mangelte es nach eigenen Angaben an ausreichenden Digitalkompetenzen, von denen wiederum 62 % sahen mangelnde Eigeninitiative als Ursache dafür (64 % der Männer, 58 % der Frauen) und 41 % mangelnde Bildungsangebote seitens ihres Arbeitgebers (37 % der Männer, 46 % der Frauen).5

Indikator 94: Anteil der Studierenden des Tertiärbereichs, die an MINT- und IKT-Kursen teilgenommen haben, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, im Vergleich zu den globalen Durchschnittswerten

Im Wintersemester 2019/2020 gab es in Deutschland nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung insgesamt 2.892.044 Studierende,6 davon 1.094.544 (37,8 %) in den MINT-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Von den Studierenden in den MINT-Fächern waren 69,1 % männlich und 30,9 % weiblich.7

Für einen internationalen Vergleich liegen Daten des OECD-Bildungsindikatoren-Berichts von 2017 vor, der den Anteil der Beginnenden eines Studiums in einzelnen Ländern, nach einzelnen Fächergruppen sowie nach Art des Bildungsgangs darlegt. In Deutschland belegten 28 % der Beginnenden von kurzen tertiären Bildungsgängen,8 40 % der Beginnenden von Bachelor- oder gleichwertigen Bildungsgängen und 19 % aller Beginnenden von langen, zu einem ersten Abschluss führenden Masterbildungsgängen einen Bildungsgang in den MINT-Fachrichtungen. In allen Bildungsgängen in den MINT-Fächern ist der Anteil der männlichen Anfänger größer als jener der weiblichen Anfängerinnen, insbesondere in den kurzen tertiären Bildungsgängen sowie in den Bachelor- und gleichwertigen Bildungsgängen.9

Der Anteil an MINT-Beginnenden in Deutschland liegt in allen drei Bildungsgängen sowohl über dem OECD- als auch über dem EU23-Durchschnitt.10 Der weibliche Anteil der Beginnenden ist im Vergleich zum OECD- und zum EU23-Durchschnitt in kurzen tertiären und in Masterbildungsgängen höher, während er in Bachelor- oder gleichwertigen Bildungsgängen etwas niedriger ist.11

Zu diesem Kapitel sind Empfehlungen für verschiedene Stakeholder in Kapitel 8 zusammengefasst.



Europäische Kommission (2020b), S. 9.

Statistisches Bundesamt (2018b), S. 39.

Ebd.

Ebd., S. 43.

Initiative D21 (2020), S. 57.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020b).

Statistisches Bundesamt (2019d).

Häufig mit dem Ziel entwickelt, den Teilnehmern berufsbezogene Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen zu vermitteln. Normalerweise sind sie praxisorientiert, berufsspezifisch und bereiten die Bildungsteilnehmer auf den direkten Eintritt in den Arbeitsmarkt vor. Sie können auch den Zugang zu anderen tertiären Bildungsgängen eröffnen (ISCED 6 oder 7). Mindestdauer: 2 Jahre. (Quelle: OECD (2019a), S. 23).

OECD (2019a), S. 240.

A) OECD Mitgliedsstaaten: Australien, Belgien, Chile, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Irland, Israel, Italien, Japan, Kanada, Kolumbien, Korea, Lettland,, Litauen, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Schweiz, Tschechien, Türkei, Ungarn, Vereinigte Staaten von Amerika, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland.
B) EU23-Durchschnitt: Ungewichteter Mittelwert der Datenwerte der 23 Länder, die sowohl Mitglied der Europäischen Union als auch der OECD sind und für die entsprechende Daten vorliegen oder geschätzt werden können (Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland).

OECD (2019a), S. 240.



Multistakeholderbeteiligung

Politischer, rechtlicher und regulatorischer Rahmen

A.1

Gibt es einen allgemeinen politischen, rechtlichen und ordnungspolitischen Rahmen für die Entwicklung des Internets und die Politikgestaltung, der mit internationalen Normen im Einklang steht?

Indikator 95: Vorhandensein eines Gesamtrahmens, der mit den einschlägigen internationalen Normen in Einklang steht

Nach Artikel 1 Abs. 3 GG, „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“, sind die Legislative, die Judikative und die Exekutive an die Grundrechte gebunden. Nach Artikel 25 GG sind „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes (…) Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“

Das BVerfG hat klargestellt, dass es gemäß der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes eine Pflicht gibt, nationales Recht so auszulegen, dass es nicht in Konflikt mit dem Völkerrecht steht:

„Diese verfassungsrechtliche Bedeutung eines völkerrechtlichen Vertrages, der auf regionalen Menschenrechtsschutz zielt, ist Ausdruck der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, das die Bestätigung staatlicher Souveränität durch Völkervertragsrecht und internationale Zusammenarbeit sowie die Einbeziehung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts fördert und deshalb nach Möglichkeit so auszulegen ist, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht.“1

Dementsprechend liegt dem Grundgesetz ein gemäßigtes dualistisches Modell zugrunde. Die Allgemeinen Regeln des Völkerrechts (Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH-Statut) gehen nach Art. 25 S. 2 GG den einfachen Gesetzen vor. Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind demnach hierarchisch unterhalb der Verfassung, aber über den formellen Bundesgesetzen einzuordnen. Art. 25 S. 2 GG ist eine reine Kollisionsregel. Gleiches gilt für die korrespondierende Verfahrensnorm des Art. 100 Abs. 2 GG.

Deutschland hat sich zu einem wichtigen Akteur der Internet Governance entwickelt und wirkt auf europäischer und internationaler Ebene hin zu menschenrechtsbasierten und technologiesensiblen Politiken.2 Angesichts der Bedeutung eines sicheren und stabilen Internets für inzwischen fast alle Funktionsbereiche des modernen Staats liegen der Schutz der Integrität und Funktionalität des Internets und dessen Kernressourcen im „globalen Gemeinschaftsinteresse“.3

Deutschland ist Mitgliedsstaat der International Telecommunications Union (ITU) und einer ihrer Hauptunterstützer und Befürworter der Multistakeholder-Governance.4 Eine spezifische Regelung zur Multistakeholder Governance enthält das Grundgesetz nicht. Die Grundrechte (und Menschenrechte) gelten online jedoch gleichermaßen wie offline. Ein Recht auf Zugang lässt sich für Deutschland verschiedentlich herleiten, unter anderem als Voraussetzung des Genusses anderer Rechte sowie als eigenständiges Recht, umfasst vom Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m Art. 20 Abs. 1 GG).5

Indikator 96: Vorhandensein rechtlicher und regulatorischer Rahmenbedingungen, die elektronischen Handel, digitale Signaturen, Cybersicherheit, Datenschutz und Konsumierendenschutz ermöglichen

Im Bereich des elektronischen Handels spielt in Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union insbesondere die E-Commerce-Richtlinie eine entscheidende Rolle.6 Generell ist hier festzuhalten, dass in vielen Bereichen der Digitalisierungspolitik die Spielräume deutscher Gesetzgebung durch europäisches Recht geprägt werden. Auch im Bereich der digitalen Signaturen richtet sich die Rechtslage in Deutschland mit der eIDAS-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste7 nach dem Europarecht. Für den Bereich der Cybersicherheit liegt in Deutschland eine enge Verzahnung von EU-, Bundes- und Länderbehörden vor, die u.a. vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) koordiniert wird.8 Im Bereich des Datenschutzes gilt seit dem 25. Mai 2018 die Datenschutzgrundverordnung.9 Konsumierendenschutz hat in Deutschland ebenfalls einen hohen Stellenwert. Dieser Regelungsbereich ist auch intensiv von den Vorgaben des Unionsrechts beeinflusst.10

Der elektronische Handel wird in Deutschland durch unterschiedliche Gesetze geregelt. Dazu zählen das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB), das Handelsgesetzbuch (HGB), das Urheberrechtsgesetz (UrhG), Gewerbeordnungen der Länder (GewO), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und für strafbare Handlungen auch das Strafgesetzbuch (StGB). Die Bestimmungen im BGB regeln insbesondere den Fernabsatz nach den §§ 312b ff BGB den E-Commerce. Außerdem sind die §§ 491ff. BGB für das Kosumierendenkreditrecht einschlägig. In diesem Zusammenhang sind auch die Bestimmungen zu AGB Prüfungen der §§ 305ff. BGB relevant. Die Unternehmen im Bereich des elektronischen Handels müssen sich nach dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) richten. Die technischen Aspekte zum E-Commerce werden vom Telemediengesetz (TMG) geregelt. Das TMG setzt Teile der E-Commerce Richtlinie (RL 200/31/EG)11 um. Darüber hinaus sind die eIDAS-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste, das Vertrauensdienstegesetz und die Preisangabenverordnung (PAngV) und die Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV) relevant. Mit dem Digital Services Act plant die EU-Kommission 2020 ff ein Gesetzespaket zu umfassender Erneuerung der E-Commerce Richtlinie.12 Das Gesetzesvorhaben verfolgt im Wesentlichen vier Ziele: Erstens eine Vereinheitlichung des digitalen Binnenmarktes, zweitens die Kontrolle für marktdominierende Plattformunternehmen zu verbessern, drittens den Wettbewerb um digitalen Raum zu fördern und viertens sollen Interoperabilität gefördert und kontrolliert werden um damit negativen Netzwerkeffekten entgegenwirken zu können.

Die digitalen Signaturen richteten sich lange Zeit nach dem Signaturgesetz (SigG). Mittlerweile ist das Vertrauensdienstegesetz einschlägig. Die Signaturverordnung (SigVO) wurde mit der eIDAS-Verordnung aufgehoben. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik überwacht die Umsetzung und technischen Standards.13 Mit der eIDAS-Verordnung wurde das elektronische Siegel eingeführt, das juristischen Personen ermöglicht einen Herkunftsnachweis für Dokumente zu führen, jedoch anders als die elektronische Signatur nicht zwingend mit der Abgabe einer Willenserklärung verbunden.14

Im Bereich Cybersicherheit hat Deutschland mit der Cyber-Sicherheitstrategie von 201615 mit dem IT-Sicherheitsgesetz16 den Grundstein für Mindestanforderungen an die Infrastruktur festgelegt. In der Cyber-Sicherheitsstrategie wurden vier Handlungsfelder festgelegt. Dabei handelte es sich erstens darum, ein sicheres und selbstbestimmtes Handeln in einer digitalisierten Umgebung zu ermöglichen, zweitens einen gemeinsamen Auftrag an Staat und Wirtschaft zu formulieren, drittens eine leistungsfähige und nachhaltige Cyber-Sicherheitsarchitektur zu bauen und viertens eine aktive Positionierung Deutschlands in der europäischen und internationalen Cyber-Sicherheitspolitik voranzutreiben.17 Außerdem wurde das Telekommunikations- und Telemediengesetz novelliert. Mit der Richtlinie über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen (NIS) (Richtlinie (EU) 2016/1148)18 hat die EU einen einheitlichen Rahmen geschaffen den die Mitgliedstaaten umsetzen müssen. Die NIS-Richtlinie (Gesetz zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Gewährleistung einer hohen Netzwerk- und Informationssicherheit) sieht unter anderem vor Kapazitäten für Cybersicherheit in allen Mitgliedstaaten aufzubauen, Kooperation zu fördern und Meldepflichten festzulegen.19

Im Bereich Datenschutz sind die DSGVO und das deutsche Datenschutzrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Art. 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta, überwacht durch die Datenschutzbehörden der Länder, besonders relevant. Mit Leben erfüllt werden diese Rechte durch die robuste datenschutzrechtliche Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverfassungsgerichts.

Kosumierendenschutz ist im Wesentlichen im Bürgerlichen Gesetzbuch und in der robusten Konsumierendenrechtsprechung deutscher Gerichte verankert. Im Bereich des digitalen Verbraucherschutzes ist das BSI für die Verbesserung des Schutzniveaus zuständig.20 Das BSI verfolgt dabei einen dreistufigen Ansatz. Zunächst soll das Risikobewusstsein von Konsumierenden erhöht werden um in einem nächsten Schritt sicherzustellen, dass Beurteilungsfähigkeit gestärkt wird und schlussendlich Konsumierenden Handlungsoptionen an die Hand zu geben die diese auch effektiv nutzen können.21



Bundesverfassungsgericht (2004), S. 317 f.

Kettemann, M. C. (2020), S. 7.

Ebd.

ITU (2018a).

Kettemann, M. C. (2020), S. 9.

Europäische Union (2000).

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (2016).

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (2020a).

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2018).

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020c).

Europäisches Parlament, Europäischer Rat (2000).

Europäische Kommission (2020b).

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (2001); Federal Office for Information Security (2016).

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (2016).

Bundesministerium des Innern (2016).

Deutscher Bundestag (2015).

Bundesministerium des Innern (2016).

Europäische Union (2016).

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2017).

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (2020b).

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (2020b).



Nationale Internet Governance

B.2

Bezieht die Regierung andere Interessengruppen aktiv in die Entwicklung nationaler Internet-Richtlinien und -Gesetze ein?

Indikator 97: Vorhandensein von Vorkehrungen für die Konsultation und Beteiligung mehrerer Interessengruppen an nationalen Institutionen und Prozessen der Politikgestaltung, die sich mit der Entwicklung und Nutzung des Internet befassen

Indikator 98: Anzahl der aktiv teilnehmenden nichtstaatlichen Stakeholder, nach Stakeholdergruppe, aufgeschlüsselt nach Geschlecht

Die Bundesregierung bezieht andere Interessengruppen aktiv in die Entwicklung nationaler Internet-Richtlinien und internetbezogenen Gesetzesvorhaben mit ein.1 Umfangreiche Konsultationsverfahren fanden u.a. im Rahmen des Prozesses zur Entwicklung der KI-Strategie der Bundesregierung 2018 sowie des Weißbuchs Digitale Plattformen 2017 statt. Weiterhin führt die Bundesregierung jährlich den Digital-Gipfel durch, in dessen Rahmen Handelnde aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, Projekte, Veranstaltungen und Initiativen erarbeiten und präsentieren, die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft voranbringen sollen. Nicht zuletzt durch die Organisation des IGF 2019 in Berlin hat sich die Bundesregierung klar zum Grundsatz der Multistakeholder-Beteiligung in der Internet Governance bekannt, auch wenn angesichts der großen Varianz an Konsultationsverfahren eine Aufschlüsselung nach Stakeholdergruppen und Geschlecht nicht möglich ist.2

Zu den jüngeren Beispielen für Konsultationen anderer Stakeholder – was konzeptuell indes kein Multistakeholderverfahren ist, bei dem sich alle Handelnden auf gleicher Augenhöhe begegnen – gehören die Durchführung eines deutschlandweiten Online-Konsultationsverfahrens zur Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung (2018) mit einer Dokumentation der Ergebnisse im Internet.3 Auch innerhalb digitalpolitischer Instrumente, wie der KI-Strategie, wird ein Augenmerk auf Austausch mit verschiedenen Stakeholdern gelegt. So bekennt sich die Bundesregierung dazu, „einen europäischen und transatlantischen Austausch zum Einsatz von KI in der Arbeitswelt [zu] organisieren, an dem Wissenschaftler*innen sowie Praktiker*innen teilnehmen.“4 Weiter unterstützt die Bundesregierung die Teilnahme von Fachkundigen, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Start-ups, an internationalen Standardisierungsverfahren.5

Neben dem 2018 gebildeten Kabinettsauschuss Digitalisierung unter Vorsitz der Bundeskanzlerin wurde mit Dorothee Bär eine Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung und mit dem „Digitalrat“ ein externes Beratungsgremium der Bundesregierung eingesetzt. Mit dem „IT-Rat“ wird außerdem eine einheitliche Steuerung der IT-Politik auf Bundesebene sichergestellt. Ebenfalls von der Bundesregierung im Jahr 2018 eingesetzt wurde die Datenethikkommission, die ethische und rechtliche Fragen zu KI und Algorithmen beantworten und dazu ethische Leitlinien entwickeln soll. Damit die Bundesministerien, besonders aber das BMWi, ständig allumfassend mit den neuen Informationen zu der digitalen Transformation versorgt sind, wurde der „Beirat Junge Digitale Wirtschaft“ eingerichtet. Damit die Zusammenarbeit von Bund und Ländern auch in Bezug auf die Informationstechnik sichergestellt wird, wurde der „IT-Planungsrat“ ins Leben gerufen. Gebündelt werden alle föderalen Aktivitäten zur Digitalisierung der Verwaltung durch die „Föderale IT-Kooperation“ (FITKO). Bund und Länder werden darüber hinaus von dem „Rat für Informationsinfrastrukturen“, einem wissenschaftlichem Beratungsgremium hinsichtlich der Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Informationsstrukturen beraten. Mit dem „Cyber Innovation Hub“, der für die Schnittstelle zwischen Start-Ups und Bundeswehr vorgesehen ist und dem „Health Innovation Hub“, zuständig für alle Akteure im Gesundheitswesen, werden auf diesen Gebieten digitale Innovationen weiterentwickelt.6

Die jeweils auf nationaler Ebene angelegte Plattform „Zukunft der Mobilität“ (NPM), die ein Plenum für Fragen des Mobilitätsbereichs bietet und die „Dialogplattform Smart Cities“, die stadtentwicklungspolitische Angelegenheiten der Digitalisierung zum Schwerpunkt hat, ermöglichen durch ihre Existenz die Chance zur Weiterentwicklung durch Digitalisierung. Eine direkte Verbindung zu kleinen und mittleren Unternehmen unternimmt der „Mittelstand-Digital“, der diese Unternehmen über die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung aufklärt.7



E-Mail des BMWi – Referat VIA5 (Internet Governance und Internationale Digitalpolitik) sowie des Auswärtigen Amtes, 14.7.2020.

E-Mail des BMWi – Referat VIA5 (Internet Governance und Internationale Digitalpolitik) sowie des Auswärtigen Amtes, 14.7.2020.

Ergebnisse dieser Prozesse sind auf der Internetseite www.ki-strategie-deutschland.de abgebildet.

Bundesregierung (2018a), Handlungsfeld 5: Arbeitswelt und Arbeitsmarkt.

Ibid., Handlungsfeld 10: Standards setzen.

Digital made in de (2020).

Ebd.



B.3

Gibt es ein nationales Internet Governance Forum und/oder ein anderes Multi-Stakeholder-Forum, das allen Stakeholdern offensteht und an dem verschiedene Stakeholder-Gruppen aktiv teilnehmen?

Indikator 99: Vorhandensein eines nationalen IGF und/oder eines anderen Multi-Stakeholder-Forums, das sich mit der Internet-Verwaltung befasst

2020 fand schon zum 12. Mal das jährliche Internet Governance Forum Deutschland (IGF-D) statt. Das gegenüber allen Interessierten offene Forum setzt sich als nationales IGF mit Fragen der Netzpolitik und der Internetregulierung auseinander. Einige Monate vorher können Panelvorschläge eingereicht werden. Der Beirat (Steering Committee) entscheidet auf dieser Basis über die thematische Ausrichtung. Das IGF-D versteht sich als Diskussionsforum ohne konkrete normative Outputs. Die (durchschnittlich) zehn Panels decken viele aktuelle Themen der Netzpolitik ab und ermöglichen eine Teilnahme der Beteiligten. Das allerdings nicht transparent gewählte und besetzte Steering Committee setzt sich aus Mitgliedern des Bundestags, der Regierung, der Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und technischer Community sowie einer Nachwuchsvertretung zusammen. Gemeinsam mit dem Trägerverein des IGF-D hat sich das Steering Committee zum Ziel gesetzt, Fragen der Internetregulierung in der deutschen Politik und Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.1

Spezifisch für die jüngere Generation der netzpolitisch Interessierten wurde 2012 das Jugend IGF Deutschland ins Leben gerufen,2 das in der Regel vor dem IGF-D stattfindet3 und die Forderungen der Jugend bündelt.4 2019 wurde das deutsche Jugend IGF im Zuge des globalen Youth IGF Summit organisiert. Im Jahr 2020 fand das Jugend IGF virtuell statt. Die Themen werden von den Teilnehmenden selbst bestimmt. Zwischen den Tagungen des Jugend IGF-D finden regelmäßige Veranstaltungen zum Kapazitätsaufbau und Wissenstransfer statt.5 In der deutschen Zivilgesellschaft und bei Stiftungen findet auch eine robuste Debatte zur Politikgestaltung der Internetregulierung statt. Entsprechende einführende Publikationen wurden u.a. von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegeben.6

Indikator 100: Beteiligungsdaten für nationale IGF oder andere Foren, aggregiert und disaggregiert nach Geschlecht und Stakeholdergruppe, unter besonderer Berücksichtigung der Beteiligung ausgewählter Gruppen (z.B. Bildungsministerien, KMU, NGOs, die sich mit Kindern befassen, Gewerkschaften), einschließlich Vorkehrungen für die Fernteilnahme

Das IGF-D findet jährlich vor Ort in Berlin statt und wird live gestreamt. Seit 2020 gibt es Möglichkeiten der Fernteilnahme.

Beteiligungsdaten: Die Daten über die Teilnehmenden der letzten beiden Jahre lassen erkennen, dass die Beteiligung stark zugenommen hat. Sie ist zu etwa gleichen Teilen geprägt von Personen aus akademischen Communities, aus der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft; daneben sind auch die Legislative, die Exekutive und in geringem Maße auch technische Communities vertreten. Mit 60 % sind männliche Personen in der Mehrheit.7



Internet Governance Forum-Deutschland (2020).

E-Mail von Elisabeth Schauermann, Koordinatorin des Jugend IGF Deutschland, Gesellschaft für Informatik e.V. (GI).

Nachbericht IGF (2019) und Messages zu Jungen IGF-D 2019 IGF-D (2019).

Der Internetauftritt des Jugend IGF-Deutschland findet auf Twitter, Facebook und Instagram statt: https://twitter.com/jugend_igf_d?s=20; https://de-de.facebook.com/jugend.igf.d/; https://www.instagram.com/jugend.igf.d.

Events des Jugend IGF-D zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit (https://yigf.gi.de/event/digitisation-and-sustainability) und zu Datenschutz, Privatsphäre und Menschenrechten (https://yigf.gi.de/event/2020-a-crisis-for-data-protection-and-digital-rights).

Insbesondere die Publikation „Wer regiert das Internet?“, die auch in englischer Sprache vorliegt (FES (2019)).

E-Mails von Julia Pohle, Mitglied des Lenkungskreises, IGF-Deutschland, und Tim Richter, Vorsitzender des Lenkungskreises, IGF-Deutschland.



Internationale und regionale Internet Governance

C.2

Nehmen die Regierung und andere Interessensvertretungen aus dem Land aktiv an wichtigen internationalen Foren teil, die sich mit IKT und dem Internet befassen?

Indikator 101: Anzahl der Teilnehmenden aus verschiedenen Stakeholder-Gruppen, die an globalen und regionalen IGFs teilnehmen, pro Million Population, aggregiert und disaggregiert nach Stakeholder-Gruppe und Geschlecht

Deutsche Teilnehmende sind sowohl bei dem europäischen Internet Governance Forum (EuroDIG) als auch beim globalen Internet Governance Forum (IGF) aktiv.

Die 2019 besonders hohe Teilnehmendenzahl aus Deutschland lässt sich darauf zurückführen, dass das IGF in dem Jahr in Berlin stattfand.

Indikator 102: Teilnahme nichtstaatlicher Stakeholder an offiziellen Delegationen der ITU, aggregiert und aufgeschlüsselt nach Interessengruppen und Geschlecht

An offiziellen Delegationen Deutschlands zur ITU nehmen nicht nur Personen aus Ministerien, sondern auch Unternehmen teil, die durch das BMWi koordiniert werden. Das BMWi verfügt aber über keine nach Geschlecht oder Stakeholderangehörigkeit disaggregierte Übersicht.1



E-Mail des BMWi – Referat VIA5 (Internet Governance und Internationale Digitalpolitik) sowie des Auswärtigen Amtes, 14.7.2020.



C.3

Beteiligen sich die Regierung und andere Beteiligte aktiv an der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN)?

Indikator 103: Mitgliedschaft und aktive Beteiligung im ICANN-Beratungsausschuss für Regierungsangelegenheiten (GAC)

Indikator 104: Mitgliedschaft in und aktive Teilnahme an ICANN-Wahlkreisen, Arbeitsgruppen und anderen Foren

Die Bundesregierung nimmt am ICANN-Beratungsausschuss für Regierungsangelegenheiten (GAC) teil. Vor den Treffen koordiniert sie sich unter den Ministerien und mit der Domainwirtschaft. Die Bundesregierung ist in der Public Safety Working Group des GAC vertreten.1 Die Regierung nimmt auch an verschiedenen Politikentwicklungsprozessen innerhalb von ICANN teil. Von der Regierung als delegierte Personen Benannte beteiligen sich durch Schriftwechsel an aktuellen politischen Debatten, so im Rahmen der IANA Stewardship Transition und im Zusammenhang mit dem Verkauf von Public Interest Registry (PIR), das die .org-Domains verwaltet. Dabei wird regelmäßig Einvernehmen zwischen dem Auswärtigem Amt und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gesucht. Deutsche Stakeholder beteiligen sich auch an verschiedenen Stellen im Regional Internet Registry (RIR)-System (RIPE und RIPE NCC) sowie in Standardisierungsprozessen rund um IETF (Internet Engineering Task Force).2

Das 69. ICANN-Meeting, das ursprünglich in Hamburg hätte abgehalten werden sollen, fand vom 17. bis 23. Oktober 2020 virtuell statt.

Handelnde aus Deutschland beteiligen sich auch in den vier ICANN-Ausschüssen (Advisory Committees), die der ICANN mit zur Seite stehen. Neben dem Regierungsausschuss (GAC) sind das die Ausschüsse für Betreiber von Root-Servern, der Ausschuss für mit der Sicherheit des Internets befasste Organisationen und der Ausschuss für Internet-Benutzende (At-Large-Community).3 Die EURALO, die europäische Benutzendenorganisationen vereint, führt folgende deutsche Mitglieder auf:4 Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (Bonn), Digitalcourage e.V. (Bielefeld), dotHIV (Berlin), Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (Bremen), Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft e.V. (Jena), Humanistische Union e.V. (Berlin), Medienstadt Leipzig e.V. (Leipzig), Netzwerk Neue Medien (Berlin), LOAD e.V. (Berlin).

Eine wichtige Rolle in der Übersetzung der Arbeit von ICANN spielt neben der ICANN Repräsentanz in Deutschland auch das „German Chapter“ der Internet Society (ISOC). Seit 1995 bildet die ebenfalls 1992 gegründete Deutsche Interessengemeinschaft Internet (DIGI e.V.) die deutsche Sektion der ISOC.5

Zu diesem Kapitel sind Empfehlungen für verschiedene Stakeholder in Kapitel 8 zusammengefasst. 



Rückmeldung des BMWi – Referat VIA5 (Internet Governance und Internationale Digitalpolitik) sowie des Auswärtigen Amtes.

E-Mail von Peter Koch, Internet Society, German Chapter e.V. (ISOC.DE).

ICANN (2020)

ICANN AT-LARGE (2020).

Birkenbiehl, K. (1998).



Querschnittsindikatoren

Gender

A.1

Werden die Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in den nationalen Strategien und Richtlinien für die Entwicklung des Internets ausdrücklich berücksichtigt und wirksam überwacht?

Indikator 105: Die nationalen Strategien berücksichtigen ausdrücklich a) die Bedürfnisse von Frauen im Zusammenhang mit dem Internet und b) das Potenzial des Internets zur Unterstützung der Selbstbestimmung von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter

Die Bundesregierung berücksichtigt die Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in nationalen Strategien für die Entwicklung, so u.a. in der Digitalen Agenda für 2014-2017, der Umsetzungsstrategie Digitalisierung (2020) und insbesondere auch im Zusammenhang mit der Gleichstellungsstrategie (2020).

In Kapitel IV der Digitalen Agenda 2014-2017 zum Thema Digitale Lebenswelten in der Gesellschaft gestalten wird explizit darauf abgehoben, die Chancen für Familien und Gleichstellung zu stärken:

„In der Gestaltbarkeit der digitalen Lebenswelten liegt auch ein großes gleichstellungspolitisches Potenzial – etwa durch die Stärkung der partnerschaftlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, durch neue Formen politischer Teilhabe oder auch durch neue Möglichkeiten für Frauen und Männer, sich geschlechtsuntypische Aktionsfelder zu erschließen und damit Rollenstereotype aufzubrechen. Diese Herausforderung wollen wir annehmen und das Thema „Gleichstellung im Netz“ als eigenständiges Thema voranbringen.“1

In der Umsetzungsstrategie Digitalisierung („Digitalisierung gestalten“ (4. Aufl., 06/20))2 der Bundesregierung wird im Handlungsfeld Digitale Kompetenz im Schwerpunkt Kompetente Gesellschaft darüber hinaus explizit auf den Schutz von Frauen und Mädchen vor digitaler Gewalt verwiesen. Zudem nennt die Bundesregierung in dieser Strategie die Gleichstellung als „durchgängiges Leitprinzip, das bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesministerien in ihren Bereichen gefördert werden soll, also auch bei der Digitalisierung.“3 Auf internationaler Ebene setzt sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit der #eSkills4Girls-Initiative überdies seit der deutschen G20-Präsidentschaft im Jahr 2017 für die digitale Gleichberechtigung und Inklusion von Frauen und Mädchen in Entwicklungs- und Schwellenländern ein.4

Die Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung „Stark für die Zukunft“ (2020)5 zielt in Kapitel 2.3 Digitale Lebens- und Arbeitswelt außerdem darauf ab, die Auswirkungen von Digitalisierung und den Einsatz von algorithmischen Systemen diskriminierungsfrei zu gestalten und so zum Abbau von Geschlechterungleichheiten beizutragen.6 Zu diesem Zweck sollen Frauen und Männer gleichermaßen an der Entwicklung von IKT beteiligt werden und die Unterrepräsentanz von Frauen im zur Digitalisierung gehörenden MINT-Bereich behoben werden.7 Zudem müssen gleichstellungspolitische Standards auch in der digitalen Lebens- und Arbeitswelt gesetzt werden. Dazu gehören unter anderem die Verhinderung unzulässiger Diskriminierungen beim Einsatz algorithmenbasierter Entscheidungen, sowie die Überprüfungen des Arbeitsschutzes in der digitalen Arbeitswelt, wie auch die Überprüfung des dort wirkenden Diskriminierungsschutzes.8

In Kapitel 2.8 wird die Vereinbarkeit und gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen im öffentlichen Dienst des Bundes gefordert. Eine gleichberechtigte Teilhabe an Leitungsfunktionen des öffentlichen Dienstes soll bis spätestens 31. Dezember 2025 für den Geltungsbereich des Bundesgleichstellungsgesetzes festgeschrieben werden und auch die Teilzeittätigkeit in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes soll stärker als bisher ermöglicht werden.9

2019 hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht („Chancen von Frauen und Männern in der digitalen Wirtschaft“)10 berufen. Dieser Bericht soll vorrangig die Fragestellung behandeln, wie die Digitalisierung die Gleichstellung der Frauen fördern kann. Das Gutachten mit einer Stellungnahme der Bundesregierung soll im Frühjahr 2021 vorliegen.11

Die Europäische Union verpflichtet darüber hinaus alle ihre Mitgliedstaaten durch ihre Rechtsetzung und weitere Maßnahmen, Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu beseitigen. Prominentes Beispiel für die Umsetzung von EU-Richtlinien in diesem Bereich in Deutschland ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welches Benachteiligungen auch aufgrund des Merkmals des Geschlechts verbietet. Auch der Europarat beschließt Konventionen, Programme und Empfehlungen zur Sicherung der Menschenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter, zuletzt das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (Istanbul Konvention), das für Deutschland am 1. Februar 2018 in Kraft getreten ist12 und das durchaus auch mit Blick auf Digitale Gewalt herangezogen werden könnte.

Das Bundesgleichstellungsgesetz hat darüber hinaus die Aufgabe, in den Dienststellen des Bundes die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern, insbesondere auch in Führungspositionen.13

Die Bundesregierung verfolgt im Rahmen ihrer Umsetzungsstrategie „digital-made-in.de“ eine Reihe unterschiedlicher Schwerpunktmaßnahmen. Darunter werden Vorhaben zur Medienkompetenzförderung unter dem Titel „Gutes Aufwachsen mit Medien“ durch ein Initiativbüro vernetzt und koordiniert14 und speziell zum Schutz von Frauen und Mädchen vor digitaler Gewalt der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) gefördert, um Informationsarbeit zu leisten und das Unterstützungssystem zu qualifizieren. Im internationalen Kontext werden mit der #eSkills4Girls-Initiative digitale Kompetenzen von Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern gefördert, unter anderem durch die Unterstützung einer Programmierakademie für Frauen in Ruanda und die Teilnahme an der EQUALS-Initiative (The Global Partnership for Gender Equality in the Digital Age), an der die Bundesregierung durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beteiligt ist, das gemeinsam mit der UNESCO die Arbeitsgruppe zu digitalen Kompetenzen leitet. Seit 2018 werden in diesem Kontext Initiativen, die digitale Kompetenzen von Frauen und Mädchen in Afrika fördern, durch den „EQUALS Digital Skills Fund“ gefördert.15

Indikator 106: Anzahl von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Regierung, die sich mit IKT/Internet befassen

Im Gleichstellungsindex 201916 wurde die Gleichstellung von Frauen und Männern in den obersten Bundesbehörden ermittelt, allerdings nicht spezifisch für den Bereich IKT/Internet.

Die Anzahl von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Regierung, die sich mit IKT/Internet befassen, weist auf einen deutlichen Bias hin. Befasst mit IKT und Internet sind innerhalb der deutschen Regierung vor allem das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie AA. AA, BMI, BMVI und BMWi sind von Männern geführt, das BMJV wird von einer Ministerin geführt. Das mit einer Ministerin an der Spitze stehende BMJV erweist sich auch in seiner internen Organisationsstruktur auf den Leitungsfunktionen als durchaus gendersensibel,17 wohingegen die Ministerien für Inneres,18 für Wirtschaft und Energie19 und Verkehr20 neben der Spitzenebene auch auf den weiteren Leitungsebenen männlich dominiert sind. Einen Überblick über die mit IKT und Internet befassten Leitungspersonen gibt die folgende Tabelle.

Indikator 107: Umfang der Disaggregation der verfügbaren Daten über IKT-Zugang und -Nutzung nach Geschlecht

Schaut man auf die Verteilung nach Geschlecht, so finden sich Zahlen bezüglich des Zugangs zum Internet vor dem Hintergrund des absoluten Geschlechts21 (männlich/weiblich; die Kategorie divers wird nicht erhoben/abgebildet), sowie Zahlen zur Nutzung des Internets vor demselben Hintergrund.22 Eine weitere Aufschlüsselung (z.B. nach Ethnie) ist allerdings nicht möglich.

Sowohl der quantitative, wie auch der qualitative Zugriff aufs Internet aufgeschlüsselt nach Geschlecht sind regelmäßig und stets aktualisiert verfügbar (in beiden Kategorien unterscheiden sich die Geschlechter zum Teil nur marginal23). Neben vielfältigen Statistiken, gebündelt bei statista24 und Zahlen des BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft)25 fällt in der Sonderauswertung des D21-Digital-Index 2018/2019 auf, dass es zwischen den Geschlechtern, gemessen an der Selbsteinschätzung, beim Zugang zur Digitalisierung, dem Nutzungsverhalten, der Kompetenz und der Offenheit nach wie vor noch Unterschiede gibt.26

Indikator 108: Vorhandensein nationaler Mechanismen zur Überwachung der Einbeziehung von Frauen in Strategien für den Internetzugang und die Internetnutzung

Auch das Vorhandensein nationaler Mechanismen zur Überwachung der Einbeziehung von Frauen in Strategien für den Internetzugang und die Internetnutzung ist nur schwer nachweisbar. Einzig das bereits oben erwähnte Monitoring des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst27 durch den alle zwei Jahre vorzulegenden Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamtes28 sei hier erneut erwähnt.

 

 

 



Bundesregierung (2014), S. 24.

Bundesregierung (2020), S. 25 ff.

Ebd.

Bundesregierung (2020a).

Bundesministerium für Gesundheit (2020).

Ebd., S. 17.

Ebd., S. 18.

Ebd.

Ebd., S. 22.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2019).

Ebd.

Bundesregierung (2018e).

In den obersten Bundesbehörden sind 36 % der Führungspositionen mit Frauen besetzt: Statistisches Bundesamt (2019f); sh. auch Biermann, Kai/Geisler, Astrid (12.11.2018).

Bundesregierung (2020), S. 26.

Bundesregierung (2020), S. 28.

Statistisches Bundesamt (2019f).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2020).

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020a).

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020).

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2020).

ITU (2019); Statistik dazu hier: Statistisches Bundesamt (2020b).

Nutzung des Internets: aufgeschlüsselt nach Geschlecht (keine großen Abweichungen) hier: Statistisches Bundesamt (2020a);
aufgeschlüsselt nach Alter (große Varianz) hier: Statistisches Bundesamt (2020d).

Ebd.

Statista (2020).

BVDW (2018).

 

Initiative D21 (2020).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2015).

Statistisches Bundesamt (2018c).



A.2

Gibt es eine digitale Kluft zwischen den Geschlechtern beim Internetzugang und bei der Internetnutzung, und wenn ja, wächst, stabilisiert oder verringert sich diese Kluft zwischen den Geschlechtern?

Indikator 109: Anteil der Personen, die das Internet nutzen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, im Vergleich zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Einkommen und Bildungsniveau

Laut Angaben des statistischen Bundesamtes nutzten 2019 90 % der Deutschen das Internet täglich oder fast jeden Tag. Aufgeschlüsselt nach Geschlecht ergeben sich nur geringe Unterschiede: 88 % der Frauen nutzen das Internet regelmäßig, sowie 91 % der Männer.1 Auch was die Nutzung des Internets zu privaten Zwecken betrifft, sind beide Geschlechter in allen Kategorien praktisch gleichauf (Teilnahme an sozialen Netzwerken/Suche nach Informationen/Online-Banking).2

Auswertungen, bei denen die Internetnutzung innerhalb der Geschlechter zusätzlich nach Einkommen und Bildung aufgeschlüsselt werden, liegen nicht vor. Da die Unterschiede zwischen den Geschlechtern gering sind, gibt es aber auch keinen Bedarf, zu klären, ob sie auf das Geschlecht oder andere damit verbundene Merkmale zurückzuführen sind.

Indikator 110: Anteile erwachsener Frauen und Männer mit mobilen Breitbandabonnements, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, im Vergleich zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Einkommen und Bildungsniveau

Laut D21-Digital-Index belief sich der Anteil der mobilen Internetnutzenden unter den weiblichen Befragten auf 71 % im Vergleich zu 78 % an männlichen mobilen Nutzern.3 Im Jahr 2018 haben rund 66 % der Frauen das Internet mit ihrem Smartphone oder Handy genutzt. Bei den Männern waren es 70 %, die ihr Smartphone zur Internetnutzung verwendet haben.4

Indikator 111: Erhebungsdaten zum Internet-Bewusstsein und zu Mustern der Internet-Nutzung, disaggregiert nach Geschlecht

Erhebungen des statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2019 ergaben, dass 56 % der Frauen und 54 % der Männer Soziale Medien zur privaten Kommunikation nutzten,5 die Nutzungsdauer von Sozialen Medien pro Werktag in Minuten (2019) differiert dabei durchaus: 106 Minuten bei Frauen, 81 Minuten bei Männern.6

Was die Nutzung des Internets zum Bestellen von Produkten/Dienstleistungen (Online-Shopping) angeht, ergibt sich diesbezüglich aufgeschlüsselt nach Geschlecht (2019) hingegen keine Differenz (Frauen: 66,4 % und Männer: 66,3 %).7 In 2015 bestand hier zwischen Männer und Frauen noch eine Differenz von 7,3 % zugunsten der Männer.8 Ähnlich wie bei der Internetnutzung im Allgemeinen ist auch hier eine Angleichung deutlich erkennbar.

Die Einstellung zum Internet dagegen zeigt durchaus Unterschiede. Männer geben z.B. häufiger an, im Internet etwas zu suchen, und das erfolgreich.

Das mag durchaus mit unterschiedlichen Kompetenzen zusammenhängen. Eine Abfrage nach der Kenntnis und dem Verständnis von digitalen Fachbegriffen nach Geschlecht (Anteil an Befragten, die die unten genannten Begriffe erklären können oder deren Bedeutung kennen),9 zeigt, dass mehr Männer als Frauen mit einschlägigen Begriffen vertraut sind.

Die Mehrheit der befragten Personen kann mit Begriffen aus dem Bereich Social Media (Fake News, Shitstorm) oder medial präsenten Themenfeldern (z.B Künstliche Intelligenz) etwas anfangen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind hier geringer, jedoch ausschließlich zugunsten der Männer. Bei den eher technischen Begriffen vergrößert sich die Kluft. Die weniger bekannten und eher technischen Begriffe (Industrie 4.0, Blockchain) sind innerhalb der befragten Personengruppe deutlich mehr Männern als Frauen bekannt.

Indikator 112: Wahrnehmung der Barrieren für den Zugang zum Internet und dessen Nutzung sowie des Wertes des Internetzugangs und der Internetnutzung, aufgeschlüsselt nach Geschlecht. (Siehe auch Indikatoren 73 und 82)

Dem Bericht des Digital Index 2019/2020 zufolge nutzen ältere Generationen und Personen mit niedriger Bildung das Internet noch immer deutlich seltener als andere. Zudem gilt: Je urbaner die Umgebung ist oder je mehr Personen im Haushalt leben, desto eher wird das Internet genutzt.10

Auch unter den Nicht-Nutzenden sind mit 67 % deutlich mehr Frauen (der eher älteren Jahrgänge, mit eher geringerem Bildungsstand).11 Schaut man auf die Nutzung von Social Media, so wird deutlich, dass YouTube, Twitter und die beruflichen Netzwerke LinkedIn und XING mehr von Männern als Frauen genutzt werden. TikTok hingegen erreicht tendenziell mehr Frauen, ebenso wie Pinterest.12



Statistisches Bundesamt (2020).

Statistisches Bundesamt (2020f).

Initiative D21 (2020), S. 14.

Statista (2019).

Statistisches Bundesamt (2020f).

BVDW (2019).

Statista (2020a).

Ebd.

Initiative D21 (2020), S. 31.

Ebd., S. 15.

Ebd., S. 19.

Ebd., S. 24.



A.5

Schützen das Gesetz, die Strafverfolgung und die Gerichtsverfahren Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Belästigung und Gewalt im Internet?

Indikator 113: Vorhandensein eines einschlägigen Rechtsrahmens und von Gerichtsverfahren

Die Zugehörigkeit zu oder Identifikation mit einem Geschlecht ist in Deutschland kein Anknüpfungsmerkmal für einen besonderen Schutz durch das Gesetz. Weder online noch offline.

Artikel 3 des Grundgesetzes lautet:

„(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Grundsätzlich ist demnach weder eine Diskriminierung noch eine bevorzugte Behandlung von Frauen und Mädchen von Verfassungswegen vorgesehen. Mädchen und Frauen werden durch das Gesetz nicht spezifisch vor Belästigung oder Gewalt im Internet geschützt, obwohl sie häufiger Opfer dieser Straftaten werden.1 Geschützt sind durch das Strafgesetzbuch StGB in diesem Zusammenhang insbesondere die persönliche Freiheit, sexuelle Selbstbestimmung, die Ehre sowie die körperliche Unversehrtheit.2

Der § 238 StGB der die sogenannte „Nachstellung“ unter Strafe stellt wurde im Jahr 2016 reformiert um das Phänomen des sog. Stalkings erfassen zu können.3 Inwiefern diese Gesetzesänderung tatsächlich zu einer Verbesserung des Schutzes von Stalkingopfern führt wird kontrovers diskutiert.4

Zivilrechtlich gibt es seit 2001 einen Schutz von Gewaltopfern durch das Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz - GewSchG)5. Seit 2017 stellt der Verstoß gegen Anordnungen nach § 1 dieses Gesetzes nach § 4 GewSchG eine Straftat dar, womit das Gesetz noch einmal verschärft wurde. Damit soll insbesondere auch häusliche Gewalt bekämpft werden.

Daneben schützt seit 2017 das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG) mittelbar Betroffene.6 Denn Dienstanbieter sind verpflichtet rechtswidrige Inhalte zu löschen, z.B. Inhalte die nach § 1 Abs. 3 NetzDG gegen §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 StGB verstoßen und nicht gerechtfertigt sind. In § 4 NetzDG sind bei Zuwiderhandlung empfindliche Bußgelder vorgesehen.

Mit Einführung des NetzDG funktioniert der Übertrag von Strafrechtstatbeständen auf digitale Sphäre zunehmend besser. Bspw. wurde mit der Aufnahme von § 241 StGB – „Bedrohung“ eine Grundlage im NetzDG geschaffen, mit der sich Frauen besser gegen Ankündigungen von und Drohungen mit sexueller oder sexualisierter Gewalt auf sozialen Netzwerken wehren können. Der „Stalking“-Straftatbestand des § 238 StGB wird im NetzDG allerdings nicht aufgegriffen Es bestehen gerade in der Praxis weiterhin große Lücken im Schutz von Frauen im Netz.

Problematisch ist auch, was unter Schwelle des Strafrechts passiert, insbesondere die Erosion demokratischer Grundprinzipien, die nicht mit Strafrecht greifbar sind. Dabei hilft dann auch nicht, dass Gerichte die Verantwortung haben, Gesetze durchzusetzen. Allerdings ist in dem Bereich der sexuellen und sexualisierten Gewalt, auch und gerade digital vermittelt, von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. In Deutschland gibt es zwar eine Vielzahl an Hilfsangeboten (z.B. Hilfehotlines), die es jedoch bisher nicht geschafft haben, die Situation für Frauen nachhaltig zu verbessern.7 Ein Defizit besteht insbesondere in der Bereitstellung von Plätzen in Frauenhäusern. Die Bundesfamilienministerin fordert aktuell einen Anspruch auf einen Platz in einem Frauenhaus gesetzlich zu verankern.8

Indikator 114: Inzidenz von geschlechtsspezifischer Belästigung und Gewalt im Internet, die Frauen und Mädchen erfahren

Zum Thema digitale Gewalt gibt es nur sehr begrenzte Forschungen und Daten. Als Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigte der Bundestag Ende 2018, dass die Justiz keine statistischen Informationen über digitale Gewalt an Frauen und Mädchen erhebt. Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts erfasst zwar, ob das Internet eine wesentliche Rolle bei der Verwirklichung von Straftaten spielte, jedoch ließ sich nicht sagen, ob es sich dabei um die als digitale Gewalt an Frauen und Mädchen klassifizierten Taten handelt.9

Es gibt keine internationale Definition von digitaler Gewalt im Internet. Das Europäische Institut für Geschlechtergleichheit (EIGE) hat jedoch einige Formen der Gewalt, die Menschen im Internet erfahren, zusammengetragen.10 Darunter fällt das sogenannte „Cyber-Stalking“, welches das Senden von beleidigenden oder bedrohlichen E-Mails, Textnachrichten (SMS) oder Sofortmitteilungen, das Posten beleidigender Kommentare und das wiederholte Verbreiten privater Fotos oder Videos der betroffenen Person im Internet oder per Handy umfasst. Belästigung gilt laut dem Institut als weitere Form digitaler Gewalt. Gemeint sind unerwünschte, eindeutig sexuelle Nachrichten, unangemessene Annäherungsversuche, Androhungen von körperlicher und/oder sexueller Gewalt und Hassreden (verunglimpfende, beschimpfende oder bedrohende Sprache auf Grundlage der Identität der betroffenen Person). Auch nicht einvernehmliche Pornografie, auch Cyber-Ausbeutung oder “Rache-Pornografie“ genannt, wird zu den digitalen Gewaltformen gezählt. Darunter wird die Verbreitung sexueller grafischer Fotografien oder Videos ohne Zustimmung der betroffenen Person verstanden.

Einzelne Ergebnisse deuten darauf hin, dass Frauen und Mädchen diese Formen von Gewalt häufiger erfahren als Männer, wie z.B. eine 2017 durchgeführte Befragung unter beratend tätigen Beschäftigten in Frauenberatungsstellen und Frauennotrufen belegt. Die beratend tätigen Beschäftigten gaben ergänzend zu den vom Europäischen Institut für Geschlechtergleichheit aufgeführten Formen digitaler Gewalt an, dass ihre Klientinnen zusätzlich Gewalt in Form von Kontaktaufnahme durch Fake-Profile, auf die sehr oft Belästigung und (sexualisierte) Gewalt folgt, Identitätsklau, Liebesbetrug (Love Scamming), unerlaubtes Erstellen von Bildern oder Videos im öffentlichen Raum (z.B. in der Umkleidekabine) oder aktives Löschen wichtiger Dokumente erleben. Auch Kontrollausübung im Rahmen von Stalking in Form von Installieren von Spy-Apps oder Mitlesen von Nachrichten, wenn Passwörter bekannt sind, wurden genannt, ebenso wie heimliches Filmen über in privaten Räumen installierte Kameras oder das heimliche Abhören von Gesprächen.11

Die beratend tätigen Beschäftigten gaben an, dass Probleme junger Mädchen hinsichtlich digitaler Gewalt insbesondere im Bereich Mobbing, in der fehlenden Sensibilisierung bezüglich des Schutzes der eigenen Privatsphäre und der Gefahren von Sexting (Kommunikation sexueller Inhalte) und Grooming (gezielte Kontaktaufnahme Erwachsener mit Minderjährigen in Missbrauchsabsicht) bestünden.12

Der Großteil der befragten Beratungsstellen verzeichnete einen Anstieg der Beratungsanfragen zum Thema digitaler Gewalt in den letzten drei Jahren (seit 2014). Gewalt mittels digitaler Medien erscheint den Angaben zufolge immer häufiger als Begleitthema, sie liefert jedoch nicht den Hauptgrund, eine Beratung aufzusuchen.13

Das Europäische Institut für Geschlechtergleichheit hat darauf hingewiesen, dass Gewalt im Internet nicht als völlig eigenständiges Phänomen, sondern in einem Kontinuum mit internetunabhängiger Gewalt gesehen werden solle.14 In diesem Zusammenhang ist zu vermerken, dass nach der Statistik des Bundeskriminalamts für 2018 81,3 % der Opfer von Partnerschaftsgewalt weiblich sind.15

Indikator 115: Belege für Maßnahmen der Regierung, der Strafverfolgung und der Justiz zum Schutz von Frauen vor geschlechtsspezifischer Belästigung und Gewalt im Internet

Für Digitale Gewalt im Rahmen von Straftaten (z.B. Beleidigung, üble Nachrede etc.) sind in Deutschland zunächst die ortsansässige Polizei und Staatsanwaltschaften zuständig: so gibt es z.B. in Nordrhein-Westfalen die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC NRW) und in Hessen seit Anfang 2020 eine Generalstaatsanwaltschaft. Was Beratungsangebote angeht, die von der Regierung gefördert werden, so gibt es auf unterschiedlichen Ebenen (Kommunen/Länder/Bund) eine Vielzahl an Initiativen zahlreicher Opferhilfeeinrichtungen, die auch im Bereich der digitalen Gewalt Unterstützung anbieten (so z.B. die psychosozialen Betreuungs- und Beratungsstellen, ein Überblick über das Feld ergibt sich aus der Online-Datenbank der Beratungsstellen für Betroffene von Straftaten).

Das, im Rahmen der „Umsetzungsstrategie Digitalisierung“16 von der Bundesregierung unterstützte und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) - geförderte Projekt „Aktiv gegen digitale Gewalt“ des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff),17 das sich speziell gegen alle Formen der geschlechtsspezifischen Gewalt in digitalen Räumen richtet, klärt nicht nur über das Thema auf, sondern bietet auch direkte Hilfestellungen an.

Indikator 116: Vorhandensein von Online-Diensten, die Frauen vor geschlechtsspezifischer Online-Belästigung schützen oder die Betroffene unterstützen sollen

Organisationen wie HateAid, die Betroffene von Hassrede juristisch beraten und vor Gericht unterstützen18 sowie das Netzwerk No-Hate-Speech19 (als deutscher Ableger des europäischen No-Hatespeech-Movement) bieten als zivilgesellschaftliche Akteure online ihre Dienste an.

 



ZEIT Online (24.11.2019).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2017).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2016).

Gazeas, N. (2016).

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2019).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2017b).

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020).

FAZ (25.11.2019).

Deutscher Bundestag (2018), S. 2.

Vgl. zum Folgenden Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (2017), S. 4.

Frauen gegen Gewalt e.V. (2017), S. 4.

Ebd., S. 9.

Ebd., S. 7 f.

Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (2017), S. 4.

Bundeskriminalamt (2018).

Digital made in de (2020).

Frauen gegen Gewalt e.V. (2020).

HateAid (2020); BMJV-gefördert.

No hate speech (2020).



Kinder

B.3

Wie nehmen Kinder das Internet wahr, und wie nutzen sie es?

Indikator 117: Aus Umfragen abgeleitete Wahrnehmungen des Internets bei Kindern, einschließlich Nutzungsbarrieren, Nutzungswert und Nutzungsängste, aggregiert und disaggregiert

Seit 1999 gibt es regelmäßig eine Studie zum Stellenwert der Medien im Alltag von Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren. Sie werden persönlich befragt, parallel dazu füllt die Haupterziehungsperson einen schriftlichen Fragebogen aus. Die neusten Ergebnisse stammen aus einer bundesweiten Befragung von 1.231 deutschsprechenden Kindern im Jahre 2018.1

In einer offenen Frage wurden die 6- bis 13-Jährigen gebeten zu beschreiben, was das Internet für sie ist. Die Antworten wurden nachträglich kategorisiert und zusammengefasst. Es wurde festgestellt, dass aus kindlicher Perspektive der Informationsaspekt besonders relevant für die Internetnutzung ist, aber auch andere Kategorien kamen in den Antworten der Kinder häufig vor (Information 51 %, Anwendung 39 %, Kommunikation 35 %, Allgemeines 29 %, Technik 14 %).2

Von den Kindern, die das Internet nutzen, hat jedes zehnte die Frage bejaht, ob es im Internet schon einmal auf etwas gestoßen ist, das für Kinder nicht geeignet ist. 5 % sind schon mit unangenehmen Inhalten in Kontakt gekommen und 4 % sind auf Verängstigendes gestoßen. Jungen sind tendenziell eher als Mädchen mit ungeeigneten Inhalten in Berührung gekommen. Mit zunehmendem Alter nimmt nicht nur die Internetnutzung zu, sondern auch die Wahrscheinlichkeit mit ungeeigneten Internetinhalten konfrontiert zu sein.3

Indikator 118: Daten über die Nutzung des Internet durch Kinder, aggregiert und disaggregiert, im Vergleich zu anderen Altersgruppen (z.B. Daten über Ort, Häufigkeit und Art der Nutzung)

Nach den Ergebnissen einer Befragung aus dem Jahre 2018 von 1.231 deutschsprechenden Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren nutzen 65 % der befragten Kinder den Internetanschluss ihrer Familie. Je älter die Kinder sind, desto eher erlauben ihre Eltern ihnen die Nutzung (6-7 Jahre: 32 %, 8-9 Jahre: 55 %, 10-11 Jahre: 79 %, 12-13 Jahre: 90 %).4 Von den Kindern, die das Internet zu Hause nutzen dürfen, nutzen es 40 % täglich oder fast täglich, weitere 41 % einmal oder mehrmals pro Woche, seltener wird es von 19 % der Befragten gebraucht (unabhängig davon, über welches Medium sie Zugang zum Internet haben).5

Mit steigendem Alter nutzen die Kinder Medien zunehmend autonom, also ohne Eltern, Geschwister oder Freunde. Dies gilt insbesondere für das Surfen im Internet (mache ich eher alleine: 6-7 Jahre: 8 %, 12-13 Jahre: 72 %) und für den Bereich Online-Recherche für die Schule (6-7 Jahre: 2 %, 12-13 Jahre: 63 %).6

Für Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 17 Jahren liegen aktuelle Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 1.044 Kindern und Jugendlichen in Deutschland vor, die 2019 für die international vergleichende Studie EU Kids Online durchgeführt wurde.7 Danach nutzen die 9-11-Jährigen Online-Angebote im Durchschnitt 1,4 Stunden pro Tag, bei den 12-14-Jährigen sind es täglich durchschnittlich 2,4 Stunden und bei den 15-17-Jährigen sogar 3,4 Stunden.8

Die Selbsteinschätzung der bei EU Kids Online befragten Kinder und Jugendlichen bezüglich onlinebezogener Fähigkeiten ist überwiegend positiv. Andererseits haben 9 % der Kinder und Jugendlichen im Jahr vor der Befragung online etwas erlebt, das für sie schlimm war oder sie sogar verstört hat (z. B. etwas, bei dem sie sich unwohl gefühlt haben, was ihnen Angst gemacht hat oder wovon sie dachten, sie hätten es nicht sehen sollen).9

 



Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2018).

Ebd., S. 31.

Ebd., S. 61.

Ebd., S. 28.

Ebd., S. 32.

Ebd., S. 16.

Vgl. zum Folgenden Hasebrink, U.; Lampert, C.; Thiel, K. (2019)); für die international vergleichenden Ergebnisse sh. eukidsonline.net.

Bei der ARD/ZDF-Onlinestudie 2018 wurde für die Altersgruppe der 14-19-Jährigen sogar eine Onlinenutzung von 5,7 Stunden und für die Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren eine Onlinenutzung von 3,3 Stunden täglich ermittelt; sh. Frees, B.; Koch, W. (2018).

Ebd., S. 404.



B.4

Gibt es einen rechtlichen und politischen Rahmen zur Förderung und zum Schutz der Interessen von Kindern im Internet, und wird dieser wirksam umgesetzt?

Indikator 119: Vorhandensein eines politischen Rahmens und rechtlicher Schutzmaßnahmen, die mit der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) vereinbar sind, und Nachweis, dass diese von der Regierung und anderen zuständigen Behörden umgesetzt werden

Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention und die drei Fakultativprotokolle unterzeichnet und ratifiziert.1 Die Aufsicht über die Umsetzung und Kontrolle obliegt dem Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).2

Rechtliche Grundlagen für den Jugendmedienschutz sind das Jugendschutzgesetz (JSchG), der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), die Audiovisuelle Mediendienst-Richtlinie (AVMD-RL), der Glückspiel-Staatsvertrag, der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) und das Telemediengesetz (TMG). Das neue Jugendschutzgesetz, das im Herbst 2020 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, versucht, das Jugendschutzgesetz an digitale Phänomene anzupassen. Darunter fallen der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Interaktionsrisiken wie Mobbing, sexuelles Grooming oder Kostenfallen, verstärkte Orientierung für Eltern, Fachkräfte und Jugendliche durch einheitliche Alterskennzeichen, und die Durchsetzung der Regelungen auch gegenüber ausländischen Unternehmen, die Kinder und Jugendliche besonders viel nutzen.

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) ist die zentrale Aufsichtsstelle für den Jugendschutz im privaten bundesweiten Fernsehen sowie im Internet. Ihre Aufgabe ist es, für die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen zu sorgen und im Rahmen der regulierten Selbstregulierung die Selbstverantwortung der Unternehmen fördern. Bei Verstößen entscheidet die KJM über die Anwendung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen (Beanstandung, Untersagungen, Bußgelder). Die KJM wird dabei als Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt tätig, die die Beschlüsse der Kommission vollzieht. Die KJM wird im Bereich Internet durch das gemeinsam von Bund und Ländern gegründete Kompetenzzentrum jugendschutz.net unterstützt.



Deutsches Institut für Menschenrechte (2020).

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2014).



Nachhaltige Entwicklung

C.1

Beziehen nationale und sektorale Entwicklungspolitiken und -strategien für nachhaltige Entwicklung IKT, Breitband und das Internet wirksam ein?

Indikator 120: Vorhandensein einer neueren, umfassenden Politik für die Entwicklung der IKT, des Breitbands und des Internets, die auch Überlegungen zu den voraussichtlichen künftigen Entwicklungen in diesen Bereichen einschließt

Bereits 2001 hat die Bundesregierung einen Rat für Nachhaltige Entwicklung gegründet, der aus 15 Personen des öffentlichen Lebens besteht. Er hat die Aufgabe, die Beiträge für die Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, konkrete Handlungsfelder und Projekte zu benennen und Nachhaltigkeit zu einem wichtigen öffentlichen Anliegen zu machen.1 Er hat jüngst das Thema Kommunikationstechnik explizit aufgegriffen und ein Start-Up, das nachhaltigen Mobilfunk in Deutschland etablieren will – mit strengem Datenschutz, einer klimapositiven CO2-Bilanz, zertifiziert nach den Regeln der Gemeinwohlökonomie – als Transformationsprojekt Nachhaltigkeit 2019 ausgezeichnet.2

Ein umfangreiches Gutachten zum Thema Nachhaltigkeit in der Entwicklung in den Bereichen IKT, Breitband und Internet hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) vorgelegt.3 Darin macht er deutlich, wie die Digitalisierung die weitere gesellschaftliche Entwicklung durchzieht und prägt, und er fordert dazu auf, die Digitalisierung in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen.4 Besonders die im WGBU-Bericht ausgedrückte Empfehlung, die Digitalisierung „in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen“ und von einer „Gegenwartsverwaltung“ zu einer „Zukunftsgestaltung“ überzugehen, kann politikleitende Kraft entfalten. Der Bericht zeigt auf, wie Digitalisierungspolitik einen Beitrag zur Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschheit leisten und, bei entsprechender demokratischer Kontrolle, individuelle Freiheitsräume sichern und den Zusammenhalt der Gesellschaften stärken kann. Der WBGU-Bericht weist auch darauf hin, dass die Entwicklung digitaler Technologien in eine „Strategie nachhaltiger Entwicklung eingebettet“ sein muss, die einen weiteren Zeithorizont als 2030, dem Zieljahr der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs), hat. Auch das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung arbeitet zur Nachhaltigkeit der Digitalisierung und die Digitalisierung der Nachhaltigkeit.5

Für die Nutzung von Frequenzbereichen für Mobilfunk, Internetzugang und konkurrierende Nutzungen hat die Bundesnetzagentur bereits im Juni 2013 ein Strategiepapier veröffentlicht, in dem sie ihre konzeptionellen Erwägungen zur kurz-, mittel- und langfristigen Verfügbarkeit der Frequenzressourcen für den Breitbandausbau in Deutschland vorstellt.6 Bei der Vergabe von Frequenzen für den Mobilfunk werden den netzbetreibenden Unternehmen Auflagen zur tatsächlichen Nutzung der zugewiesenen Frequenzen gemacht. Die Bundesnetzagentur hat allerdings festgestellt, dass die netzbetreibenden Unternehmen Telefónica, Telekom und Vodafone zum Jahresende 2019 „die Erfüllung der Versorgungsauflagen nicht im vollen Umfang fristgerecht nachweisen konnten.“7

In ihrem Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 haben die Regierungsparteien unter anderem Leitlinien für die Entwicklung der Infrastruktur für Kommunikation und Information festgelegt. Danach sollen bis 2025 alle Staatsangehörigen einen rechtlichen Anspruch auf Zugang zum schnellen Internet bekommen.8

Ein zentraler Bezugspunkt für die Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung, auch mit Blick auf die Entwicklungszusammenarbeit, sind die 2015 von den Staats- und Regierungschefs der UN-Mitgliedsstaaten verabschiedeten Ziele für nachhaltige Entwicklung; sie wurden zuletzt 2018 aktualisiert.9 Mit Blick auf die öffentliche Kommunikation ist hier vor allem das Ziel 16 in den Blick zu nehmen: „Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen.“ Als Unterziel 16.10 wird die Gewährleistung des öffentlichen Zugangs zu Informationen genannt. Eine nationale Berichtsplattform zu den Indikatoren der globalen Nachhaltigkeitsziele wurde vom Statistischen Bundesamt eingerichtet und 2019 freigeschaltet. Hier wird zu diesem Indikator auf das Informationsfreiheitsgesetz verwiesen, das 2005 in Kraft getreten ist. Es verpflichtet die Behörden des Bundes, Zugang zu amtlichen Informationen zu gewähren.



Rat für nachhaltige Entwicklung (2020a).

Rat für nachhaltige Entwicklung (2020b).

Ebd., S. 413.

Bundesnetzagentur (2013).

Bundesnetzagentur (2020d).

Die Bundesregierung (2018c), S. 38.

Bundesregierung (2018f).



C.7

Welcher Anteil der Unternehmen, einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen, nutzt das Internet und den elektronischen Handel?

Indikator 121: Anteil der KMU, die das Internet nutzen, nach Art des Zugangs

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts verfügte 2018 etwa die Hälfte (51 %) aller Unternehmen mit Internetzugang und mindestens zehn Beschäftigten über schnelles Internet (mindestens 30 Mbit/s). Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von neun Prozentpunkten (2017: 42 %).1

Einer 2018 durchgeführten Unternehmensbefragung zufolge nutzten 83,5 % aller befragten Unternehmen mindestens eine digitale Technologie. Bei Unternehmen mit 50-249 Mitarbeitenden lag der Anteil bei 88 %, bei Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden sogar bei 90,2 %.2

Am häufigsten wurden digitale Technologien laut dieser Studie für den digitalen Datenaustausch mit der Kundschaft oder mit Liefer- und Dienstleistungsfirmen genutzt (64,7 %), gefolgt von digitalen Vertriebswegen wie Online-Shops (50,9 %) und digitalen Dienstleistungen wie Cloud-Services (37,8 %). Anwendungen wie das Internet der Dinge, Big-Data-Analysen und die Vernetzung und Steuerung von Maschinen und Anlagen über das Internet waren hingegen nicht weit verbreitet, wie die folgende Tabelle zeigt.3

Bei einer anderen, ebenfalls 2018 durchgeführten Unternehmensbefragung gaben 81,6 % der Unternehmen an, dass mindestens die Hälfte ihrer Belegschaft stationäre Endgeräte wie Computer nutzte. Die Hälfte der Unternehmen (50,7 %) gab an, dass mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden mobile Endgeräte nutzten. In 26,3 % der Unternehmen nutzte die Mehrheit der Beschäftigten digitale Dienste und in 72,6 % der Unternehmen nutzte sie digitale Infrastrukturen.4

Diese Studie widmete sich auch den branchenspezifischen Digitalisierungsgraden anhand eines Rankings, das die Nutzung digitaler Geräte, den Stand der unternehmensinternen Digitalisierung und die Auswirkung der Digitalisierung auf die Unternehmen berücksichtigte und damit einen Index bildete (Wirtschaftsindex DIGITAL).5 Bei diesem Ranking erreichte die IKT-Branche den höchsten Index-Wert (74 Punkte von 100), gefolgt von der Branche der wissensintensiven Dienstleistungen (63), den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (61), dem Handel (54), der Chemie- und Pharmabranche (50), Maschinenbau (48) und Energie- und Wasserversorgung (47). Die geringste Punktzahl im Rahmen des Index erzielte das Gesundheitswesen (37).6

Indikator 122: Wahrnehmung des Wertes der Internetnutzung durch KMU

Den Nutzen der Digitalisierung sehen Unternehmen in verschiedenen Bereichen. So gaben 2018 bei der genannten Befragung 69 % der Unternehmen an, dass die Digitalisierung zu einer Verbesserung der Kommunikation mit der Kundschaft durch Nutzung digitaler Kanäle führe. Auch der Aufbau erfolgsrelevanten Wissens im Unternehmen (53 %), die Verbesserung der Qualität von Produkten oder Angeboten (52 %), die Steigerung der Innovationsfähigkeit durch digitale Prozesse und Anwendungen (47 %), die Erschließung neuer Märkte oder Zielgruppen (46 %), die Kostensenkung durch die Digitalisierung interner Prozesse, Arbeitsabläufe und Ressourcen (44 %), das Erlangen von Wettbewerbsvorteilen durch digitale Angebote für die Kundschaft (37 %), die Entwicklung neuer digitaler Dienste, die das bestehende Leistungsangebot ergänzen (34 %) sowie die Entwicklung gänzlich neuer Produkte/Dienstleistungen (24 %) oder gänzlich neuer Geschäftsmodelle (22 %) wurden als Erfolgsfaktoren hinsichtlich der Digitalisierung identifiziert.7 Ein Viertel der im Rahmen des Wirtschaftsindex DIGITAL befragten Unternehmen gab an, einen sehr hohen Umsatz (mindestens 60 % des Gesamtumsatzes) mit digitalen Angeboten zu erzielen. Der Einfluss der Digitalisierung auf den Unternehmenserfolg wurde von 31,4 % der Befragten als äußerst stark oder sehr stark bewertet.8



Statistisches Bundesamt (2018d).

KOFA (2019), S. 9.

Ebd. S. 8.

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2018b), S. 4.

Ebd.

Ebd., S. 9.

Ebd., S. 14.

Ebd., S. 5.



Vertrauen und Sicherheit

D.1

Gibt es eine nationale Cybersicherheitsstrategie, die sich an den internationalen Menschenrechtsstandards orientiert, einschließlich eines nationalen Computer-Notfallreaktionsteams (CERT) oder einer gleichwertigen Einrichtung?

Indikator 123: Vorhandensein einer Cybersicherheitsstrategie mit Beteiligung mehrerer Interessengruppen, die mit internationalen Rechten und Normen im Einklang steht.

Seit 2016 gibt es in Deutschland eine nationale Cyberstrategie.1 Außerdem besteht ein nationalen Cyber-Sicherheitsrat, dieser wird seit Juli 2017 durch einen Fachbeirat unterstützt.2 Leitbild der Strategie ist, dass „die Handlungsfähigkeit und Souveränität Deutschlands (...) auch im Zeitalter der Digitalisierung gewährleistet sein [müssen.]"3

Im nationalen Cyber-Abwehrzentrum (Cyber-AZ), tauschen die für Cyber-Sicherheitsfragen zuständigen Bundesbehörden Informationen zu Cyber-Vorfällen aus und teilen ihre Bewertungen und Analysen.4 Mit Cybersicherheit befasste Behörden bestehen auf Ebene der EU, des Bundes und der Länder.

Mit dem IT-Sicherheitsgesetz und dem Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wurden 2015 wichtige Schritte in Richtung einer Verbesserung der Sicherheit und eines Voranschreitens der Digitalisierungspolitik in Deutschland unternommen. Das Gesetz schafft verbindliche Mindestanforderungen und Meldepflichten für die kritische Infrastruktur betreibenden Unternehmen. Außerdem wurde die Rolle des BSI als Organisation gestärkt.5

Indikator 124: Einrichtung eines nationalen CERT oder eines gleichwertigen Systems und Nachweis über dessen Wirksamkeit

Auf Bundesebene gibt es ein nationales Computer-Notfallreaktionsteam (Computer Emergency Response Team), das kurz CERT-Bund genannt wird. Innerhalb seiner Zuständigkeit für die Einrichtungen des Bundes ist es verantwortlich für die Erstellung und Veröffentlichung präventiver Handlungsempfehlungen zur Schadensvermeidung bei Hardware- und Softwareprodukten sowie zur Unterstützung von Maßnahmen zu Schadensbegrenzungen bei IT-Sicherheitsvorfällen. Er arbeitet eng mit dem IT-Lagezentrum und dem IT-Krisenreaktionszentrum zusammen und unterstützt diese in personeller Hinsicht.6

Zur Erfüllung dieser Aufgaben bietet das CERT-Bund einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst, der eingehende Meldungen über ungewöhnliche Vorfälle analysiert und daraus Empfehlungen ableitet, einen Warn- und Informationsdienst betreibt und die Bundesverwaltung bei akuten Gefährdungen alarmiert.7 Darüber hinaus stellt das CERT-Bund für Privatpersonen kostenlose Informationen auf der Plattform Bürger-CERT zur Verfügung, mit der alle Informationen über aktuelle Attacken durch Schadsoftwares und Sicherheitslücken in Computeranwendungen einsehen und abonnieren können.8

Der Bereich der öffentlichen Verwaltung in Deutschland organisiert sich innerhalb des Verwaltungs-CERT-Verbundes (VCV)9 auf Bundes- und Länderebene. Mittlerweile entstehen die ersten CERTs im kommunalen Bereich. Zusammen mit anderen deutschen Sicherheits- und Computer-Notfallteams – vor allem aus der Kreditwirtschaft – bildet der CERT-Bund den CERT-Verbund, der der Verbesserung der operativen Sicherheit dienen soll.10



Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2016).

Ebd.

Ebd.

Ebd., S. 28.

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2017).

CERT-Bund (2020).

Ebd.

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (2020c).

CERT-Verbund (2020).

Ebd.



D.4

Gab es in den letzten drei Jahren erhebliche Verstöße gegen die Cybersicherheit im Land?

Indikator 125: Häufigkeit und Art der gemeldeten Verstöße sowie Anzahl der betroffenen Einzelpersonen und Unternehmen

Das Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlicht jährlich ein Lagebild über die Cyberkriminalität in Deutschland; zuletzt im September 2020. Es berichtet, dass es im Jahre 2019 in Deutschland 100.514 Cybercrimes im engeren Sinne1 gab, was einen Anstieg um 15,4 % im Vergleich zu 2018 bedeutet. Bei einer Aufklärungsquote von 32,3 % gab es dabei 22.574 Tatverdächtige. Neben den erhobenen Daten wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen, da viele Fälle nicht gemeldet werden, weil die Taten nicht über das Versuchsstadium hinausgehen oder die Betroffenen sie nicht erkennen oder aus Scham oder Ängsten vor Reputationsverlusten oder wegen des Ausbleibens eines finanziellen Schadens nicht anzeigen.2

Als mögliche Schadenshöhe hat das BKA 88,0 Mio. Euro für die Cyberstraftaten im engeren Sinne berechnet, wobei dies – wie das BKA selbst anführt – dem tatsächlichen Schaden keineswegs entsprechen wird. Damit sei auch die große Diskrepanz zwischen den Berechnungen des BKA und den Berechnungen der Privatwirtschaft zu erklären.3

Aktuelle Ergebnisse einer stichprobenartigen Befragung von 1.070 deutschen Unternehmen im Auftrag von BITKOM zeigen, dass 75 % der befragten Unternehmen in den letzten zwei Jahren von einer Cyberstraftat betroffen waren und weitere 13 % es vermuten. Dies entspricht einem Anstieg zu 2017 von 9 %. 70 % der Unternehmen gaben an, dass sie durch die Cyberattacken finanzielle Schäden erlitten haben. In Bezug auf die entstanden Schäden berechnet BITKOM auf Basis einer Selbsteinschätzung der Unternehmen, dass durch die Cyberkriminalität pro Jahr Schäden in Höhe von 102,9 Mrd. Euro entstanden sind.4

Eine 2020 publizierte Erhebung des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) zu Cyberangriffen gegen Unternehmen in Deutschland kommt zu einer kleineren Zahl an betroffenen Unternehmen. Hier haben lediglich 41,1 % der stichprobenartig befragten Unternehmen angegeben, in den letzten 12 Monaten Opfer von Cyberattacken gewesen zu sein; 67 % der Unternehmen gaben an, überhaupt schon einmal Opfer von Cyberkriminalität geworden zu sein.5 Ein großer Teil der Unternehmen wurde in den zwölf Monaten vor der Befragung von Angriffen durch eine Schadsoftware getroffen: 12,5 % wurden durch (mindestens) einen Ransomware-Angriff, 11,3 % durch einen Spyware-Angriff, 21,3 % durch einen sonstigen Schadsoftware-Angriff geschädigt und 22 % waren von einen Phishing-Angriff betroffen.6

Auffällig ist auch die Prävalenzrate in Bezug auf die Branchenzugehörigkeit. Von den Unternehmen aus der Land- und Forstwirtschaft gaben 23,6 % an, dass sie schon einmal Opfer von Cyberkriminalität waren; demgegenüber waren es 48,4 % der befragten Unternehmen aus der Branche wirtschaftlicher Dienstleistungen.7

Zwischen Oktober 2017 und Oktober 2018 gab es zudem 21 gemeldete Fälle von Cyberangriffen auf Kritische Infrastrukturen (KRITIS), die Unternehmen bzw. Einrichtungen in den Sektoren Wasser, Energie, Ernährung, Informations- und Telekommunikationstechnik, Finanz- und Versicherungswesen, Transport und Verkehr, Gesundheit, Medien und Kultur, Staat und Verwaltung umfassen. Aufgrund der Wichtigkeit des Funktionierens dieser Einrichtung und Unternehmen für die Gesellschaft im Allgemeinen ist der Schutz dieser von besonderer Priorität. Trotzdem sind sich Fachleute und Betroffene einig, dass es, auch als Folge einer immer weiter digitalisierten Welt und Gesellschaft, eine Zunahme solcher Angriffe geben wird.8

Indikator 126: Wahrnehmung der Internetsicherheit bei Nutzenden, Unternehmen und anderen Interessengruppen

Wie bereits unter Indikator 124 erörtert, haben viele staatliche Einrichtungen die Relevanz der Cybersicherheit erkannt und Computer Emergency Response Teams (CERTs) eingerichtet. Auf diesem Gebiet bzw. bei Unternehmen von mittlerer bis großer Größe herrscht eine gewisse Sensibilität für Herausforderungen der Cybersicherheit.9

Dennoch hat sich bei einer stichprobenartigen Befragung von Unternehmensvertretungen gezeigt, dass je größer das Unternehmen ist, desto geringer wird das allgemeine Risikobewusstsein der Belegschaft eingeschätzt. Demgegenüber wird von den Unternehmensvertretungen davon ausgegangen, dass die Geschäftsführung ihres Unternehmens die IT-Risiken besser einschätzen als die Belegschaft.10

Während in einer Studie der BITKOM eine breite Mehrheit von 82 % der Unternehmen davon überzeugt ist, dass künftig noch mehr Cyberattacken auf ihr Unternehmen verübt werden,11 halten in der Studie von PWC 31,5 % der Befragten das Risiko eines ungezielten Cyberangriffs im nächsten Jahr für eher hoch oder sehr hoch und nur 7 % das Risiko eines gezielten Cyberangriffs für eher hoch oder sehr hoch.12

Bezüglich der Wahrnehmung der Internetsicherheit durch die einzelnen Internetnutzenden ist ein aussagekräftiger Maßstab das Unterlassen verschiedener Internetaktivitäten aufgrund von Sicherheitsbedenken. 35 % der Internetnutzenden haben aufgrund von Sicherheitsbedenken die Pflege von beruflichen oder sozialen Netzwerken vernachlässigt und 25 % öffentliche WLAN-Netze gemieden, während lediglich 15 % der Nutzenden keine Waren oder Dienstleistungen über das Internet aufgrund von Sicherheitsbedenken bestellt haben. Lediglich 36 % der Internetnutzenden geben an, dass sie keine Aktivitäten im Internet aus Sicherheitsgründen unterlassen haben.13

Vor einem Verlust ihrer Daten schützen sich 59 % der Internetnutzenden durch die Datensicherung auf einem externen Speichermedium oder in einer Cloud. 34 % der Nutzenden sichern ihre Daten nicht, während 7 % es überhaupt nicht wissen, ob sie ihre Daten speichern.14

Indikator 127: Daten zu Phishing, Spam und Bots in Domänen auf nationaler Ebene

Hinsichtlich schädlicher Cyberangriffe bei Unternehmen durch Phishing kommen die aktuellen, von BITKOM und dem kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) publizierten Studien zu ähnlichen Ergebnissen. Laut BITKOM ist der Anteil der durch Phishing-Angriffe betroffenen Unternehmen von 15 % in 2017 auf 23 % in 2019 angestiegen; nach der Studie des KFN waren 22 % der befragten Unternehmen von Phishing betroffen.15

In der Studie des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) wird auch auf andere Arten der Cyberkriminalität wie Ransomware, Spyware oder DDoS eingegangen.16 Von Ransomware-Angriffen waren nach dieser Studie 12,5 % der Unternehmen betroffen, von Spyware 11,3 %. Außerdem wurden 2,8 % der Unternehmen von manuellem Hacking betroffen, 8,1 % von CEO-Fraud17 und 3,1 % von Defacing.18

Bezüglich des Anteils der von Malware betroffenen Unternehmen haben beide Studien mit 21,3 % (KFN), bzw. 23 % (BITKOM) ähnliche Befunde. Ganz unterschiedlich ist der Befund zu (D)DoS-Attacken19 auf Unternehmen. Während KFN nur einen Anteil der betroffenen Unternehmen von 6,4 % ausweist, gaben in der Studie von BITKOM 18 % der Unternehmen an, von (D)DoS Attacken betroffen gewesen zu sein.20

Hinsichtlich der Schädigungen durch Spam gibt es Daten der beiden E-Mail-Anbieter GMX.de und Web.de, bei denen nach eigenen Angaben die Hälfte der Deutschen ein E-Mail-Konto hat. Zusammen haben sie 2018 pro Tag durchschnittlich 150 Mio. E-Mails erkannt, die als Spam klassifiziert worden sind.21



Bundeskriminalamt (2020), S. 47. Der international anerkannten Bezeichnung „Cybercrimes“ im engeren Sinne werden in Deutschland die folgenden Straftatbestände nach dem Strafgesetzbuch zugeordnet: §§ 263a (Computerbetrug), 202a-202d (Ausspähen und Abfangen von Daten einschließlich Vorbereitungshandlungen und Daten-Hehlerei), 269 (Fälschung beweiserheblicher Daten), 270 (Täuschung im Rechtsverkehr), 303a (Datenveränderung), und 303b (Computersabotage).

Ebd., S. 47.

Ebd., S. 48.

Berg, A.; Niemeier, M. (2019), S. 2 und S. 6.

Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2019).

Ebd., S. 107.

Ebd., S. 103.

Bundeskriminalamt (2020), S. 54.

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (2020b).

Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2020).

Berg, A.; Niemeier, M. (2019), S. 10.

Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2020), S. 91.

Statistisches Bundesamt (2019f), S. 42 f.

Ebd., S. 44.

Berg, A.; Niemeier, M. (2019), S. 4; Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2020), S. 166.

Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2020), S. 107.

Betrugsmasche, bei der Firmen unter Verwendung falscher Identitäten zur Überweisung von Geld manipuliert werden.

Attacke auf eine Website, die die visuelle Wahrnehmung der Website verändert.

Nichtverfügbarkeit eines Internetdienstes, der eigentlich verfügbar sein sollte.

Berg, A.; Niemeier, M. (2019), S. 4; Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2020), S. 107.

Schwarz, L. (2019).



Rechtliche und ethische Aspekte des Internets

E.3

Wie nehmen Einzelpersonen die Vorteile, Risiken und Auswirkungen des Internets innerhalb des Landes wahr?

Indikator 128: Wahrnehmungen von Nutzen, Risiken und Auswirkungen des Internets, abgeleitet aus Haushalts- oder Meinungsumfragen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht

In der DIVSI-Studie (Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet) „Die Digitalisierung schreitet voran – Menschen voller Hoffnung und Optimismus“ von 2017 gaben 75 % der Befragten (84 % der befragten Männer, 68 % der befragten Frauen, in beiden Geschlechtern vor allem besser verdienende Personen mit einem höheren Bildungsabschluss) an, durch die Digitalisierung Vorteile für Deutschland insgesamt wahrzunehmen, 63 % sahen auch für sich persönlich vor allem Vorteile (68 % der befragten Männer, 58 % der befragten Frauen, in beiden Geschlechtern ebenfalls wieder vor allem besser verdienende mit einem höheren Bildungsabschluss).1

Lediglich 15 % der Befragten glauben, dass Deutschland durch die Digitalisierung eher Nachteile haben wird (9 % der befragten Männer, 20 % der befragten Frauen, in beiden Geschlechtern vor allem schlechter verdienende Personen mit einem niedrigeren Bildungsabschluss). 20 % sehen für sich persönlich vor allem Nachteile, aufgeschlüsselt nach 15 % der befragten Männer und 24 % der befragten Frauen, ebenfalls mit einem Überhang in den Gruppen mit niedrigerem Einkommen und geringerer Bildung.2

Von DIVSI in 2018 befragte 14-24jährige3 sehen Schadprogramme und das Ausspionieren von Zugangsdaten ebenso wie Betrug als größtes Risiko online. Aber auch Stalking, Beleidung und Mobbing wird mit bis zu 40 % der Nennungen als durchaus großes Risiko wahrgenommen. Hier gibt es durchaus geschlechtsspezifische Unterschiede: junge Frauen nehmen zahlreiche Risikoaspekte häufiger wahr, Jungen beziehungsweise junge Männer sehen vieles etwas weniger häufig problematisch,4 mit einem starken Überhang im Bereich Stalking und Hasskommentare:

Auch eine Zunahme von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche lässt sich online deutlich verzeichnen. Studien zeigen, dass viele Minderjährige bereits persönliche Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen oder Cyber-Grooming im Netz gemacht haben.5



Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (2017), S. 9 und S. 11.

Ebd.

Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (2018), S. 72 ff.

Ebd., S. 76.

sh. z.B. Jugendschutz.net (2019).



E.4

Geben Internetnutzende an, dass sie von anderen Internetnutzenden in erheblichem Maße belästigt werden, was sie davon abhält, das Internet in vollem Umfang zu nutzen?

Indikator 129: Verfügbarkeit von Meldemechanismen für Online-Belästigung oder -Missbrauch, einschließlich Meldevorkehrungen von Online-Diensteanbietern

Im Bereich Jugendschutz können bei den einzelnen Landesmedienanstalten Beschwerden wegen des Verdachts auf Verstöße gegen die Menschenwürde, bei Hass oder volksverhetzenden Inhalten direkt eingereicht werden (z.B. auf der Webseite der Landesanstalt für Medien NRW), die einzelnen Landesmedienanstalten nehmen im Verdachtsfall jedoch auch eigene Prüfungen vor und melden das Ergebnis an die KJM. Unterstützt wird die KJM durch die an sie organisatorisch angebundene jugenschutz.net, welche sich auf das Thema Digitale Gewalt spezialisiert hat. Über deren Meldestellen können überdies Hassinhalte gemeldet werden, um sie auf jugendmedienschutzrechtliche Verstöße überprüfen zu lassen. Dieses Projekt wird ebenfalls vom Bund gefördert.

Als erstes Projekt seiner Art wurde 2017 die Initiative „Verfolgen statt nur Löschen“ gestartet. Es handelt sich um eine Kooperation zwischen der Landesanstalt für Medien NRW (LfM NRW) und der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW). Innerhalb der Initiative kooperieren die LfM NRW mit der ZAC NRW, eingerichtet bei der Staatsanwaltschaft Köln, dem Landeskriminalamt NRW und den Medienhäusern der Mediengruppe RTL Deutschland, Rheinischen Post und dem Westdeutschen Rundfunk. Ihr Ziel ist es, Hassrede nicht nur zeitnah aus Kommentarspalten zu entfernen, sondern strafbare Äußerungen gezielt zur Anzeige zu bringen. Weitere Bundesländer haben ähnliche Initiativen umgesetzt bzw. beteiligen sich an ähnlichen Projekten. Zusätzliche Meldestellen auf Bundesebene sind die Meldestelle „respect!“ gegen Hetze im Internet, bei der bedrohliche Inhalte entgegengenommen und geprüft werden. Beiträge, die den Tatbestand der Volksverhetzung, Beleidigung, üblen Nachrede oder Verleumdung erfüllen, leitet die Meldestelle dann den Plattformbetreibern mit der Aufforderung zur Löschung weiter. Fälle der Volksverhetzung nach §130 StGB werden von der Meldestelle zur strafrechtlichen Verfolgung angezeigt.1 Ähnlich funktioniert das hessische Angebot der Meldestelle „Hass melden!“2/„Hessen gegen Hetze“.3 Außerdem gibt es eine zentrale Meldestelle für rechtsextreme Inhalte im Internet von jugendschutz.net, die sich nach der Prüfung ebenfalls um das Entfernen der gemeldeten Inhalte bemühen.4 Hinzukommen die Meldestellen Antisemitismus für Baden-Württemberg5 und Report-Antisemitism (bundesweit).6

Als gesetzliche Grundlage für Maßnahmen gegen Digitale Gewalt und Hassrede fungiert das 2017 in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) dass Plattformen und Intermediäre dazu verpflichtet, wirksames und transparentes Beschwerdemanagement zur Verfügung zu stellen und in § 4 NetzDG den Unternehmen mit erheblichen Bußgeldern droht. In 2020 wurde eine Novellierung vorbereitet, die auch den Blick des NetzDG in Bezug auf Hasskriminalität erweitert.7 Zu der Verbesserung der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität arbeitet auch das Bundeskriminalamt (BKA) am Aufbau einer Meldestelle für strafrechtlich relevante Netzinhalte. Das Gesetz sieht im Wesentlichen Verbesserungen im Umgang mit gemeldeten/strafbaren Inhalten vor: in Sozialen Medien geäußerte Drohungen, Beleidigungen oder Verleumdungen gegenüber Personen in der Kommunalpolitik sollen künftig unter das Strafgesetzbuch fallen.8 In bestimmten Fällen müssen große Plattformen wie Facebook oder Twitter beanstandete Inhalte nun nicht nur löschen, sondern sie auch an das BKA melden.9

Das Gesetz gegen Rechtextremismus und Hasskriminalität darf durchaus so verstanden werden, dass sowohl der Faktor Rechtextremismus wie auch die Geschlechterdimension in den Blick genommen wurde. Über die Bestimmungen des NetzDG hinausreichende Transparenzberichte10 der Plattform-Anbieter sind aber weiterhin nicht konkret vorgeschrieben, dabei wären diese mit Blick auf Erkenntnisse zu geschlechtsspezifischen und intersektional verschränkten Formen von zum Beispiel Hassrede sehr hilfreich. Gleiches gilt für eine Erweiterung der Kategorien der Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes um die Kategorie Digitale (häusliche) Gewalt und Geschlecht und frauenfeindliche Tatmotive (Stichwort: Frauenverachtung als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit).11

Indikator 130: Daten über das Ausmaß, in dem Internet-Nutzende Belästigung oder Missbrauch melden, unter besonderer Berücksichtigung bestimmter demographischer und sozialer Gruppen (einschließlich Frauen, ethnischer und anderer Minderheiten sowie Menschen, die sich für die Rechte der Bevölkerung einsetzen)

Die Zahlen des Bundeskriminalamts zum Komplex Hassrede zeigen: ein Großteil der Hasskommentare (77 %) „lässt sich dem rechtsextremen Spektrum zuordnen, knapp 9 % der Kommentare sind linksextrem“.12 Die verbleibenden 14 % sind anderen Ideologien zuzuordnen oder weisen keine besondere politische Motivation auf.

Mit Blick auf eine geschlechtsspezifische, intersektionale Komponente im Bereich Hassrede kam die bundesweit repräsentative Studie „#Hass im Netz: Der schleichende Angriff auf unsere Demokratie“ im Juni 2019 zu dem Ergebnis, dass etwa 14 % der Menschen mit Migrationshintergrund bereits von Hassrede angegriffen wurden, gegenüber 6 % der Menschen ohne Migrationshintergrund.13

Die 2018 publizierte Studie „Hass auf Knopfdruck“ von Institute for Strategic Dialogue (ISD) und der Facebook-Aktionsgruppe #ichbinhier zeigt darüber hinaus, dass eine erhebliche Zunahme von koordiniertem Hass online festzustellen ist. Nach der Analyse von über 1,6 Millionen rechtsextremen Posts in sozialen Medien (Twitter und öffentliche Facebook-Seiten) im Zeitraum von Februar 2017 bis Februar 2018 haben einerseits explizit rassistische, antimuslimische und antisemitische Posts seit dem Inkrafttreten des NetzDG im Oktober 2017 abgenommen, andererseits aber sind koordinierte rechtsextreme Online-Hasskampagnen seit Dezember 2017 im Schnitt mehr als dreimal so häufig wie in den vorangegangen Monaten. Außerdem zeigt die Studie auf, dass es in diesen Kampagnen vielfach darum geht, gezielt Menschen in der Politik, Medienschaffende und politisch aktive Menschen unter Druck zu setzen und einzuschüchtern.14

Amnesty International bestätigte überdies in 2018, dass „Frauen mit dunkler Hautfarbe, Frauen religiöser oder ethnischer Minderheiten, lesbische, bisexuelle, transsexuelle oder intersexuelle (LBTI) Frauen, Frauen mit Behinderungen oder nichtbinäre Personen, die den traditionellen Geschlechternormen von Männern und Frauen nicht entsprechen, [im Internet] oft Formen von digitaler Gewalt ausgesetzt sind, der sie auf einzigartige oder besondere Weise betrifft.“15

An gleicher Stelle weist Amnesty International darauf hin, dass Frauen wie Feministinnen, die sich gezielt für Frauenrechte einsetzen, und Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, wie Journalistinnen und Politikerinnen, besonders von Hassrede betroffen sind.16 Diese Verquickung von Vulnerabilitäts-Faktoren bestätigt auch, was das vom Europarat gegründete No-Hate Speech-Movement festhält: „Wenn man sich anschaut, welche Frauen von Hassrede betroffen sind, fällt auf: Neben muslimischen und geflüchteten Frauen betrifft dieses Phänomen vor allem Feministinnen und jene, die in der Öffentlichkeit stehen.“17

Zwar finden wir in Deutschland kaum konkrete Zahlen für diesen Komplex, doch legt die internationale Studienlage nahe, dass ähnliche systemische Diskriminierungsmuster sich auch hier in gleicher Form tradieren.

Die derzeit aktuellste vorliegende Studie #Hass Im Netz zu den Erfahrungen deutscher Internetnutzenden mit Hassrede im Internet zeigt deutlich, dass Menschen, die Hassrede erfahren, sich nicht selten aus dem Internet zurückziehen. Sogenanntes, durch Hassrede hervorgerufenes Silencing wird oftmals gezielt eingesetzt, um gegen bestimmte (marginalisierte) Gruppen vorzugehen. Fast immer zieht dies mit Blick auf die Verursachenden keine rechtlichen Konsequenzen nach sich, führt aber nicht selten erfolgreich zu einem Rückzug der Betroffenen; fast die Hälfte (47 %) der Befragten ab 18 Jahren in Deutschland bestätigten die Aussage: „Ich selbst beteilige mich wegen Hassrede seltener an Diskussionen im Netz.“18 Ebenso macht diese Studie deutlich, gegen welche Gruppen in Deutschland Hassrede beobachtet wird: dazu gehören mehrheitlich Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen muslimischen und jüdischen Glaubens, Geflüchtete, Frauen, Menschen, die nicht dem aktuellen Schönheitsideal entsprechen, homo- und transsexuelle Menschen, finanziell schlechter gestellte Menschen und Menschen mit Behinderung.19

Zu diesem Kapitel sind Empfehlungen für verschiedene Stakeholder in Kapitel 8 zusammengefasst. 



Demokratiezentrum Baden-Württemberg (2020a).

Hassmelden (2020).

Hessen gegen Hetze (2020).

Hass im Netz (2020).

Demokratiezentrum Baden-Württemberg (2020b).

Report Antisemitism (2020).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2020).

Ebd.

Ebd.

Transparenzberichte, sh. z.B. Facebook (2020).

Deutscher Juristinnenbund (2019).

Bundeskriminalamt (2019) und, generell: Bundeskriminalamt (2020).

Geschke, D. et al. (2019), S. 23.

Ebner, J. et al. (2018); Dominat in diesem Feld ist die Identitäre Bewegung, deren Hashtags regelmäßig von AfD-Accounts und von russischen Medien wie RT und Sputnik aufgegriffen werden.

"In the case of online violence and abuse, women of colour, religious or ethnic minority women, lesbian, bisexual, transgender or intersex (LBTI) women, women with disabilities, or non-binary individuals who do not conform to traditional gender norms of male and female, will often experience abuse that targets them in a unique or compounded way" Amnesty International (2018), Kapitel 2.

Ebd.

Geisler, S. (2016).

Geschke, D. et al. (2019), S. 28.

Ebd., S. 20