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Gender

A.1

Werden die Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in den nationalen Strategien und Richtlinien für die Entwicklung des Internets ausdrücklich berücksichtigt und wirksam überwacht?

Indikator 105: Die nationalen Strategien berücksichtigen ausdrücklich a) die Bedürfnisse von Frauen im Zusammenhang mit dem Internet und b) das Potenzial des Internets zur Unterstützung der Selbstbestimmung von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter

Die Bundesregierung berücksichtigt die Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in nationalen Strategien für die Entwicklung, so u.a. in der Digitalen Agenda für 2014-2017, der Umsetzungsstrategie Digitalisierung (2020) und insbesondere auch im Zusammenhang mit der Gleichstellungsstrategie (2020).

In Kapitel IV der Digitalen Agenda 2014-2017 zum Thema Digitale Lebenswelten in der Gesellschaft gestalten wird explizit darauf abgehoben, die Chancen für Familien und Gleichstellung zu stärken:

„In der Gestaltbarkeit der digitalen Lebenswelten liegt auch ein großes gleichstellungspolitisches Potenzial – etwa durch die Stärkung der partnerschaftlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, durch neue Formen politischer Teilhabe oder auch durch neue Möglichkeiten für Frauen und Männer, sich geschlechtsuntypische Aktionsfelder zu erschließen und damit Rollenstereotype aufzubrechen. Diese Herausforderung wollen wir annehmen und das Thema „Gleichstellung im Netz“ als eigenständiges Thema voranbringen.“1

In der Umsetzungsstrategie Digitalisierung („Digitalisierung gestalten“ (4. Aufl., 06/20))2 der Bundesregierung wird im Handlungsfeld Digitale Kompetenz im Schwerpunkt Kompetente Gesellschaft darüber hinaus explizit auf den Schutz von Frauen und Mädchen vor digitaler Gewalt verwiesen. Zudem nennt die Bundesregierung in dieser Strategie die Gleichstellung als „durchgängiges Leitprinzip, das bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesministerien in ihren Bereichen gefördert werden soll, also auch bei der Digitalisierung.“3 Auf internationaler Ebene setzt sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit der #eSkills4Girls-Initiative überdies seit der deutschen G20-Präsidentschaft im Jahr 2017 für die digitale Gleichberechtigung und Inklusion von Frauen und Mädchen in Entwicklungs- und Schwellenländern ein.4

Die Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung „Stark für die Zukunft“ (2020)5 zielt in Kapitel 2.3 Digitale Lebens- und Arbeitswelt außerdem darauf ab, die Auswirkungen von Digitalisierung und den Einsatz von algorithmischen Systemen diskriminierungsfrei zu gestalten und so zum Abbau von Geschlechterungleichheiten beizutragen.6 Zu diesem Zweck sollen Frauen und Männer gleichermaßen an der Entwicklung von IKT beteiligt werden und die Unterrepräsentanz von Frauen im zur Digitalisierung gehörenden MINT-Bereich behoben werden.7 Zudem müssen gleichstellungspolitische Standards auch in der digitalen Lebens- und Arbeitswelt gesetzt werden. Dazu gehören unter anderem die Verhinderung unzulässiger Diskriminierungen beim Einsatz algorithmenbasierter Entscheidungen, sowie die Überprüfungen des Arbeitsschutzes in der digitalen Arbeitswelt, wie auch die Überprüfung des dort wirkenden Diskriminierungsschutzes.8

In Kapitel 2.8 wird die Vereinbarkeit und gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen im öffentlichen Dienst des Bundes gefordert. Eine gleichberechtigte Teilhabe an Leitungsfunktionen des öffentlichen Dienstes soll bis spätestens 31. Dezember 2025 für den Geltungsbereich des Bundesgleichstellungsgesetzes festgeschrieben werden und auch die Teilzeittätigkeit in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes soll stärker als bisher ermöglicht werden.9

2019 hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht („Chancen von Frauen und Männern in der digitalen Wirtschaft“)10 berufen. Dieser Bericht soll vorrangig die Fragestellung behandeln, wie die Digitalisierung die Gleichstellung der Frauen fördern kann. Das Gutachten mit einer Stellungnahme der Bundesregierung soll im Frühjahr 2021 vorliegen.11

Die Europäische Union verpflichtet darüber hinaus alle ihre Mitgliedstaaten durch ihre Rechtsetzung und weitere Maßnahmen, Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu beseitigen. Prominentes Beispiel für die Umsetzung von EU-Richtlinien in diesem Bereich in Deutschland ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welches Benachteiligungen auch aufgrund des Merkmals des Geschlechts verbietet. Auch der Europarat beschließt Konventionen, Programme und Empfehlungen zur Sicherung der Menschenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter, zuletzt das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (Istanbul Konvention), das für Deutschland am 1. Februar 2018 in Kraft getreten ist12 und das durchaus auch mit Blick auf Digitale Gewalt herangezogen werden könnte.

Das Bundesgleichstellungsgesetz hat darüber hinaus die Aufgabe, in den Dienststellen des Bundes die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern, insbesondere auch in Führungspositionen.13

Die Bundesregierung verfolgt im Rahmen ihrer Umsetzungsstrategie „digital-made-in.de“ eine Reihe unterschiedlicher Schwerpunktmaßnahmen. Darunter werden Vorhaben zur Medienkompetenzförderung unter dem Titel „Gutes Aufwachsen mit Medien“ durch ein Initiativbüro vernetzt und koordiniert14 und speziell zum Schutz von Frauen und Mädchen vor digitaler Gewalt der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) gefördert, um Informationsarbeit zu leisten und das Unterstützungssystem zu qualifizieren. Im internationalen Kontext werden mit der #eSkills4Girls-Initiative digitale Kompetenzen von Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern gefördert, unter anderem durch die Unterstützung einer Programmierakademie für Frauen in Ruanda und die Teilnahme an der EQUALS-Initiative (The Global Partnership for Gender Equality in the Digital Age), an der die Bundesregierung durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beteiligt ist, das gemeinsam mit der UNESCO die Arbeitsgruppe zu digitalen Kompetenzen leitet. Seit 2018 werden in diesem Kontext Initiativen, die digitale Kompetenzen von Frauen und Mädchen in Afrika fördern, durch den „EQUALS Digital Skills Fund“ gefördert.15

Indikator 106: Anzahl von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Regierung, die sich mit IKT/Internet befassen

Im Gleichstellungsindex 201916 wurde die Gleichstellung von Frauen und Männern in den obersten Bundesbehörden ermittelt, allerdings nicht spezifisch für den Bereich IKT/Internet.

Die Anzahl von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Regierung, die sich mit IKT/Internet befassen, weist auf einen deutlichen Bias hin. Befasst mit IKT und Internet sind innerhalb der deutschen Regierung vor allem das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie AA. AA, BMI, BMVI und BMWi sind von Männern geführt, das BMJV wird von einer Ministerin geführt. Das mit einer Ministerin an der Spitze stehende BMJV erweist sich auch in seiner internen Organisationsstruktur auf den Leitungsfunktionen als durchaus gendersensibel,17 wohingegen die Ministerien für Inneres,18 für Wirtschaft und Energie19 und Verkehr20 neben der Spitzenebene auch auf den weiteren Leitungsebenen männlich dominiert sind. Einen Überblick über die mit IKT und Internet befassten Leitungspersonen gibt die folgende Tabelle.

Indikator 107: Umfang der Disaggregation der verfügbaren Daten über IKT-Zugang und -Nutzung nach Geschlecht

Schaut man auf die Verteilung nach Geschlecht, so finden sich Zahlen bezüglich des Zugangs zum Internet vor dem Hintergrund des absoluten Geschlechts21 (männlich/weiblich; die Kategorie divers wird nicht erhoben/abgebildet), sowie Zahlen zur Nutzung des Internets vor demselben Hintergrund.22 Eine weitere Aufschlüsselung (z.B. nach Ethnie) ist allerdings nicht möglich.

Sowohl der quantitative, wie auch der qualitative Zugriff aufs Internet aufgeschlüsselt nach Geschlecht sind regelmäßig und stets aktualisiert verfügbar (in beiden Kategorien unterscheiden sich die Geschlechter zum Teil nur marginal23). Neben vielfältigen Statistiken, gebündelt bei statista24 und Zahlen des BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft)25 fällt in der Sonderauswertung des D21-Digital-Index 2018/2019 auf, dass es zwischen den Geschlechtern, gemessen an der Selbsteinschätzung, beim Zugang zur Digitalisierung, dem Nutzungsverhalten, der Kompetenz und der Offenheit nach wie vor noch Unterschiede gibt.26

Indikator 108: Vorhandensein nationaler Mechanismen zur Überwachung der Einbeziehung von Frauen in Strategien für den Internetzugang und die Internetnutzung

Auch das Vorhandensein nationaler Mechanismen zur Überwachung der Einbeziehung von Frauen in Strategien für den Internetzugang und die Internetnutzung ist nur schwer nachweisbar. Einzig das bereits oben erwähnte Monitoring des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst27 durch den alle zwei Jahre vorzulegenden Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamtes28 sei hier erneut erwähnt.

 

 

 



Bundesregierung (2014), S. 24.

Bundesregierung (2020), S. 25 ff.

Ebd.

Bundesregierung (2020a).

Bundesministerium für Gesundheit (2020).

Ebd., S. 17.

Ebd., S. 18.

Ebd.

Ebd., S. 22.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2019).

Ebd.

Bundesregierung (2018e).

In den obersten Bundesbehörden sind 36 % der Führungspositionen mit Frauen besetzt: Statistisches Bundesamt (2019f); sh. auch Biermann, Kai/Geisler, Astrid (12.11.2018).

Bundesregierung (2020), S. 26.

Bundesregierung (2020), S. 28.

Statistisches Bundesamt (2019f).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2020).

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020a).

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020).

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2020).

ITU (2019); Statistik dazu hier: Statistisches Bundesamt (2020b).

Nutzung des Internets: aufgeschlüsselt nach Geschlecht (keine großen Abweichungen) hier: Statistisches Bundesamt (2020a);
aufgeschlüsselt nach Alter (große Varianz) hier: Statistisches Bundesamt (2020d).

Ebd.

Statista (2020).

BVDW (2018).

 

Initiative D21 (2020).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2015).

Statistisches Bundesamt (2018c).



A.2

Gibt es eine digitale Kluft zwischen den Geschlechtern beim Internetzugang und bei der Internetnutzung, und wenn ja, wächst, stabilisiert oder verringert sich diese Kluft zwischen den Geschlechtern?

Indikator 109: Anteil der Personen, die das Internet nutzen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, im Vergleich zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Einkommen und Bildungsniveau

Laut Angaben des statistischen Bundesamtes nutzten 2019 90 % der Deutschen das Internet täglich oder fast jeden Tag. Aufgeschlüsselt nach Geschlecht ergeben sich nur geringe Unterschiede: 88 % der Frauen nutzen das Internet regelmäßig, sowie 91 % der Männer.1 Auch was die Nutzung des Internets zu privaten Zwecken betrifft, sind beide Geschlechter in allen Kategorien praktisch gleichauf (Teilnahme an sozialen Netzwerken/Suche nach Informationen/Online-Banking).2

Auswertungen, bei denen die Internetnutzung innerhalb der Geschlechter zusätzlich nach Einkommen und Bildung aufgeschlüsselt werden, liegen nicht vor. Da die Unterschiede zwischen den Geschlechtern gering sind, gibt es aber auch keinen Bedarf, zu klären, ob sie auf das Geschlecht oder andere damit verbundene Merkmale zurückzuführen sind.

Indikator 110: Anteile erwachsener Frauen und Männer mit mobilen Breitbandabonnements, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, im Vergleich zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Einkommen und Bildungsniveau

Laut D21-Digital-Index belief sich der Anteil der mobilen Internetnutzenden unter den weiblichen Befragten auf 71 % im Vergleich zu 78 % an männlichen mobilen Nutzern.3 Im Jahr 2018 haben rund 66 % der Frauen das Internet mit ihrem Smartphone oder Handy genutzt. Bei den Männern waren es 70 %, die ihr Smartphone zur Internetnutzung verwendet haben.4

Indikator 111: Erhebungsdaten zum Internet-Bewusstsein und zu Mustern der Internet-Nutzung, disaggregiert nach Geschlecht

Erhebungen des statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2019 ergaben, dass 56 % der Frauen und 54 % der Männer Soziale Medien zur privaten Kommunikation nutzten,5 die Nutzungsdauer von Sozialen Medien pro Werktag in Minuten (2019) differiert dabei durchaus: 106 Minuten bei Frauen, 81 Minuten bei Männern.6

Was die Nutzung des Internets zum Bestellen von Produkten/Dienstleistungen (Online-Shopping) angeht, ergibt sich diesbezüglich aufgeschlüsselt nach Geschlecht (2019) hingegen keine Differenz (Frauen: 66,4 % und Männer: 66,3 %).7 In 2015 bestand hier zwischen Männer und Frauen noch eine Differenz von 7,3 % zugunsten der Männer.8 Ähnlich wie bei der Internetnutzung im Allgemeinen ist auch hier eine Angleichung deutlich erkennbar.

Die Einstellung zum Internet dagegen zeigt durchaus Unterschiede. Männer geben z.B. häufiger an, im Internet etwas zu suchen, und das erfolgreich.

Das mag durchaus mit unterschiedlichen Kompetenzen zusammenhängen. Eine Abfrage nach der Kenntnis und dem Verständnis von digitalen Fachbegriffen nach Geschlecht (Anteil an Befragten, die die unten genannten Begriffe erklären können oder deren Bedeutung kennen),9 zeigt, dass mehr Männer als Frauen mit einschlägigen Begriffen vertraut sind.

Die Mehrheit der befragten Personen kann mit Begriffen aus dem Bereich Social Media (Fake News, Shitstorm) oder medial präsenten Themenfeldern (z.B Künstliche Intelligenz) etwas anfangen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind hier geringer, jedoch ausschließlich zugunsten der Männer. Bei den eher technischen Begriffen vergrößert sich die Kluft. Die weniger bekannten und eher technischen Begriffe (Industrie 4.0, Blockchain) sind innerhalb der befragten Personengruppe deutlich mehr Männern als Frauen bekannt.

Indikator 112: Wahrnehmung der Barrieren für den Zugang zum Internet und dessen Nutzung sowie des Wertes des Internetzugangs und der Internetnutzung, aufgeschlüsselt nach Geschlecht. (Siehe auch Indikatoren 73 und 82)

Dem Bericht des Digital Index 2019/2020 zufolge nutzen ältere Generationen und Personen mit niedriger Bildung das Internet noch immer deutlich seltener als andere. Zudem gilt: Je urbaner die Umgebung ist oder je mehr Personen im Haushalt leben, desto eher wird das Internet genutzt.10

Auch unter den Nicht-Nutzenden sind mit 67 % deutlich mehr Frauen (der eher älteren Jahrgänge, mit eher geringerem Bildungsstand).11 Schaut man auf die Nutzung von Social Media, so wird deutlich, dass YouTube, Twitter und die beruflichen Netzwerke LinkedIn und XING mehr von Männern als Frauen genutzt werden. TikTok hingegen erreicht tendenziell mehr Frauen, ebenso wie Pinterest.12



Statistisches Bundesamt (2020).

Statistisches Bundesamt (2020f).

Initiative D21 (2020), S. 14.

Statista (2019).

Statistisches Bundesamt (2020f).

BVDW (2019).

Statista (2020a).

Ebd.

Initiative D21 (2020), S. 31.

Ebd., S. 15.

Ebd., S. 19.

Ebd., S. 24.



A.5

Schützen das Gesetz, die Strafverfolgung und die Gerichtsverfahren Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Belästigung und Gewalt im Internet?

Indikator 113: Vorhandensein eines einschlägigen Rechtsrahmens und von Gerichtsverfahren

Die Zugehörigkeit zu oder Identifikation mit einem Geschlecht ist in Deutschland kein Anknüpfungsmerkmal für einen besonderen Schutz durch das Gesetz. Weder online noch offline.

Artikel 3 des Grundgesetzes lautet:

„(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Grundsätzlich ist demnach weder eine Diskriminierung noch eine bevorzugte Behandlung von Frauen und Mädchen von Verfassungswegen vorgesehen. Mädchen und Frauen werden durch das Gesetz nicht spezifisch vor Belästigung oder Gewalt im Internet geschützt, obwohl sie häufiger Opfer dieser Straftaten werden.1 Geschützt sind durch das Strafgesetzbuch StGB in diesem Zusammenhang insbesondere die persönliche Freiheit, sexuelle Selbstbestimmung, die Ehre sowie die körperliche Unversehrtheit.2

Der § 238 StGB der die sogenannte „Nachstellung“ unter Strafe stellt wurde im Jahr 2016 reformiert um das Phänomen des sog. Stalkings erfassen zu können.3 Inwiefern diese Gesetzesänderung tatsächlich zu einer Verbesserung des Schutzes von Stalkingopfern führt wird kontrovers diskutiert.4

Zivilrechtlich gibt es seit 2001 einen Schutz von Gewaltopfern durch das Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz - GewSchG)5. Seit 2017 stellt der Verstoß gegen Anordnungen nach § 1 dieses Gesetzes nach § 4 GewSchG eine Straftat dar, womit das Gesetz noch einmal verschärft wurde. Damit soll insbesondere auch häusliche Gewalt bekämpft werden.

Daneben schützt seit 2017 das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG) mittelbar Betroffene.6 Denn Dienstanbieter sind verpflichtet rechtswidrige Inhalte zu löschen, z.B. Inhalte die nach § 1 Abs. 3 NetzDG gegen §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 StGB verstoßen und nicht gerechtfertigt sind. In § 4 NetzDG sind bei Zuwiderhandlung empfindliche Bußgelder vorgesehen.

Mit Einführung des NetzDG funktioniert der Übertrag von Strafrechtstatbeständen auf digitale Sphäre zunehmend besser. Bspw. wurde mit der Aufnahme von § 241 StGB – „Bedrohung“ eine Grundlage im NetzDG geschaffen, mit der sich Frauen besser gegen Ankündigungen von und Drohungen mit sexueller oder sexualisierter Gewalt auf sozialen Netzwerken wehren können. Der „Stalking“-Straftatbestand des § 238 StGB wird im NetzDG allerdings nicht aufgegriffen Es bestehen gerade in der Praxis weiterhin große Lücken im Schutz von Frauen im Netz.

Problematisch ist auch, was unter Schwelle des Strafrechts passiert, insbesondere die Erosion demokratischer Grundprinzipien, die nicht mit Strafrecht greifbar sind. Dabei hilft dann auch nicht, dass Gerichte die Verantwortung haben, Gesetze durchzusetzen. Allerdings ist in dem Bereich der sexuellen und sexualisierten Gewalt, auch und gerade digital vermittelt, von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. In Deutschland gibt es zwar eine Vielzahl an Hilfsangeboten (z.B. Hilfehotlines), die es jedoch bisher nicht geschafft haben, die Situation für Frauen nachhaltig zu verbessern.7 Ein Defizit besteht insbesondere in der Bereitstellung von Plätzen in Frauenhäusern. Die Bundesfamilienministerin fordert aktuell einen Anspruch auf einen Platz in einem Frauenhaus gesetzlich zu verankern.8

Indikator 114: Inzidenz von geschlechtsspezifischer Belästigung und Gewalt im Internet, die Frauen und Mädchen erfahren

Zum Thema digitale Gewalt gibt es nur sehr begrenzte Forschungen und Daten. Als Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigte der Bundestag Ende 2018, dass die Justiz keine statistischen Informationen über digitale Gewalt an Frauen und Mädchen erhebt. Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts erfasst zwar, ob das Internet eine wesentliche Rolle bei der Verwirklichung von Straftaten spielte, jedoch ließ sich nicht sagen, ob es sich dabei um die als digitale Gewalt an Frauen und Mädchen klassifizierten Taten handelt.9

Es gibt keine internationale Definition von digitaler Gewalt im Internet. Das Europäische Institut für Geschlechtergleichheit (EIGE) hat jedoch einige Formen der Gewalt, die Menschen im Internet erfahren, zusammengetragen.10 Darunter fällt das sogenannte „Cyber-Stalking“, welches das Senden von beleidigenden oder bedrohlichen E-Mails, Textnachrichten (SMS) oder Sofortmitteilungen, das Posten beleidigender Kommentare und das wiederholte Verbreiten privater Fotos oder Videos der betroffenen Person im Internet oder per Handy umfasst. Belästigung gilt laut dem Institut als weitere Form digitaler Gewalt. Gemeint sind unerwünschte, eindeutig sexuelle Nachrichten, unangemessene Annäherungsversuche, Androhungen von körperlicher und/oder sexueller Gewalt und Hassreden (verunglimpfende, beschimpfende oder bedrohende Sprache auf Grundlage der Identität der betroffenen Person). Auch nicht einvernehmliche Pornografie, auch Cyber-Ausbeutung oder “Rache-Pornografie“ genannt, wird zu den digitalen Gewaltformen gezählt. Darunter wird die Verbreitung sexueller grafischer Fotografien oder Videos ohne Zustimmung der betroffenen Person verstanden.

Einzelne Ergebnisse deuten darauf hin, dass Frauen und Mädchen diese Formen von Gewalt häufiger erfahren als Männer, wie z.B. eine 2017 durchgeführte Befragung unter beratend tätigen Beschäftigten in Frauenberatungsstellen und Frauennotrufen belegt. Die beratend tätigen Beschäftigten gaben ergänzend zu den vom Europäischen Institut für Geschlechtergleichheit aufgeführten Formen digitaler Gewalt an, dass ihre Klientinnen zusätzlich Gewalt in Form von Kontaktaufnahme durch Fake-Profile, auf die sehr oft Belästigung und (sexualisierte) Gewalt folgt, Identitätsklau, Liebesbetrug (Love Scamming), unerlaubtes Erstellen von Bildern oder Videos im öffentlichen Raum (z.B. in der Umkleidekabine) oder aktives Löschen wichtiger Dokumente erleben. Auch Kontrollausübung im Rahmen von Stalking in Form von Installieren von Spy-Apps oder Mitlesen von Nachrichten, wenn Passwörter bekannt sind, wurden genannt, ebenso wie heimliches Filmen über in privaten Räumen installierte Kameras oder das heimliche Abhören von Gesprächen.11

Die beratend tätigen Beschäftigten gaben an, dass Probleme junger Mädchen hinsichtlich digitaler Gewalt insbesondere im Bereich Mobbing, in der fehlenden Sensibilisierung bezüglich des Schutzes der eigenen Privatsphäre und der Gefahren von Sexting (Kommunikation sexueller Inhalte) und Grooming (gezielte Kontaktaufnahme Erwachsener mit Minderjährigen in Missbrauchsabsicht) bestünden.12

Der Großteil der befragten Beratungsstellen verzeichnete einen Anstieg der Beratungsanfragen zum Thema digitaler Gewalt in den letzten drei Jahren (seit 2014). Gewalt mittels digitaler Medien erscheint den Angaben zufolge immer häufiger als Begleitthema, sie liefert jedoch nicht den Hauptgrund, eine Beratung aufzusuchen.13

Das Europäische Institut für Geschlechtergleichheit hat darauf hingewiesen, dass Gewalt im Internet nicht als völlig eigenständiges Phänomen, sondern in einem Kontinuum mit internetunabhängiger Gewalt gesehen werden solle.14 In diesem Zusammenhang ist zu vermerken, dass nach der Statistik des Bundeskriminalamts für 2018 81,3 % der Opfer von Partnerschaftsgewalt weiblich sind.15

Indikator 115: Belege für Maßnahmen der Regierung, der Strafverfolgung und der Justiz zum Schutz von Frauen vor geschlechtsspezifischer Belästigung und Gewalt im Internet

Für Digitale Gewalt im Rahmen von Straftaten (z.B. Beleidigung, üble Nachrede etc.) sind in Deutschland zunächst die ortsansässige Polizei und Staatsanwaltschaften zuständig: so gibt es z.B. in Nordrhein-Westfalen die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC NRW) und in Hessen seit Anfang 2020 eine Generalstaatsanwaltschaft. Was Beratungsangebote angeht, die von der Regierung gefördert werden, so gibt es auf unterschiedlichen Ebenen (Kommunen/Länder/Bund) eine Vielzahl an Initiativen zahlreicher Opferhilfeeinrichtungen, die auch im Bereich der digitalen Gewalt Unterstützung anbieten (so z.B. die psychosozialen Betreuungs- und Beratungsstellen, ein Überblick über das Feld ergibt sich aus der Online-Datenbank der Beratungsstellen für Betroffene von Straftaten).

Das, im Rahmen der „Umsetzungsstrategie Digitalisierung“16 von der Bundesregierung unterstützte und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) - geförderte Projekt „Aktiv gegen digitale Gewalt“ des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff),17 das sich speziell gegen alle Formen der geschlechtsspezifischen Gewalt in digitalen Räumen richtet, klärt nicht nur über das Thema auf, sondern bietet auch direkte Hilfestellungen an.

Indikator 116: Vorhandensein von Online-Diensten, die Frauen vor geschlechtsspezifischer Online-Belästigung schützen oder die Betroffene unterstützen sollen

Organisationen wie HateAid, die Betroffene von Hassrede juristisch beraten und vor Gericht unterstützen18 sowie das Netzwerk No-Hate-Speech19 (als deutscher Ableger des europäischen No-Hatespeech-Movement) bieten als zivilgesellschaftliche Akteure online ihre Dienste an.

 



ZEIT Online (24.11.2019).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2017).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2016).

Gazeas, N. (2016).

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2019).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2017b).

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020).

FAZ (25.11.2019).

Deutscher Bundestag (2018), S. 2.

Vgl. zum Folgenden Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (2017), S. 4.

Frauen gegen Gewalt e.V. (2017), S. 4.

Ebd., S. 9.

Ebd., S. 7 f.

Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (2017), S. 4.

Bundeskriminalamt (2018).

Digital made in de (2020).

Frauen gegen Gewalt e.V. (2020).

HateAid (2020); BMJV-gefördert.

No hate speech (2020).



Kinder

B.3

Wie nehmen Kinder das Internet wahr, und wie nutzen sie es?

Indikator 117: Aus Umfragen abgeleitete Wahrnehmungen des Internets bei Kindern, einschließlich Nutzungsbarrieren, Nutzungswert und Nutzungsängste, aggregiert und disaggregiert

Seit 1999 gibt es regelmäßig eine Studie zum Stellenwert der Medien im Alltag von Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren. Sie werden persönlich befragt, parallel dazu füllt die Haupterziehungsperson einen schriftlichen Fragebogen aus. Die neusten Ergebnisse stammen aus einer bundesweiten Befragung von 1.231 deutschsprechenden Kindern im Jahre 2018.1

In einer offenen Frage wurden die 6- bis 13-Jährigen gebeten zu beschreiben, was das Internet für sie ist. Die Antworten wurden nachträglich kategorisiert und zusammengefasst. Es wurde festgestellt, dass aus kindlicher Perspektive der Informationsaspekt besonders relevant für die Internetnutzung ist, aber auch andere Kategorien kamen in den Antworten der Kinder häufig vor (Information 51 %, Anwendung 39 %, Kommunikation 35 %, Allgemeines 29 %, Technik 14 %).2

Von den Kindern, die das Internet nutzen, hat jedes zehnte die Frage bejaht, ob es im Internet schon einmal auf etwas gestoßen ist, das für Kinder nicht geeignet ist. 5 % sind schon mit unangenehmen Inhalten in Kontakt gekommen und 4 % sind auf Verängstigendes gestoßen. Jungen sind tendenziell eher als Mädchen mit ungeeigneten Inhalten in Berührung gekommen. Mit zunehmendem Alter nimmt nicht nur die Internetnutzung zu, sondern auch die Wahrscheinlichkeit mit ungeeigneten Internetinhalten konfrontiert zu sein.3

Indikator 118: Daten über die Nutzung des Internet durch Kinder, aggregiert und disaggregiert, im Vergleich zu anderen Altersgruppen (z.B. Daten über Ort, Häufigkeit und Art der Nutzung)

Nach den Ergebnissen einer Befragung aus dem Jahre 2018 von 1.231 deutschsprechenden Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren nutzen 65 % der befragten Kinder den Internetanschluss ihrer Familie. Je älter die Kinder sind, desto eher erlauben ihre Eltern ihnen die Nutzung (6-7 Jahre: 32 %, 8-9 Jahre: 55 %, 10-11 Jahre: 79 %, 12-13 Jahre: 90 %).4 Von den Kindern, die das Internet zu Hause nutzen dürfen, nutzen es 40 % täglich oder fast täglich, weitere 41 % einmal oder mehrmals pro Woche, seltener wird es von 19 % der Befragten gebraucht (unabhängig davon, über welches Medium sie Zugang zum Internet haben).5

Mit steigendem Alter nutzen die Kinder Medien zunehmend autonom, also ohne Eltern, Geschwister oder Freunde. Dies gilt insbesondere für das Surfen im Internet (mache ich eher alleine: 6-7 Jahre: 8 %, 12-13 Jahre: 72 %) und für den Bereich Online-Recherche für die Schule (6-7 Jahre: 2 %, 12-13 Jahre: 63 %).6

Für Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 17 Jahren liegen aktuelle Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 1.044 Kindern und Jugendlichen in Deutschland vor, die 2019 für die international vergleichende Studie EU Kids Online durchgeführt wurde.7 Danach nutzen die 9-11-Jährigen Online-Angebote im Durchschnitt 1,4 Stunden pro Tag, bei den 12-14-Jährigen sind es täglich durchschnittlich 2,4 Stunden und bei den 15-17-Jährigen sogar 3,4 Stunden.8

Die Selbsteinschätzung der bei EU Kids Online befragten Kinder und Jugendlichen bezüglich onlinebezogener Fähigkeiten ist überwiegend positiv. Andererseits haben 9 % der Kinder und Jugendlichen im Jahr vor der Befragung online etwas erlebt, das für sie schlimm war oder sie sogar verstört hat (z. B. etwas, bei dem sie sich unwohl gefühlt haben, was ihnen Angst gemacht hat oder wovon sie dachten, sie hätten es nicht sehen sollen).9

 



Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2018).

Ebd., S. 31.

Ebd., S. 61.

Ebd., S. 28.

Ebd., S. 32.

Ebd., S. 16.

Vgl. zum Folgenden Hasebrink, U.; Lampert, C.; Thiel, K. (2019)); für die international vergleichenden Ergebnisse sh. eukidsonline.net.

Bei der ARD/ZDF-Onlinestudie 2018 wurde für die Altersgruppe der 14-19-Jährigen sogar eine Onlinenutzung von 5,7 Stunden und für die Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren eine Onlinenutzung von 3,3 Stunden täglich ermittelt; sh. Frees, B.; Koch, W. (2018).

Ebd., S. 404.



B.4

Gibt es einen rechtlichen und politischen Rahmen zur Förderung und zum Schutz der Interessen von Kindern im Internet, und wird dieser wirksam umgesetzt?

Indikator 119: Vorhandensein eines politischen Rahmens und rechtlicher Schutzmaßnahmen, die mit der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) vereinbar sind, und Nachweis, dass diese von der Regierung und anderen zuständigen Behörden umgesetzt werden

Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention und die drei Fakultativprotokolle unterzeichnet und ratifiziert.1 Die Aufsicht über die Umsetzung und Kontrolle obliegt dem Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).2

Rechtliche Grundlagen für den Jugendmedienschutz sind das Jugendschutzgesetz (JSchG), der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), die Audiovisuelle Mediendienst-Richtlinie (AVMD-RL), der Glückspiel-Staatsvertrag, der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) und das Telemediengesetz (TMG). Das neue Jugendschutzgesetz, das im Herbst 2020 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, versucht, das Jugendschutzgesetz an digitale Phänomene anzupassen. Darunter fallen der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Interaktionsrisiken wie Mobbing, sexuelles Grooming oder Kostenfallen, verstärkte Orientierung für Eltern, Fachkräfte und Jugendliche durch einheitliche Alterskennzeichen, und die Durchsetzung der Regelungen auch gegenüber ausländischen Unternehmen, die Kinder und Jugendliche besonders viel nutzen.

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) ist die zentrale Aufsichtsstelle für den Jugendschutz im privaten bundesweiten Fernsehen sowie im Internet. Ihre Aufgabe ist es, für die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen zu sorgen und im Rahmen der regulierten Selbstregulierung die Selbstverantwortung der Unternehmen fördern. Bei Verstößen entscheidet die KJM über die Anwendung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen (Beanstandung, Untersagungen, Bußgelder). Die KJM wird dabei als Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt tätig, die die Beschlüsse der Kommission vollzieht. Die KJM wird im Bereich Internet durch das gemeinsam von Bund und Ländern gegründete Kompetenzzentrum jugendschutz.net unterstützt.



Deutsches Institut für Menschenrechte (2020).

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2014).



Nachhaltige Entwicklung

C.1

Beziehen nationale und sektorale Entwicklungspolitiken und -strategien für nachhaltige Entwicklung IKT, Breitband und das Internet wirksam ein?

Indikator 120: Vorhandensein einer neueren, umfassenden Politik für die Entwicklung der IKT, des Breitbands und des Internets, die auch Überlegungen zu den voraussichtlichen künftigen Entwicklungen in diesen Bereichen einschließt

Bereits 2001 hat die Bundesregierung einen Rat für Nachhaltige Entwicklung gegründet, der aus 15 Personen des öffentlichen Lebens besteht. Er hat die Aufgabe, die Beiträge für die Umsetzung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, konkrete Handlungsfelder und Projekte zu benennen und Nachhaltigkeit zu einem wichtigen öffentlichen Anliegen zu machen.1 Er hat jüngst das Thema Kommunikationstechnik explizit aufgegriffen und ein Start-Up, das nachhaltigen Mobilfunk in Deutschland etablieren will – mit strengem Datenschutz, einer klimapositiven CO2-Bilanz, zertifiziert nach den Regeln der Gemeinwohlökonomie – als Transformationsprojekt Nachhaltigkeit 2019 ausgezeichnet.2

Ein umfangreiches Gutachten zum Thema Nachhaltigkeit in der Entwicklung in den Bereichen IKT, Breitband und Internet hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) vorgelegt.3 Darin macht er deutlich, wie die Digitalisierung die weitere gesellschaftliche Entwicklung durchzieht und prägt, und er fordert dazu auf, die Digitalisierung in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen.4 Besonders die im WGBU-Bericht ausgedrückte Empfehlung, die Digitalisierung „in den Dienst der Nachhaltigkeit zu stellen“ und von einer „Gegenwartsverwaltung“ zu einer „Zukunftsgestaltung“ überzugehen, kann politikleitende Kraft entfalten. Der Bericht zeigt auf, wie Digitalisierungspolitik einen Beitrag zur Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschheit leisten und, bei entsprechender demokratischer Kontrolle, individuelle Freiheitsräume sichern und den Zusammenhalt der Gesellschaften stärken kann. Der WBGU-Bericht weist auch darauf hin, dass die Entwicklung digitaler Technologien in eine „Strategie nachhaltiger Entwicklung eingebettet“ sein muss, die einen weiteren Zeithorizont als 2030, dem Zieljahr der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs), hat. Auch das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung arbeitet zur Nachhaltigkeit der Digitalisierung und die Digitalisierung der Nachhaltigkeit.5

Für die Nutzung von Frequenzbereichen für Mobilfunk, Internetzugang und konkurrierende Nutzungen hat die Bundesnetzagentur bereits im Juni 2013 ein Strategiepapier veröffentlicht, in dem sie ihre konzeptionellen Erwägungen zur kurz-, mittel- und langfristigen Verfügbarkeit der Frequenzressourcen für den Breitbandausbau in Deutschland vorstellt.6 Bei der Vergabe von Frequenzen für den Mobilfunk werden den netzbetreibenden Unternehmen Auflagen zur tatsächlichen Nutzung der zugewiesenen Frequenzen gemacht. Die Bundesnetzagentur hat allerdings festgestellt, dass die netzbetreibenden Unternehmen Telefónica, Telekom und Vodafone zum Jahresende 2019 „die Erfüllung der Versorgungsauflagen nicht im vollen Umfang fristgerecht nachweisen konnten.“7

In ihrem Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 haben die Regierungsparteien unter anderem Leitlinien für die Entwicklung der Infrastruktur für Kommunikation und Information festgelegt. Danach sollen bis 2025 alle Staatsangehörigen einen rechtlichen Anspruch auf Zugang zum schnellen Internet bekommen.8

Ein zentraler Bezugspunkt für die Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung, auch mit Blick auf die Entwicklungszusammenarbeit, sind die 2015 von den Staats- und Regierungschefs der UN-Mitgliedsstaaten verabschiedeten Ziele für nachhaltige Entwicklung; sie wurden zuletzt 2018 aktualisiert.9 Mit Blick auf die öffentliche Kommunikation ist hier vor allem das Ziel 16 in den Blick zu nehmen: „Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen.“ Als Unterziel 16.10 wird die Gewährleistung des öffentlichen Zugangs zu Informationen genannt. Eine nationale Berichtsplattform zu den Indikatoren der globalen Nachhaltigkeitsziele wurde vom Statistischen Bundesamt eingerichtet und 2019 freigeschaltet. Hier wird zu diesem Indikator auf das Informationsfreiheitsgesetz verwiesen, das 2005 in Kraft getreten ist. Es verpflichtet die Behörden des Bundes, Zugang zu amtlichen Informationen zu gewähren.



Rat für nachhaltige Entwicklung (2020a).

Rat für nachhaltige Entwicklung (2020b).

Ebd., S. 413.

Bundesnetzagentur (2013).

Bundesnetzagentur (2020d).

Die Bundesregierung (2018c), S. 38.

Bundesregierung (2018f).



C.7

Welcher Anteil der Unternehmen, einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen, nutzt das Internet und den elektronischen Handel?

Indikator 121: Anteil der KMU, die das Internet nutzen, nach Art des Zugangs

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts verfügte 2018 etwa die Hälfte (51 %) aller Unternehmen mit Internetzugang und mindestens zehn Beschäftigten über schnelles Internet (mindestens 30 Mbit/s). Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs von neun Prozentpunkten (2017: 42 %).1

Einer 2018 durchgeführten Unternehmensbefragung zufolge nutzten 83,5 % aller befragten Unternehmen mindestens eine digitale Technologie. Bei Unternehmen mit 50-249 Mitarbeitenden lag der Anteil bei 88 %, bei Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden sogar bei 90,2 %.2

Am häufigsten wurden digitale Technologien laut dieser Studie für den digitalen Datenaustausch mit der Kundschaft oder mit Liefer- und Dienstleistungsfirmen genutzt (64,7 %), gefolgt von digitalen Vertriebswegen wie Online-Shops (50,9 %) und digitalen Dienstleistungen wie Cloud-Services (37,8 %). Anwendungen wie das Internet der Dinge, Big-Data-Analysen und die Vernetzung und Steuerung von Maschinen und Anlagen über das Internet waren hingegen nicht weit verbreitet, wie die folgende Tabelle zeigt.3

Bei einer anderen, ebenfalls 2018 durchgeführten Unternehmensbefragung gaben 81,6 % der Unternehmen an, dass mindestens die Hälfte ihrer Belegschaft stationäre Endgeräte wie Computer nutzte. Die Hälfte der Unternehmen (50,7 %) gab an, dass mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden mobile Endgeräte nutzten. In 26,3 % der Unternehmen nutzte die Mehrheit der Beschäftigten digitale Dienste und in 72,6 % der Unternehmen nutzte sie digitale Infrastrukturen.4

Diese Studie widmete sich auch den branchenspezifischen Digitalisierungsgraden anhand eines Rankings, das die Nutzung digitaler Geräte, den Stand der unternehmensinternen Digitalisierung und die Auswirkung der Digitalisierung auf die Unternehmen berücksichtigte und damit einen Index bildete (Wirtschaftsindex DIGITAL).5 Bei diesem Ranking erreichte die IKT-Branche den höchsten Index-Wert (74 Punkte von 100), gefolgt von der Branche der wissensintensiven Dienstleistungen (63), den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (61), dem Handel (54), der Chemie- und Pharmabranche (50), Maschinenbau (48) und Energie- und Wasserversorgung (47). Die geringste Punktzahl im Rahmen des Index erzielte das Gesundheitswesen (37).6

Indikator 122: Wahrnehmung des Wertes der Internetnutzung durch KMU

Den Nutzen der Digitalisierung sehen Unternehmen in verschiedenen Bereichen. So gaben 2018 bei der genannten Befragung 69 % der Unternehmen an, dass die Digitalisierung zu einer Verbesserung der Kommunikation mit der Kundschaft durch Nutzung digitaler Kanäle führe. Auch der Aufbau erfolgsrelevanten Wissens im Unternehmen (53 %), die Verbesserung der Qualität von Produkten oder Angeboten (52 %), die Steigerung der Innovationsfähigkeit durch digitale Prozesse und Anwendungen (47 %), die Erschließung neuer Märkte oder Zielgruppen (46 %), die Kostensenkung durch die Digitalisierung interner Prozesse, Arbeitsabläufe und Ressourcen (44 %), das Erlangen von Wettbewerbsvorteilen durch digitale Angebote für die Kundschaft (37 %), die Entwicklung neuer digitaler Dienste, die das bestehende Leistungsangebot ergänzen (34 %) sowie die Entwicklung gänzlich neuer Produkte/Dienstleistungen (24 %) oder gänzlich neuer Geschäftsmodelle (22 %) wurden als Erfolgsfaktoren hinsichtlich der Digitalisierung identifiziert.7 Ein Viertel der im Rahmen des Wirtschaftsindex DIGITAL befragten Unternehmen gab an, einen sehr hohen Umsatz (mindestens 60 % des Gesamtumsatzes) mit digitalen Angeboten zu erzielen. Der Einfluss der Digitalisierung auf den Unternehmenserfolg wurde von 31,4 % der Befragten als äußerst stark oder sehr stark bewertet.8



Statistisches Bundesamt (2018d).

KOFA (2019), S. 9.

Ebd. S. 8.

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2018b), S. 4.

Ebd.

Ebd., S. 9.

Ebd., S. 14.

Ebd., S. 5.



Vertrauen und Sicherheit

D.1

Gibt es eine nationale Cybersicherheitsstrategie, die sich an den internationalen Menschenrechtsstandards orientiert, einschließlich eines nationalen Computer-Notfallreaktionsteams (CERT) oder einer gleichwertigen Einrichtung?

Indikator 123: Vorhandensein einer Cybersicherheitsstrategie mit Beteiligung mehrerer Interessengruppen, die mit internationalen Rechten und Normen im Einklang steht.

Seit 2016 gibt es in Deutschland eine nationale Cyberstrategie.1 Außerdem besteht ein nationalen Cyber-Sicherheitsrat, dieser wird seit Juli 2017 durch einen Fachbeirat unterstützt.2 Leitbild der Strategie ist, dass „die Handlungsfähigkeit und Souveränität Deutschlands (...) auch im Zeitalter der Digitalisierung gewährleistet sein [müssen.]"3

Im nationalen Cyber-Abwehrzentrum (Cyber-AZ), tauschen die für Cyber-Sicherheitsfragen zuständigen Bundesbehörden Informationen zu Cyber-Vorfällen aus und teilen ihre Bewertungen und Analysen.4 Mit Cybersicherheit befasste Behörden bestehen auf Ebene der EU, des Bundes und der Länder.

Mit dem IT-Sicherheitsgesetz und dem Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wurden 2015 wichtige Schritte in Richtung einer Verbesserung der Sicherheit und eines Voranschreitens der Digitalisierungspolitik in Deutschland unternommen. Das Gesetz schafft verbindliche Mindestanforderungen und Meldepflichten für die kritische Infrastruktur betreibenden Unternehmen. Außerdem wurde die Rolle des BSI als Organisation gestärkt.5

Indikator 124: Einrichtung eines nationalen CERT oder eines gleichwertigen Systems und Nachweis über dessen Wirksamkeit

Auf Bundesebene gibt es ein nationales Computer-Notfallreaktionsteam (Computer Emergency Response Team), das kurz CERT-Bund genannt wird. Innerhalb seiner Zuständigkeit für die Einrichtungen des Bundes ist es verantwortlich für die Erstellung und Veröffentlichung präventiver Handlungsempfehlungen zur Schadensvermeidung bei Hardware- und Softwareprodukten sowie zur Unterstützung von Maßnahmen zu Schadensbegrenzungen bei IT-Sicherheitsvorfällen. Er arbeitet eng mit dem IT-Lagezentrum und dem IT-Krisenreaktionszentrum zusammen und unterstützt diese in personeller Hinsicht.6

Zur Erfüllung dieser Aufgaben bietet das CERT-Bund einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst, der eingehende Meldungen über ungewöhnliche Vorfälle analysiert und daraus Empfehlungen ableitet, einen Warn- und Informationsdienst betreibt und die Bundesverwaltung bei akuten Gefährdungen alarmiert.7 Darüber hinaus stellt das CERT-Bund für Privatpersonen kostenlose Informationen auf der Plattform Bürger-CERT zur Verfügung, mit der alle Informationen über aktuelle Attacken durch Schadsoftwares und Sicherheitslücken in Computeranwendungen einsehen und abonnieren können.8

Der Bereich der öffentlichen Verwaltung in Deutschland organisiert sich innerhalb des Verwaltungs-CERT-Verbundes (VCV)9 auf Bundes- und Länderebene. Mittlerweile entstehen die ersten CERTs im kommunalen Bereich. Zusammen mit anderen deutschen Sicherheits- und Computer-Notfallteams – vor allem aus der Kreditwirtschaft – bildet der CERT-Bund den CERT-Verbund, der der Verbesserung der operativen Sicherheit dienen soll.10



Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2016).

Ebd.

Ebd.

Ebd., S. 28.

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2017).

CERT-Bund (2020).

Ebd.

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (2020c).

CERT-Verbund (2020).

Ebd.



D.4

Gab es in den letzten drei Jahren erhebliche Verstöße gegen die Cybersicherheit im Land?

Indikator 125: Häufigkeit und Art der gemeldeten Verstöße sowie Anzahl der betroffenen Einzelpersonen und Unternehmen

Das Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlicht jährlich ein Lagebild über die Cyberkriminalität in Deutschland; zuletzt im September 2020. Es berichtet, dass es im Jahre 2019 in Deutschland 100.514 Cybercrimes im engeren Sinne1 gab, was einen Anstieg um 15,4 % im Vergleich zu 2018 bedeutet. Bei einer Aufklärungsquote von 32,3 % gab es dabei 22.574 Tatverdächtige. Neben den erhobenen Daten wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen, da viele Fälle nicht gemeldet werden, weil die Taten nicht über das Versuchsstadium hinausgehen oder die Betroffenen sie nicht erkennen oder aus Scham oder Ängsten vor Reputationsverlusten oder wegen des Ausbleibens eines finanziellen Schadens nicht anzeigen.2

Als mögliche Schadenshöhe hat das BKA 88,0 Mio. Euro für die Cyberstraftaten im engeren Sinne berechnet, wobei dies – wie das BKA selbst anführt – dem tatsächlichen Schaden keineswegs entsprechen wird. Damit sei auch die große Diskrepanz zwischen den Berechnungen des BKA und den Berechnungen der Privatwirtschaft zu erklären.3

Aktuelle Ergebnisse einer stichprobenartigen Befragung von 1.070 deutschen Unternehmen im Auftrag von BITKOM zeigen, dass 75 % der befragten Unternehmen in den letzten zwei Jahren von einer Cyberstraftat betroffen waren und weitere 13 % es vermuten. Dies entspricht einem Anstieg zu 2017 von 9 %. 70 % der Unternehmen gaben an, dass sie durch die Cyberattacken finanzielle Schäden erlitten haben. In Bezug auf die entstanden Schäden berechnet BITKOM auf Basis einer Selbsteinschätzung der Unternehmen, dass durch die Cyberkriminalität pro Jahr Schäden in Höhe von 102,9 Mrd. Euro entstanden sind.4

Eine 2020 publizierte Erhebung des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) zu Cyberangriffen gegen Unternehmen in Deutschland kommt zu einer kleineren Zahl an betroffenen Unternehmen. Hier haben lediglich 41,1 % der stichprobenartig befragten Unternehmen angegeben, in den letzten 12 Monaten Opfer von Cyberattacken gewesen zu sein; 67 % der Unternehmen gaben an, überhaupt schon einmal Opfer von Cyberkriminalität geworden zu sein.5 Ein großer Teil der Unternehmen wurde in den zwölf Monaten vor der Befragung von Angriffen durch eine Schadsoftware getroffen: 12,5 % wurden durch (mindestens) einen Ransomware-Angriff, 11,3 % durch einen Spyware-Angriff, 21,3 % durch einen sonstigen Schadsoftware-Angriff geschädigt und 22 % waren von einen Phishing-Angriff betroffen.6

Auffällig ist auch die Prävalenzrate in Bezug auf die Branchenzugehörigkeit. Von den Unternehmen aus der Land- und Forstwirtschaft gaben 23,6 % an, dass sie schon einmal Opfer von Cyberkriminalität waren; demgegenüber waren es 48,4 % der befragten Unternehmen aus der Branche wirtschaftlicher Dienstleistungen.7

Zwischen Oktober 2017 und Oktober 2018 gab es zudem 21 gemeldete Fälle von Cyberangriffen auf Kritische Infrastrukturen (KRITIS), die Unternehmen bzw. Einrichtungen in den Sektoren Wasser, Energie, Ernährung, Informations- und Telekommunikationstechnik, Finanz- und Versicherungswesen, Transport und Verkehr, Gesundheit, Medien und Kultur, Staat und Verwaltung umfassen. Aufgrund der Wichtigkeit des Funktionierens dieser Einrichtung und Unternehmen für die Gesellschaft im Allgemeinen ist der Schutz dieser von besonderer Priorität. Trotzdem sind sich Fachleute und Betroffene einig, dass es, auch als Folge einer immer weiter digitalisierten Welt und Gesellschaft, eine Zunahme solcher Angriffe geben wird.8

Indikator 126: Wahrnehmung der Internetsicherheit bei Nutzenden, Unternehmen und anderen Interessengruppen

Wie bereits unter Indikator 124 erörtert, haben viele staatliche Einrichtungen die Relevanz der Cybersicherheit erkannt und Computer Emergency Response Teams (CERTs) eingerichtet. Auf diesem Gebiet bzw. bei Unternehmen von mittlerer bis großer Größe herrscht eine gewisse Sensibilität für Herausforderungen der Cybersicherheit.9

Dennoch hat sich bei einer stichprobenartigen Befragung von Unternehmensvertretungen gezeigt, dass je größer das Unternehmen ist, desto geringer wird das allgemeine Risikobewusstsein der Belegschaft eingeschätzt. Demgegenüber wird von den Unternehmensvertretungen davon ausgegangen, dass die Geschäftsführung ihres Unternehmens die IT-Risiken besser einschätzen als die Belegschaft.10

Während in einer Studie der BITKOM eine breite Mehrheit von 82 % der Unternehmen davon überzeugt ist, dass künftig noch mehr Cyberattacken auf ihr Unternehmen verübt werden,11 halten in der Studie von PWC 31,5 % der Befragten das Risiko eines ungezielten Cyberangriffs im nächsten Jahr für eher hoch oder sehr hoch und nur 7 % das Risiko eines gezielten Cyberangriffs für eher hoch oder sehr hoch.12

Bezüglich der Wahrnehmung der Internetsicherheit durch die einzelnen Internetnutzenden ist ein aussagekräftiger Maßstab das Unterlassen verschiedener Internetaktivitäten aufgrund von Sicherheitsbedenken. 35 % der Internetnutzenden haben aufgrund von Sicherheitsbedenken die Pflege von beruflichen oder sozialen Netzwerken vernachlässigt und 25 % öffentliche WLAN-Netze gemieden, während lediglich 15 % der Nutzenden keine Waren oder Dienstleistungen über das Internet aufgrund von Sicherheitsbedenken bestellt haben. Lediglich 36 % der Internetnutzenden geben an, dass sie keine Aktivitäten im Internet aus Sicherheitsgründen unterlassen haben.13

Vor einem Verlust ihrer Daten schützen sich 59 % der Internetnutzenden durch die Datensicherung auf einem externen Speichermedium oder in einer Cloud. 34 % der Nutzenden sichern ihre Daten nicht, während 7 % es überhaupt nicht wissen, ob sie ihre Daten speichern.14

Indikator 127: Daten zu Phishing, Spam und Bots in Domänen auf nationaler Ebene

Hinsichtlich schädlicher Cyberangriffe bei Unternehmen durch Phishing kommen die aktuellen, von BITKOM und dem kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) publizierten Studien zu ähnlichen Ergebnissen. Laut BITKOM ist der Anteil der durch Phishing-Angriffe betroffenen Unternehmen von 15 % in 2017 auf 23 % in 2019 angestiegen; nach der Studie des KFN waren 22 % der befragten Unternehmen von Phishing betroffen.15

In der Studie des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) wird auch auf andere Arten der Cyberkriminalität wie Ransomware, Spyware oder DDoS eingegangen.16 Von Ransomware-Angriffen waren nach dieser Studie 12,5 % der Unternehmen betroffen, von Spyware 11,3 %. Außerdem wurden 2,8 % der Unternehmen von manuellem Hacking betroffen, 8,1 % von CEO-Fraud17 und 3,1 % von Defacing.18

Bezüglich des Anteils der von Malware betroffenen Unternehmen haben beide Studien mit 21,3 % (KFN), bzw. 23 % (BITKOM) ähnliche Befunde. Ganz unterschiedlich ist der Befund zu (D)DoS-Attacken19 auf Unternehmen. Während KFN nur einen Anteil der betroffenen Unternehmen von 6,4 % ausweist, gaben in der Studie von BITKOM 18 % der Unternehmen an, von (D)DoS Attacken betroffen gewesen zu sein.20

Hinsichtlich der Schädigungen durch Spam gibt es Daten der beiden E-Mail-Anbieter GMX.de und Web.de, bei denen nach eigenen Angaben die Hälfte der Deutschen ein E-Mail-Konto hat. Zusammen haben sie 2018 pro Tag durchschnittlich 150 Mio. E-Mails erkannt, die als Spam klassifiziert worden sind.21



Bundeskriminalamt (2020), S. 47. Der international anerkannten Bezeichnung „Cybercrimes“ im engeren Sinne werden in Deutschland die folgenden Straftatbestände nach dem Strafgesetzbuch zugeordnet: §§ 263a (Computerbetrug), 202a-202d (Ausspähen und Abfangen von Daten einschließlich Vorbereitungshandlungen und Daten-Hehlerei), 269 (Fälschung beweiserheblicher Daten), 270 (Täuschung im Rechtsverkehr), 303a (Datenveränderung), und 303b (Computersabotage).

Ebd., S. 47.

Ebd., S. 48.

Berg, A.; Niemeier, M. (2019), S. 2 und S. 6.

Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2019).

Ebd., S. 107.

Ebd., S. 103.

Bundeskriminalamt (2020), S. 54.

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (2020b).

Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2020).

Berg, A.; Niemeier, M. (2019), S. 10.

Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2020), S. 91.

Statistisches Bundesamt (2019f), S. 42 f.

Ebd., S. 44.

Berg, A.; Niemeier, M. (2019), S. 4; Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2020), S. 166.

Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2020), S. 107.

Betrugsmasche, bei der Firmen unter Verwendung falscher Identitäten zur Überweisung von Geld manipuliert werden.

Attacke auf eine Website, die die visuelle Wahrnehmung der Website verändert.

Nichtverfügbarkeit eines Internetdienstes, der eigentlich verfügbar sein sollte.

Berg, A.; Niemeier, M. (2019), S. 4; Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (2020), S. 107.

Schwarz, L. (2019).



Rechtliche und ethische Aspekte des Internets

E.3

Wie nehmen Einzelpersonen die Vorteile, Risiken und Auswirkungen des Internets innerhalb des Landes wahr?

Indikator 128: Wahrnehmungen von Nutzen, Risiken und Auswirkungen des Internets, abgeleitet aus Haushalts- oder Meinungsumfragen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht

In der DIVSI-Studie (Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet) „Die Digitalisierung schreitet voran – Menschen voller Hoffnung und Optimismus“ von 2017 gaben 75 % der Befragten (84 % der befragten Männer, 68 % der befragten Frauen, in beiden Geschlechtern vor allem besser verdienende Personen mit einem höheren Bildungsabschluss) an, durch die Digitalisierung Vorteile für Deutschland insgesamt wahrzunehmen, 63 % sahen auch für sich persönlich vor allem Vorteile (68 % der befragten Männer, 58 % der befragten Frauen, in beiden Geschlechtern ebenfalls wieder vor allem besser verdienende mit einem höheren Bildungsabschluss).1

Lediglich 15 % der Befragten glauben, dass Deutschland durch die Digitalisierung eher Nachteile haben wird (9 % der befragten Männer, 20 % der befragten Frauen, in beiden Geschlechtern vor allem schlechter verdienende Personen mit einem niedrigeren Bildungsabschluss). 20 % sehen für sich persönlich vor allem Nachteile, aufgeschlüsselt nach 15 % der befragten Männer und 24 % der befragten Frauen, ebenfalls mit einem Überhang in den Gruppen mit niedrigerem Einkommen und geringerer Bildung.2

Von DIVSI in 2018 befragte 14-24jährige3 sehen Schadprogramme und das Ausspionieren von Zugangsdaten ebenso wie Betrug als größtes Risiko online. Aber auch Stalking, Beleidung und Mobbing wird mit bis zu 40 % der Nennungen als durchaus großes Risiko wahrgenommen. Hier gibt es durchaus geschlechtsspezifische Unterschiede: junge Frauen nehmen zahlreiche Risikoaspekte häufiger wahr, Jungen beziehungsweise junge Männer sehen vieles etwas weniger häufig problematisch,4 mit einem starken Überhang im Bereich Stalking und Hasskommentare:

Auch eine Zunahme von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche lässt sich online deutlich verzeichnen. Studien zeigen, dass viele Minderjährige bereits persönliche Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen oder Cyber-Grooming im Netz gemacht haben.5



Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (2017), S. 9 und S. 11.

Ebd.

Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (2018), S. 72 ff.

Ebd., S. 76.

sh. z.B. Jugendschutz.net (2019).



E.4

Geben Internetnutzende an, dass sie von anderen Internetnutzenden in erheblichem Maße belästigt werden, was sie davon abhält, das Internet in vollem Umfang zu nutzen?

Indikator 129: Verfügbarkeit von Meldemechanismen für Online-Belästigung oder -Missbrauch, einschließlich Meldevorkehrungen von Online-Diensteanbietern

Im Bereich Jugendschutz können bei den einzelnen Landesmedienanstalten Beschwerden wegen des Verdachts auf Verstöße gegen die Menschenwürde, bei Hass oder volksverhetzenden Inhalten direkt eingereicht werden (z.B. auf der Webseite der Landesanstalt für Medien NRW), die einzelnen Landesmedienanstalten nehmen im Verdachtsfall jedoch auch eigene Prüfungen vor und melden das Ergebnis an die KJM. Unterstützt wird die KJM durch die an sie organisatorisch angebundene jugenschutz.net, welche sich auf das Thema Digitale Gewalt spezialisiert hat. Über deren Meldestellen können überdies Hassinhalte gemeldet werden, um sie auf jugendmedienschutzrechtliche Verstöße überprüfen zu lassen. Dieses Projekt wird ebenfalls vom Bund gefördert.

Als erstes Projekt seiner Art wurde 2017 die Initiative „Verfolgen statt nur Löschen“ gestartet. Es handelt sich um eine Kooperation zwischen der Landesanstalt für Medien NRW (LfM NRW) und der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW). Innerhalb der Initiative kooperieren die LfM NRW mit der ZAC NRW, eingerichtet bei der Staatsanwaltschaft Köln, dem Landeskriminalamt NRW und den Medienhäusern der Mediengruppe RTL Deutschland, Rheinischen Post und dem Westdeutschen Rundfunk. Ihr Ziel ist es, Hassrede nicht nur zeitnah aus Kommentarspalten zu entfernen, sondern strafbare Äußerungen gezielt zur Anzeige zu bringen. Weitere Bundesländer haben ähnliche Initiativen umgesetzt bzw. beteiligen sich an ähnlichen Projekten. Zusätzliche Meldestellen auf Bundesebene sind die Meldestelle „respect!“ gegen Hetze im Internet, bei der bedrohliche Inhalte entgegengenommen und geprüft werden. Beiträge, die den Tatbestand der Volksverhetzung, Beleidigung, üblen Nachrede oder Verleumdung erfüllen, leitet die Meldestelle dann den Plattformbetreibern mit der Aufforderung zur Löschung weiter. Fälle der Volksverhetzung nach §130 StGB werden von der Meldestelle zur strafrechtlichen Verfolgung angezeigt.1 Ähnlich funktioniert das hessische Angebot der Meldestelle „Hass melden!“2/„Hessen gegen Hetze“.3 Außerdem gibt es eine zentrale Meldestelle für rechtsextreme Inhalte im Internet von jugendschutz.net, die sich nach der Prüfung ebenfalls um das Entfernen der gemeldeten Inhalte bemühen.4 Hinzukommen die Meldestellen Antisemitismus für Baden-Württemberg5 und Report-Antisemitism (bundesweit).6

Als gesetzliche Grundlage für Maßnahmen gegen Digitale Gewalt und Hassrede fungiert das 2017 in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) dass Plattformen und Intermediäre dazu verpflichtet, wirksames und transparentes Beschwerdemanagement zur Verfügung zu stellen und in § 4 NetzDG den Unternehmen mit erheblichen Bußgeldern droht. In 2020 wurde eine Novellierung vorbereitet, die auch den Blick des NetzDG in Bezug auf Hasskriminalität erweitert.7 Zu der Verbesserung der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität arbeitet auch das Bundeskriminalamt (BKA) am Aufbau einer Meldestelle für strafrechtlich relevante Netzinhalte. Das Gesetz sieht im Wesentlichen Verbesserungen im Umgang mit gemeldeten/strafbaren Inhalten vor: in Sozialen Medien geäußerte Drohungen, Beleidigungen oder Verleumdungen gegenüber Personen in der Kommunalpolitik sollen künftig unter das Strafgesetzbuch fallen.8 In bestimmten Fällen müssen große Plattformen wie Facebook oder Twitter beanstandete Inhalte nun nicht nur löschen, sondern sie auch an das BKA melden.9

Das Gesetz gegen Rechtextremismus und Hasskriminalität darf durchaus so verstanden werden, dass sowohl der Faktor Rechtextremismus wie auch die Geschlechterdimension in den Blick genommen wurde. Über die Bestimmungen des NetzDG hinausreichende Transparenzberichte10 der Plattform-Anbieter sind aber weiterhin nicht konkret vorgeschrieben, dabei wären diese mit Blick auf Erkenntnisse zu geschlechtsspezifischen und intersektional verschränkten Formen von zum Beispiel Hassrede sehr hilfreich. Gleiches gilt für eine Erweiterung der Kategorien der Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes um die Kategorie Digitale (häusliche) Gewalt und Geschlecht und frauenfeindliche Tatmotive (Stichwort: Frauenverachtung als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit).11

Indikator 130: Daten über das Ausmaß, in dem Internet-Nutzende Belästigung oder Missbrauch melden, unter besonderer Berücksichtigung bestimmter demographischer und sozialer Gruppen (einschließlich Frauen, ethnischer und anderer Minderheiten sowie Menschen, die sich für die Rechte der Bevölkerung einsetzen)

Die Zahlen des Bundeskriminalamts zum Komplex Hassrede zeigen: ein Großteil der Hasskommentare (77 %) „lässt sich dem rechtsextremen Spektrum zuordnen, knapp 9 % der Kommentare sind linksextrem“.12 Die verbleibenden 14 % sind anderen Ideologien zuzuordnen oder weisen keine besondere politische Motivation auf.

Mit Blick auf eine geschlechtsspezifische, intersektionale Komponente im Bereich Hassrede kam die bundesweit repräsentative Studie „#Hass im Netz: Der schleichende Angriff auf unsere Demokratie“ im Juni 2019 zu dem Ergebnis, dass etwa 14 % der Menschen mit Migrationshintergrund bereits von Hassrede angegriffen wurden, gegenüber 6 % der Menschen ohne Migrationshintergrund.13

Die 2018 publizierte Studie „Hass auf Knopfdruck“ von Institute for Strategic Dialogue (ISD) und der Facebook-Aktionsgruppe #ichbinhier zeigt darüber hinaus, dass eine erhebliche Zunahme von koordiniertem Hass online festzustellen ist. Nach der Analyse von über 1,6 Millionen rechtsextremen Posts in sozialen Medien (Twitter und öffentliche Facebook-Seiten) im Zeitraum von Februar 2017 bis Februar 2018 haben einerseits explizit rassistische, antimuslimische und antisemitische Posts seit dem Inkrafttreten des NetzDG im Oktober 2017 abgenommen, andererseits aber sind koordinierte rechtsextreme Online-Hasskampagnen seit Dezember 2017 im Schnitt mehr als dreimal so häufig wie in den vorangegangen Monaten. Außerdem zeigt die Studie auf, dass es in diesen Kampagnen vielfach darum geht, gezielt Menschen in der Politik, Medienschaffende und politisch aktive Menschen unter Druck zu setzen und einzuschüchtern.14

Amnesty International bestätigte überdies in 2018, dass „Frauen mit dunkler Hautfarbe, Frauen religiöser oder ethnischer Minderheiten, lesbische, bisexuelle, transsexuelle oder intersexuelle (LBTI) Frauen, Frauen mit Behinderungen oder nichtbinäre Personen, die den traditionellen Geschlechternormen von Männern und Frauen nicht entsprechen, [im Internet] oft Formen von digitaler Gewalt ausgesetzt sind, der sie auf einzigartige oder besondere Weise betrifft.“15

An gleicher Stelle weist Amnesty International darauf hin, dass Frauen wie Feministinnen, die sich gezielt für Frauenrechte einsetzen, und Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, wie Journalistinnen und Politikerinnen, besonders von Hassrede betroffen sind.16 Diese Verquickung von Vulnerabilitäts-Faktoren bestätigt auch, was das vom Europarat gegründete No-Hate Speech-Movement festhält: „Wenn man sich anschaut, welche Frauen von Hassrede betroffen sind, fällt auf: Neben muslimischen und geflüchteten Frauen betrifft dieses Phänomen vor allem Feministinnen und jene, die in der Öffentlichkeit stehen.“17

Zwar finden wir in Deutschland kaum konkrete Zahlen für diesen Komplex, doch legt die internationale Studienlage nahe, dass ähnliche systemische Diskriminierungsmuster sich auch hier in gleicher Form tradieren.

Die derzeit aktuellste vorliegende Studie #Hass Im Netz zu den Erfahrungen deutscher Internetnutzenden mit Hassrede im Internet zeigt deutlich, dass Menschen, die Hassrede erfahren, sich nicht selten aus dem Internet zurückziehen. Sogenanntes, durch Hassrede hervorgerufenes Silencing wird oftmals gezielt eingesetzt, um gegen bestimmte (marginalisierte) Gruppen vorzugehen. Fast immer zieht dies mit Blick auf die Verursachenden keine rechtlichen Konsequenzen nach sich, führt aber nicht selten erfolgreich zu einem Rückzug der Betroffenen; fast die Hälfte (47 %) der Befragten ab 18 Jahren in Deutschland bestätigten die Aussage: „Ich selbst beteilige mich wegen Hassrede seltener an Diskussionen im Netz.“18 Ebenso macht diese Studie deutlich, gegen welche Gruppen in Deutschland Hassrede beobachtet wird: dazu gehören mehrheitlich Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen muslimischen und jüdischen Glaubens, Geflüchtete, Frauen, Menschen, die nicht dem aktuellen Schönheitsideal entsprechen, homo- und transsexuelle Menschen, finanziell schlechter gestellte Menschen und Menschen mit Behinderung.19

Zu diesem Kapitel sind Empfehlungen für verschiedene Stakeholder in Kapitel 8 zusammengefasst. 



Demokratiezentrum Baden-Württemberg (2020a).

Hassmelden (2020).

Hessen gegen Hetze (2020).

Hass im Netz (2020).

Demokratiezentrum Baden-Württemberg (2020b).

Report Antisemitism (2020).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2020).

Ebd.

Ebd.

Transparenzberichte, sh. z.B. Facebook (2020).

Deutscher Juristinnenbund (2019).

Bundeskriminalamt (2019) und, generell: Bundeskriminalamt (2020).

Geschke, D. et al. (2019), S. 23.

Ebner, J. et al. (2018); Dominat in diesem Feld ist die Identitäre Bewegung, deren Hashtags regelmäßig von AfD-Accounts und von russischen Medien wie RT und Sputnik aufgegriffen werden.

"In the case of online violence and abuse, women of colour, religious or ethnic minority women, lesbian, bisexual, transgender or intersex (LBTI) women, women with disabilities, or non-binary individuals who do not conform to traditional gender norms of male and female, will often experience abuse that targets them in a unique or compounded way" Amnesty International (2018), Kapitel 2.

Ebd.

Geisler, S. (2016).

Geschke, D. et al. (2019), S. 28.

Ebd., S. 20