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Rechte

Vereinigungsfreiheit und das Recht, an öffentlichen Angelegenheiten teilzunehmen

D.2

Können sich Nichtregierungsorganisationen frei online organisieren?

Indikator 32: Nachweis einer Online-Organisation und keine unzulässige Einmischung in eine solche Organisation.

Die Vereinigungsfreiheit ist in Art. 9 GG verankert und wird in der Praxis respektiert. Ausgenommen sind Vereinigungen, die sich gegen die demokratische Ordnung richten, z.B. im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus. Das gilt auch online. In Deutschland gibt es eine lebendige Sphäre von NGOs und Verbänden, die frei agieren. Viele davon sind online organisiert. Auch Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände sind in der Regel frei organisiert und spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des deutschen Wirtschaftsmodells. Eine Ausnahme bildet der Fall linksunten.indymedia.1

Im Jahr 2019 wurde mehreren (politischen) NGOs der steuerbefreite Status als gemeinnützige Organisationen aberkannt (§ 52 Abgabenordnung AO), nachdem der Bundesfinanzhof entschieden hatte, dass sie sich an Parteipolitik beteiligen. Dazu zählen unter anderem Attac2 und Campact3. Der Fall Attac wird momentan gerichtlich überprüft und der Verein hat angekündigt, notfalls bis vor das Verfassungsgericht zu ziehen, um zum einen den Status der Gemeinnützigkeit wiederzubekommen, zum anderen, um eine Rechtssicherheit die Frage betreffend, was als gemeinnützig gilt, zu schaffen.4 Rund 80 Organisationen haben sich in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammengeschlossen, denn der Status der Gemeinnützigkeit könnte einer Vielzahl von Organisationen aberkannt werden. Zu der Allianz gehören Amnesty International ebenso wie „Brot für die Welt“ oder der „Lesben- und Schwulenverband Deutschland“.



Verband der deutschen Internetwirtschaft eco e.V. (2009); Thurn, J. P.; Werdermann, D. (31.01.2020); Reuter, M. (09.06.2020); Laufer, D. (2020); Tagesspiegel. (26.11.2015); Schäfers, J. (25.05.2011).

Wieduwilt, H. (26.02.2019).

Süddeutsche Zeitung (21.10.2019).

Geers, T. (06.03.2019).



D.3

Gibt es Regierungsrichtlinien für E-Government und/oder E-Partizipation, die die Teilnahme an Regierungs- und öffentlichen Prozessen fördern?

Indikator 33: Vorhandensein von Regierungspolitiken für E-Government und E-Partizipation, einschließlich der Nutzung des Internets für öffentliche Konsultationen.

E-Partizipation und E-Government sind Teilbereiche der staatlichen Digitalisierungs­strategie. Im Rahmen des Prozesses zur Entwicklung des Weißbuches „Digitale Plattformen“ (2017), sowie der Künstlichen Intelligenz (KI)-Strategie der Bundesregierung wurden umfangreiche öffentliche Online-Konsultationen unter Beteiligung unterschiedlicher Interessengruppen durchgeführt.

Im Jahr 2013 hat der Bundestag ein Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung beschlossen, das auch E-Government-Gesetz (EGovG) genannt wird.1 In der Begründung heißt es, es sei „ein Gebot der Bürgernähe, dass staatliche Verwaltungen Bürgerinnen und Bürgern im privaten, ehrenamtlichen und wirtschaftlichen Alltag die Möglichkeiten zur Nutzung elektronischer Dienste zu erleichtern“ um damit die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung zu verbessern.2 Das Gesetz gilt für die Einrichtungen des Bundes und für die Behörden der Länder und Kommunen, wenn diese Bundesrecht anwenden. Es gibt einige Ausnahmen, z.B. für die Justizverwaltung. Das Gesetz verpflichtet jede Behörde, einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente bereitzuhalten. Die Behörden sollen u.a. in öffentlich zugänglichen Netzen über ihre Verfahren informieren, ihre Rechnungen elektronisch empfangen, Akten elektronisch führen, Verwaltungsabläufe optimieren und standardisieren und Daten, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhoben haben, zum Datenabruf in öffentlich zugängliche Netze bereitstellen.

Mit einem weiteren Gesetz, dem Onlinezugangsgesetz (OZG), hat der Bundestag 2017 Vorschriften erlassen, die den Onlinezugang zu Verwaltungsleistungen verbessern sollen.3 Danach sollen Bund und Länder bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anbieten und die Portale von Bund und Ländern zu einem Portalverbund verknüpfen. Während das E-Government-Gesetz nach Auffassung der Bundesregierung ein Ermöglichungsgesetz ist, verpflichtet das Onlinezugangsgesetz Bund und Länder zu konkreten Maßnahmen.4

Im Jahr 2019 hat die Bundesregierung den vom Gesetzgeber geforderten Bericht zur Evaluierung des E‑Government-Gesetzes und begleitender Vorschriften vorgelegt.5 Eine Befragung von Mitarbeitenden in der Verwaltung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Umsetzung des Gesetzes insgesamt noch gering ist (ein Viertel der befragten Verwaltungen habe sich auch nicht in der Pflicht gesehen, das Gesetz umzusetzen).6 Mehrheitlich vertraten befragte Fachleute die Auffassung, dass das Gesetz trotzdem eine positive Anstoßwirkung auf die Digitalisierung der Verwaltung habe. Für die weitere Implementation des Gesetzes wurden im Rahmen der Evaluation von der Unternehmensberatung Kienbaum Consultants International verschiedene Strategien unterhalb veränderter Gesetzgebung angeregt. Die Bundesregierung verweist darauf, dass durch die Fristsetzung zum Jahresende 2022 im Onlinezugangsgesetz ein erheblicher Handlungsdruck gegeben sei.7

Neben der Digitalisierung der Verwaltung werden im Bundestag auch die veränderten Partizipationschancen durch Online-Bevölkerungsbeteiligung bei der Parlamentsarbeit diskutiert. Dazu hat das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Bundestages 2017 einen umfangreichen Bericht vorgelegt.8 Bereits seit 2005 besteht beim Bundestag eine Plattform für elektronische Petitionen als eine Ausgestaltung des im Grundgesetz verankerten Petitionsrechts. Onlineforen gehören zu den frühen Formaten der Bürgerbeteiligung, sie werden auch weiterhin eingesetzt und ergänzt durch Onlinekonsultationen, die typischerweise eine Dauer von wenigen Wochen haben.

Die Bundesregierung hat mehrere Strategien beschlossen, die die Themenbereiche E-Government und E-Partizipation berühren. Dazu gehören die Digitale Agenda 2014-2017, die vorsieht, dass Deutschland als innovativer Staat digitale Dienstleistungen der Verwaltung für die Bevölkerung sowie Unternehmen anbieten soll. Außerdem hat die Agenda den Anspruch digitale Lebenswelten in der Gesellschaft zu gestalten und in digitalen Formaten mit gesellschaftlichen Gruppen in den Dialog zu treten. Die vierte Auflage der Umsetzungsstrategie Digitalisierung und die Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung von 2018 setzte die Ziele, KI für hoheitliche Aufgaben zu nutzen und Kompetenzen der Verwaltung anzupassen. Dazu plant die Bundesregierung beim Einsatz von KI in der Verwaltung eine Vorreiterrolle einzunehmen und damit zur Verbesserung von Effizienz, Qualität und Sicherheit von Verwaltungsdienstleistungen und die Bereitstellung offener Verwaltungsdaten beizutragen. Konkret ist in diesem Zusammenhang eine Evaluierung des ersten Gesetzes zur Änderung des E-Government-Gesetzes (“Offene-Daten-Gesetz") geplant. Das Weißbuch „Digitale Plattformen“9 (2017) sieht Schritte in die Richtung einer „Digitalen Ordnungspolitik für Wachstum, Innovation, Wettbewerb und Teilhabe“ vor. Konkret geplant ist der Entwurf eines Vertrauensdienstegesetzes (VDG). Es soll die Verordnung – wo nötig – ergänzen bzw. konkretisieren, um Vertrauensdienste-Anbietenden und -Nutzenden die Anwendung der – allgemein gehaltenen – eIDAS-Verordnung zu erleichtern und so Rechtssicherheit zu schaffen“10 Damit sollen Online-Geschäftsabschlüsse und E-Government umfassender, einfacher und sicherer zu gestalten sein.

Für jene Bereiche, die aufgrund gesetzlicher Aufträge auf Bundesebene Daten erheben und veröffentlichen, hat sich das Modell der Forschungsdatenzentren etabliert. Als wichtiger Dienstleister für die Zurverfügungstellung von Geodaten fungiert etwas das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, wobei selbst hier für nicht vom Bund finanzierte Einrichtungen ein umfassender Zugang nicht einfach ist. Hinsichtlich anderer forschungsrelevanter Daten bestehen große Hürden im Zugang und in der Erzeugung, die nicht primär auf datenschutzrechtliche Herausforderungen zurückzuführen sind.

Indikator 34: Werte/Rankings im Index der E-Partizipation der UNDESA.

Das UN Department of Economic and Social Affairs (UNDESA) beobachtet die Entwicklung des E‑Government durch Umfragen bei den Regierungen und legt dazu seit 2001 regelmäßig Berichte vor. Der jüngste Bericht ist von 2018; ein neuer Bericht ist in Vorbereitung.11 Im Mittelpunkt steht der E-Government Delevopment Index (EGDI), der zwischen 0 und 1 z-standardisiert ist.12 Mit einem Wert von 0,8765 erreicht Deutschland im Jahre 2018 international den Rang 12; zwei Jahre zuvor war es noch Rang 15.13 Der EGDI wird gemittelt aus den Subindizes OSI Online Service Index (0,306), HCI Human Capital Index (0,9036) und TII Telecommunication Infrastructure Index (0,7952).

In der gleichen Studie wird auch ein Index für E-Partizipation (EPI) gebildet, der die elektronische Bereitstellung von Informationen, Online-Konsultationen und Online-Entscheidungsprozessen mit direkter Beteiligung der Bevölkerung umfasst. Hier erreicht Deutschland Rang 23 mit einem Wert von 0,9213. Im 9-Punkte-Plan für ein digitales Deutschland sieht der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik, Bundes-Chief Information Officer (CIO) Dr. Markus Richter, Maßnahmen vor, die erste Schritte in Richtung einer Verbesserung skizzieren. Im Ergebnis wird es jedoch auf die konkrete Umsetzung der Ziele ankommen.



Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2013).

Deutscher Bundestag (2002), S. 1 f.

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz; Bundesamt für Justiz (2017).

Deutscher Bundestag (2019), S. 8.

Ebd.

Ebd., S.5.

Ebd., S.8.

Vgl. zum Folgenden: Deutscher Bundestag (2017).

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2017).

Ebd., S. 72 f.

United Nations (2001-2020).

Die z-Standardisierung erfasst die Differenz eines Messwertes zum Mittelwert und setzt diese in Relation zur Standardabweichung. Dadurch ist der Index nur ein Mittel zum Vergleich innerhalb einer Erhebung, er kann aber wegen des Bezuges zum Mittelwert keine Auskunft über die absolute Veränderung in einem Land geben.

United Nations (2018a), S. 89.