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Gender

A.1

Werden die Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in den nationalen Strategien und Richtlinien für die Entwicklung des Internets ausdrücklich berücksichtigt und wirksam überwacht?

Indikator 105: Die nationalen Strategien berücksichtigen ausdrücklich a) die Bedürfnisse von Frauen im Zusammenhang mit dem Internet und b) das Potenzial des Internets zur Unterstützung der Selbstbestimmung von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter

Die Bundesregierung berücksichtigt die Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in nationalen Strategien für die Entwicklung, so u.a. in der Digitalen Agenda für 2014-2017, der Umsetzungsstrategie Digitalisierung (2020) und insbesondere auch im Zusammenhang mit der Gleichstellungsstrategie (2020).

In Kapitel IV der Digitalen Agenda 2014-2017 zum Thema Digitale Lebenswelten in der Gesellschaft gestalten wird explizit darauf abgehoben, die Chancen für Familien und Gleichstellung zu stärken:

„In der Gestaltbarkeit der digitalen Lebenswelten liegt auch ein großes gleichstellungspolitisches Potenzial – etwa durch die Stärkung der partnerschaftlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, durch neue Formen politischer Teilhabe oder auch durch neue Möglichkeiten für Frauen und Männer, sich geschlechtsuntypische Aktionsfelder zu erschließen und damit Rollenstereotype aufzubrechen. Diese Herausforderung wollen wir annehmen und das Thema „Gleichstellung im Netz“ als eigenständiges Thema voranbringen.“1

In der Umsetzungsstrategie Digitalisierung („Digitalisierung gestalten“ (4. Aufl., 06/20))2 der Bundesregierung wird im Handlungsfeld Digitale Kompetenz im Schwerpunkt Kompetente Gesellschaft darüber hinaus explizit auf den Schutz von Frauen und Mädchen vor digitaler Gewalt verwiesen. Zudem nennt die Bundesregierung in dieser Strategie die Gleichstellung als „durchgängiges Leitprinzip, das bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesministerien in ihren Bereichen gefördert werden soll, also auch bei der Digitalisierung.“3 Auf internationaler Ebene setzt sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit der #eSkills4Girls-Initiative überdies seit der deutschen G20-Präsidentschaft im Jahr 2017 für die digitale Gleichberechtigung und Inklusion von Frauen und Mädchen in Entwicklungs- und Schwellenländern ein.4

Die Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung „Stark für die Zukunft“ (2020)5 zielt in Kapitel 2.3 Digitale Lebens- und Arbeitswelt außerdem darauf ab, die Auswirkungen von Digitalisierung und den Einsatz von algorithmischen Systemen diskriminierungsfrei zu gestalten und so zum Abbau von Geschlechterungleichheiten beizutragen.6 Zu diesem Zweck sollen Frauen und Männer gleichermaßen an der Entwicklung von IKT beteiligt werden und die Unterrepräsentanz von Frauen im zur Digitalisierung gehörenden MINT-Bereich behoben werden.7 Zudem müssen gleichstellungspolitische Standards auch in der digitalen Lebens- und Arbeitswelt gesetzt werden. Dazu gehören unter anderem die Verhinderung unzulässiger Diskriminierungen beim Einsatz algorithmenbasierter Entscheidungen, sowie die Überprüfungen des Arbeitsschutzes in der digitalen Arbeitswelt, wie auch die Überprüfung des dort wirkenden Diskriminierungsschutzes.8

In Kapitel 2.8 wird die Vereinbarkeit und gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen im öffentlichen Dienst des Bundes gefordert. Eine gleichberechtigte Teilhabe an Leitungsfunktionen des öffentlichen Dienstes soll bis spätestens 31. Dezember 2025 für den Geltungsbereich des Bundesgleichstellungsgesetzes festgeschrieben werden und auch die Teilzeittätigkeit in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes soll stärker als bisher ermöglicht werden.9

2019 hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht („Chancen von Frauen und Männern in der digitalen Wirtschaft“)10 berufen. Dieser Bericht soll vorrangig die Fragestellung behandeln, wie die Digitalisierung die Gleichstellung der Frauen fördern kann. Das Gutachten mit einer Stellungnahme der Bundesregierung soll im Frühjahr 2021 vorliegen.11

Die Europäische Union verpflichtet darüber hinaus alle ihre Mitgliedstaaten durch ihre Rechtsetzung und weitere Maßnahmen, Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu beseitigen. Prominentes Beispiel für die Umsetzung von EU-Richtlinien in diesem Bereich in Deutschland ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welches Benachteiligungen auch aufgrund des Merkmals des Geschlechts verbietet. Auch der Europarat beschließt Konventionen, Programme und Empfehlungen zur Sicherung der Menschenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter, zuletzt das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (Istanbul Konvention), das für Deutschland am 1. Februar 2018 in Kraft getreten ist12 und das durchaus auch mit Blick auf Digitale Gewalt herangezogen werden könnte.

Das Bundesgleichstellungsgesetz hat darüber hinaus die Aufgabe, in den Dienststellen des Bundes die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern, insbesondere auch in Führungspositionen.13

Die Bundesregierung verfolgt im Rahmen ihrer Umsetzungsstrategie „digital-made-in.de“ eine Reihe unterschiedlicher Schwerpunktmaßnahmen. Darunter werden Vorhaben zur Medienkompetenzförderung unter dem Titel „Gutes Aufwachsen mit Medien“ durch ein Initiativbüro vernetzt und koordiniert14 und speziell zum Schutz von Frauen und Mädchen vor digitaler Gewalt der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) gefördert, um Informationsarbeit zu leisten und das Unterstützungssystem zu qualifizieren. Im internationalen Kontext werden mit der #eSkills4Girls-Initiative digitale Kompetenzen von Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern gefördert, unter anderem durch die Unterstützung einer Programmierakademie für Frauen in Ruanda und die Teilnahme an der EQUALS-Initiative (The Global Partnership for Gender Equality in the Digital Age), an der die Bundesregierung durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beteiligt ist, das gemeinsam mit der UNESCO die Arbeitsgruppe zu digitalen Kompetenzen leitet. Seit 2018 werden in diesem Kontext Initiativen, die digitale Kompetenzen von Frauen und Mädchen in Afrika fördern, durch den „EQUALS Digital Skills Fund“ gefördert.15

Indikator 106: Anzahl von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Regierung, die sich mit IKT/Internet befassen

Im Gleichstellungsindex 201916 wurde die Gleichstellung von Frauen und Männern in den obersten Bundesbehörden ermittelt, allerdings nicht spezifisch für den Bereich IKT/Internet.

Die Anzahl von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Regierung, die sich mit IKT/Internet befassen, weist auf einen deutlichen Bias hin. Befasst mit IKT und Internet sind innerhalb der deutschen Regierung vor allem das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie AA. AA, BMI, BMVI und BMWi sind von Männern geführt, das BMJV wird von einer Ministerin geführt. Das mit einer Ministerin an der Spitze stehende BMJV erweist sich auch in seiner internen Organisationsstruktur auf den Leitungsfunktionen als durchaus gendersensibel,17 wohingegen die Ministerien für Inneres,18 für Wirtschaft und Energie19 und Verkehr20 neben der Spitzenebene auch auf den weiteren Leitungsebenen männlich dominiert sind. Einen Überblick über die mit IKT und Internet befassten Leitungspersonen gibt die folgende Tabelle.

Indikator 107: Umfang der Disaggregation der verfügbaren Daten über IKT-Zugang und -Nutzung nach Geschlecht

Schaut man auf die Verteilung nach Geschlecht, so finden sich Zahlen bezüglich des Zugangs zum Internet vor dem Hintergrund des absoluten Geschlechts21 (männlich/weiblich; die Kategorie divers wird nicht erhoben/abgebildet), sowie Zahlen zur Nutzung des Internets vor demselben Hintergrund.22 Eine weitere Aufschlüsselung (z.B. nach Ethnie) ist allerdings nicht möglich.

Sowohl der quantitative, wie auch der qualitative Zugriff aufs Internet aufgeschlüsselt nach Geschlecht sind regelmäßig und stets aktualisiert verfügbar (in beiden Kategorien unterscheiden sich die Geschlechter zum Teil nur marginal23). Neben vielfältigen Statistiken, gebündelt bei statista24 und Zahlen des BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft)25 fällt in der Sonderauswertung des D21-Digital-Index 2018/2019 auf, dass es zwischen den Geschlechtern, gemessen an der Selbsteinschätzung, beim Zugang zur Digitalisierung, dem Nutzungsverhalten, der Kompetenz und der Offenheit nach wie vor noch Unterschiede gibt.26

Indikator 108: Vorhandensein nationaler Mechanismen zur Überwachung der Einbeziehung von Frauen in Strategien für den Internetzugang und die Internetnutzung

Auch das Vorhandensein nationaler Mechanismen zur Überwachung der Einbeziehung von Frauen in Strategien für den Internetzugang und die Internetnutzung ist nur schwer nachweisbar. Einzig das bereits oben erwähnte Monitoring des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst27 durch den alle zwei Jahre vorzulegenden Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamtes28 sei hier erneut erwähnt.

 

 

 



Bundesregierung (2014), S. 24.

Bundesregierung (2020), S. 25 ff.

Ebd.

Bundesregierung (2020a).

Bundesministerium für Gesundheit (2020).

Ebd., S. 17.

Ebd., S. 18.

Ebd.

Ebd., S. 22.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2019).

Ebd.

Bundesregierung (2018e).

In den obersten Bundesbehörden sind 36 % der Führungspositionen mit Frauen besetzt: Statistisches Bundesamt (2019f); sh. auch Biermann, Kai/Geisler, Astrid (12.11.2018).

Bundesregierung (2020), S. 26.

Bundesregierung (2020), S. 28.

Statistisches Bundesamt (2019f).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2020).

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020a).

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020).

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2020).

ITU (2019); Statistik dazu hier: Statistisches Bundesamt (2020b).

Nutzung des Internets: aufgeschlüsselt nach Geschlecht (keine großen Abweichungen) hier: Statistisches Bundesamt (2020a);
aufgeschlüsselt nach Alter (große Varianz) hier: Statistisches Bundesamt (2020d).

Ebd.

Statista (2020).

BVDW (2018).

 

Initiative D21 (2020).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2015).

Statistisches Bundesamt (2018c).



A.2

Gibt es eine digitale Kluft zwischen den Geschlechtern beim Internetzugang und bei der Internetnutzung, und wenn ja, wächst, stabilisiert oder verringert sich diese Kluft zwischen den Geschlechtern?

Indikator 109: Anteil der Personen, die das Internet nutzen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, im Vergleich zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Einkommen und Bildungsniveau

Laut Angaben des statistischen Bundesamtes nutzten 2019 90 % der Deutschen das Internet täglich oder fast jeden Tag. Aufgeschlüsselt nach Geschlecht ergeben sich nur geringe Unterschiede: 88 % der Frauen nutzen das Internet regelmäßig, sowie 91 % der Männer.1 Auch was die Nutzung des Internets zu privaten Zwecken betrifft, sind beide Geschlechter in allen Kategorien praktisch gleichauf (Teilnahme an sozialen Netzwerken/Suche nach Informationen/Online-Banking).2

Auswertungen, bei denen die Internetnutzung innerhalb der Geschlechter zusätzlich nach Einkommen und Bildung aufgeschlüsselt werden, liegen nicht vor. Da die Unterschiede zwischen den Geschlechtern gering sind, gibt es aber auch keinen Bedarf, zu klären, ob sie auf das Geschlecht oder andere damit verbundene Merkmale zurückzuführen sind.

Indikator 110: Anteile erwachsener Frauen und Männer mit mobilen Breitbandabonnements, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, im Vergleich zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Einkommen und Bildungsniveau

Laut D21-Digital-Index belief sich der Anteil der mobilen Internetnutzenden unter den weiblichen Befragten auf 71 % im Vergleich zu 78 % an männlichen mobilen Nutzern.3 Im Jahr 2018 haben rund 66 % der Frauen das Internet mit ihrem Smartphone oder Handy genutzt. Bei den Männern waren es 70 %, die ihr Smartphone zur Internetnutzung verwendet haben.4

Indikator 111: Erhebungsdaten zum Internet-Bewusstsein und zu Mustern der Internet-Nutzung, disaggregiert nach Geschlecht

Erhebungen des statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2019 ergaben, dass 56 % der Frauen und 54 % der Männer Soziale Medien zur privaten Kommunikation nutzten,5 die Nutzungsdauer von Sozialen Medien pro Werktag in Minuten (2019) differiert dabei durchaus: 106 Minuten bei Frauen, 81 Minuten bei Männern.6

Was die Nutzung des Internets zum Bestellen von Produkten/Dienstleistungen (Online-Shopping) angeht, ergibt sich diesbezüglich aufgeschlüsselt nach Geschlecht (2019) hingegen keine Differenz (Frauen: 66,4 % und Männer: 66,3 %).7 In 2015 bestand hier zwischen Männer und Frauen noch eine Differenz von 7,3 % zugunsten der Männer.8 Ähnlich wie bei der Internetnutzung im Allgemeinen ist auch hier eine Angleichung deutlich erkennbar.

Die Einstellung zum Internet dagegen zeigt durchaus Unterschiede. Männer geben z.B. häufiger an, im Internet etwas zu suchen, und das erfolgreich.

Das mag durchaus mit unterschiedlichen Kompetenzen zusammenhängen. Eine Abfrage nach der Kenntnis und dem Verständnis von digitalen Fachbegriffen nach Geschlecht (Anteil an Befragten, die die unten genannten Begriffe erklären können oder deren Bedeutung kennen),9 zeigt, dass mehr Männer als Frauen mit einschlägigen Begriffen vertraut sind.

Die Mehrheit der befragten Personen kann mit Begriffen aus dem Bereich Social Media (Fake News, Shitstorm) oder medial präsenten Themenfeldern (z.B Künstliche Intelligenz) etwas anfangen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind hier geringer, jedoch ausschließlich zugunsten der Männer. Bei den eher technischen Begriffen vergrößert sich die Kluft. Die weniger bekannten und eher technischen Begriffe (Industrie 4.0, Blockchain) sind innerhalb der befragten Personengruppe deutlich mehr Männern als Frauen bekannt.

Indikator 112: Wahrnehmung der Barrieren für den Zugang zum Internet und dessen Nutzung sowie des Wertes des Internetzugangs und der Internetnutzung, aufgeschlüsselt nach Geschlecht. (Siehe auch Indikatoren 73 und 82)

Dem Bericht des Digital Index 2019/2020 zufolge nutzen ältere Generationen und Personen mit niedriger Bildung das Internet noch immer deutlich seltener als andere. Zudem gilt: Je urbaner die Umgebung ist oder je mehr Personen im Haushalt leben, desto eher wird das Internet genutzt.10

Auch unter den Nicht-Nutzenden sind mit 67 % deutlich mehr Frauen (der eher älteren Jahrgänge, mit eher geringerem Bildungsstand).11 Schaut man auf die Nutzung von Social Media, so wird deutlich, dass YouTube, Twitter und die beruflichen Netzwerke LinkedIn und XING mehr von Männern als Frauen genutzt werden. TikTok hingegen erreicht tendenziell mehr Frauen, ebenso wie Pinterest.12



Statistisches Bundesamt (2020).

Statistisches Bundesamt (2020f).

Initiative D21 (2020), S. 14.

Statista (2019).

Statistisches Bundesamt (2020f).

BVDW (2019).

Statista (2020a).

Ebd.

Initiative D21 (2020), S. 31.

Ebd., S. 15.

Ebd., S. 19.

Ebd., S. 24.



A.5

Schützen das Gesetz, die Strafverfolgung und die Gerichtsverfahren Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Belästigung und Gewalt im Internet?

Indikator 113: Vorhandensein eines einschlägigen Rechtsrahmens und von Gerichtsverfahren

Die Zugehörigkeit zu oder Identifikation mit einem Geschlecht ist in Deutschland kein Anknüpfungsmerkmal für einen besonderen Schutz durch das Gesetz. Weder online noch offline.

Artikel 3 des Grundgesetzes lautet:

„(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Grundsätzlich ist demnach weder eine Diskriminierung noch eine bevorzugte Behandlung von Frauen und Mädchen von Verfassungswegen vorgesehen. Mädchen und Frauen werden durch das Gesetz nicht spezifisch vor Belästigung oder Gewalt im Internet geschützt, obwohl sie häufiger Opfer dieser Straftaten werden.1 Geschützt sind durch das Strafgesetzbuch StGB in diesem Zusammenhang insbesondere die persönliche Freiheit, sexuelle Selbstbestimmung, die Ehre sowie die körperliche Unversehrtheit.2

Der § 238 StGB der die sogenannte „Nachstellung“ unter Strafe stellt wurde im Jahr 2016 reformiert um das Phänomen des sog. Stalkings erfassen zu können.3 Inwiefern diese Gesetzesänderung tatsächlich zu einer Verbesserung des Schutzes von Stalkingopfern führt wird kontrovers diskutiert.4

Zivilrechtlich gibt es seit 2001 einen Schutz von Gewaltopfern durch das Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz - GewSchG)5. Seit 2017 stellt der Verstoß gegen Anordnungen nach § 1 dieses Gesetzes nach § 4 GewSchG eine Straftat dar, womit das Gesetz noch einmal verschärft wurde. Damit soll insbesondere auch häusliche Gewalt bekämpft werden.

Daneben schützt seit 2017 das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG) mittelbar Betroffene.6 Denn Dienstanbieter sind verpflichtet rechtswidrige Inhalte zu löschen, z.B. Inhalte die nach § 1 Abs. 3 NetzDG gegen §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 StGB verstoßen und nicht gerechtfertigt sind. In § 4 NetzDG sind bei Zuwiderhandlung empfindliche Bußgelder vorgesehen.

Mit Einführung des NetzDG funktioniert der Übertrag von Strafrechtstatbeständen auf digitale Sphäre zunehmend besser. Bspw. wurde mit der Aufnahme von § 241 StGB – „Bedrohung“ eine Grundlage im NetzDG geschaffen, mit der sich Frauen besser gegen Ankündigungen von und Drohungen mit sexueller oder sexualisierter Gewalt auf sozialen Netzwerken wehren können. Der „Stalking“-Straftatbestand des § 238 StGB wird im NetzDG allerdings nicht aufgegriffen Es bestehen gerade in der Praxis weiterhin große Lücken im Schutz von Frauen im Netz.

Problematisch ist auch, was unter Schwelle des Strafrechts passiert, insbesondere die Erosion demokratischer Grundprinzipien, die nicht mit Strafrecht greifbar sind. Dabei hilft dann auch nicht, dass Gerichte die Verantwortung haben, Gesetze durchzusetzen. Allerdings ist in dem Bereich der sexuellen und sexualisierten Gewalt, auch und gerade digital vermittelt, von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. In Deutschland gibt es zwar eine Vielzahl an Hilfsangeboten (z.B. Hilfehotlines), die es jedoch bisher nicht geschafft haben, die Situation für Frauen nachhaltig zu verbessern.7 Ein Defizit besteht insbesondere in der Bereitstellung von Plätzen in Frauenhäusern. Die Bundesfamilienministerin fordert aktuell einen Anspruch auf einen Platz in einem Frauenhaus gesetzlich zu verankern.8

Indikator 114: Inzidenz von geschlechtsspezifischer Belästigung und Gewalt im Internet, die Frauen und Mädchen erfahren

Zum Thema digitale Gewalt gibt es nur sehr begrenzte Forschungen und Daten. Als Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigte der Bundestag Ende 2018, dass die Justiz keine statistischen Informationen über digitale Gewalt an Frauen und Mädchen erhebt. Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts erfasst zwar, ob das Internet eine wesentliche Rolle bei der Verwirklichung von Straftaten spielte, jedoch ließ sich nicht sagen, ob es sich dabei um die als digitale Gewalt an Frauen und Mädchen klassifizierten Taten handelt.9

Es gibt keine internationale Definition von digitaler Gewalt im Internet. Das Europäische Institut für Geschlechtergleichheit (EIGE) hat jedoch einige Formen der Gewalt, die Menschen im Internet erfahren, zusammengetragen.10 Darunter fällt das sogenannte „Cyber-Stalking“, welches das Senden von beleidigenden oder bedrohlichen E-Mails, Textnachrichten (SMS) oder Sofortmitteilungen, das Posten beleidigender Kommentare und das wiederholte Verbreiten privater Fotos oder Videos der betroffenen Person im Internet oder per Handy umfasst. Belästigung gilt laut dem Institut als weitere Form digitaler Gewalt. Gemeint sind unerwünschte, eindeutig sexuelle Nachrichten, unangemessene Annäherungsversuche, Androhungen von körperlicher und/oder sexueller Gewalt und Hassreden (verunglimpfende, beschimpfende oder bedrohende Sprache auf Grundlage der Identität der betroffenen Person). Auch nicht einvernehmliche Pornografie, auch Cyber-Ausbeutung oder “Rache-Pornografie“ genannt, wird zu den digitalen Gewaltformen gezählt. Darunter wird die Verbreitung sexueller grafischer Fotografien oder Videos ohne Zustimmung der betroffenen Person verstanden.

Einzelne Ergebnisse deuten darauf hin, dass Frauen und Mädchen diese Formen von Gewalt häufiger erfahren als Männer, wie z.B. eine 2017 durchgeführte Befragung unter beratend tätigen Beschäftigten in Frauenberatungsstellen und Frauennotrufen belegt. Die beratend tätigen Beschäftigten gaben ergänzend zu den vom Europäischen Institut für Geschlechtergleichheit aufgeführten Formen digitaler Gewalt an, dass ihre Klientinnen zusätzlich Gewalt in Form von Kontaktaufnahme durch Fake-Profile, auf die sehr oft Belästigung und (sexualisierte) Gewalt folgt, Identitätsklau, Liebesbetrug (Love Scamming), unerlaubtes Erstellen von Bildern oder Videos im öffentlichen Raum (z.B. in der Umkleidekabine) oder aktives Löschen wichtiger Dokumente erleben. Auch Kontrollausübung im Rahmen von Stalking in Form von Installieren von Spy-Apps oder Mitlesen von Nachrichten, wenn Passwörter bekannt sind, wurden genannt, ebenso wie heimliches Filmen über in privaten Räumen installierte Kameras oder das heimliche Abhören von Gesprächen.11

Die beratend tätigen Beschäftigten gaben an, dass Probleme junger Mädchen hinsichtlich digitaler Gewalt insbesondere im Bereich Mobbing, in der fehlenden Sensibilisierung bezüglich des Schutzes der eigenen Privatsphäre und der Gefahren von Sexting (Kommunikation sexueller Inhalte) und Grooming (gezielte Kontaktaufnahme Erwachsener mit Minderjährigen in Missbrauchsabsicht) bestünden.12

Der Großteil der befragten Beratungsstellen verzeichnete einen Anstieg der Beratungsanfragen zum Thema digitaler Gewalt in den letzten drei Jahren (seit 2014). Gewalt mittels digitaler Medien erscheint den Angaben zufolge immer häufiger als Begleitthema, sie liefert jedoch nicht den Hauptgrund, eine Beratung aufzusuchen.13

Das Europäische Institut für Geschlechtergleichheit hat darauf hingewiesen, dass Gewalt im Internet nicht als völlig eigenständiges Phänomen, sondern in einem Kontinuum mit internetunabhängiger Gewalt gesehen werden solle.14 In diesem Zusammenhang ist zu vermerken, dass nach der Statistik des Bundeskriminalamts für 2018 81,3 % der Opfer von Partnerschaftsgewalt weiblich sind.15

Indikator 115: Belege für Maßnahmen der Regierung, der Strafverfolgung und der Justiz zum Schutz von Frauen vor geschlechtsspezifischer Belästigung und Gewalt im Internet

Für Digitale Gewalt im Rahmen von Straftaten (z.B. Beleidigung, üble Nachrede etc.) sind in Deutschland zunächst die ortsansässige Polizei und Staatsanwaltschaften zuständig: so gibt es z.B. in Nordrhein-Westfalen die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC NRW) und in Hessen seit Anfang 2020 eine Generalstaatsanwaltschaft. Was Beratungsangebote angeht, die von der Regierung gefördert werden, so gibt es auf unterschiedlichen Ebenen (Kommunen/Länder/Bund) eine Vielzahl an Initiativen zahlreicher Opferhilfeeinrichtungen, die auch im Bereich der digitalen Gewalt Unterstützung anbieten (so z.B. die psychosozialen Betreuungs- und Beratungsstellen, ein Überblick über das Feld ergibt sich aus der Online-Datenbank der Beratungsstellen für Betroffene von Straftaten).

Das, im Rahmen der „Umsetzungsstrategie Digitalisierung“16 von der Bundesregierung unterstützte und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) - geförderte Projekt „Aktiv gegen digitale Gewalt“ des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff),17 das sich speziell gegen alle Formen der geschlechtsspezifischen Gewalt in digitalen Räumen richtet, klärt nicht nur über das Thema auf, sondern bietet auch direkte Hilfestellungen an.

Indikator 116: Vorhandensein von Online-Diensten, die Frauen vor geschlechtsspezifischer Online-Belästigung schützen oder die Betroffene unterstützen sollen

Organisationen wie HateAid, die Betroffene von Hassrede juristisch beraten und vor Gericht unterstützen18 sowie das Netzwerk No-Hate-Speech19 (als deutscher Ableger des europäischen No-Hatespeech-Movement) bieten als zivilgesellschaftliche Akteure online ihre Dienste an.

 



ZEIT Online (24.11.2019).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2017).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2016).

Gazeas, N. (2016).

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2019).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2017b).

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020).

FAZ (25.11.2019).

Deutscher Bundestag (2018), S. 2.

Vgl. zum Folgenden Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (2017), S. 4.

Frauen gegen Gewalt e.V. (2017), S. 4.

Ebd., S. 9.

Ebd., S. 7 f.

Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (2017), S. 4.

Bundeskriminalamt (2018).

Digital made in de (2020).

Frauen gegen Gewalt e.V. (2020).

HateAid (2020); BMJV-gefördert.

No hate speech (2020).